13
legen August Christian Borheck (1794) und Anton Wilhelm Peter Möller (1795). Für
Leidenfrosts Ansehen spricht, dass die Möllers Schrift angefügte Liste der Sub-
skribenten dreizehn Seiten umfasst, beginnend mit der damaligen Kronprinzessin, der
späteren Königin Luise von Preußen. Über ein vom Autor
22
und von Prof. Carstanjen
angeregtes, „zur Ehre Leidenfrost's zu errichtendes Monument“ ist Weiteres nicht be-
kannt. Dafür wurde, viele Jahre danach, im Geburtsort des Gelehrten am 1. Oktober
2006 eine Gedenktafel enthüllt. Angebracht ist sie am ehemaligen Schulgebäude na-
he der St.-Margarethen-Kirche zu Rosperwenda (s. Abb. Umschlagseite 2). Die 100 x
85 cm große, aus Gabbro-Tiefengestein bestehende Platte trägt in dreizehn Zeilen die
Inschrift:
PROF. DR. JOHANN GOTTLOB/LEIDENFROST/GEB. IN ROSPERWENDA/AM 27.
NOV. 1715/WELTBEKANNT DURCH SEIN BUCH/ÜBER DAS REAGIEREN/VON WAS-
SER/AUF GLÜHENDEM METALL/* DAS LEIDENFROSTSCHE PHÄNOMEN */50
JAHRE PROFESSOR/AN DER UNIVERSITÄT DUISBURG/GEST. IN DUISBURG/AM 2.
DEZ. 1794
Die alte Universität Duisburg besteht seit langem nicht mehr. Ein verpflanzbarer Teil
von ihr wurde zum Grundstock der neu errichteten Bonner Hochschule. In
Duisburg
erinnert kaum noch etwas an die einstige 163-jährige akademische Tradition. Anno
1911 wurde wenigstens eine Innenstadtstraße nach Leidenfrost benannt – 117 Jahre
nach seinem Tode. So stimmt es tröstlich, was der ehemalige Duisburger Student –
als Leidenfrost-Nachfolger dann dort beliebter Medizinprofessor, wohltätiger Arzt
und Chronist der Stadt – Conrad Jacob Carstanjen (1763-1840) zwar bei einer an-
deren Ehrung, jedoch allgemein zutreffend voraussagte: „Eine silberne Denkmünze
[…] wird sein Andenken zu unserer spätesten Nachkommenschaft bringen.“
23
Professor Carstanjen wusste es: Historische Medaillen können alten Büchern
gleichen. Man muss sich nur die Mühe machen, sie sorgsam lesend zu verstehen –
wie jetzt, nach 222 Jahren im Rahmen eines „Blitzlichtes“ in diesem Magazin.
22
Möller, Anton Wilhelm Peter: S. 127-134.
23
Carstanjen, Conrad Jacob: Chronik der Stadt Duisburg 1801 bis 1838. Hg. v. Günter von Roden:
Duisburger Forschungen. 46. Bd., Duisburg 2000, S. 85.
14
Aufsätze
Der Verlauf der deutsch-niederländischen Sprachgrenze auf
Heinrich Berghaus‘ Karte „Deütschland, Niederlande, Belgien
und Schweiz: National-, Sprach-, Dialect-Verschiedenheit“ (1848)
von Heinz Eickmans
Eine stattliche Anzahl von Tagungen und Kongressen beschäftigt sich im Jahr 2015
europaweit mit den Ergebnissen und Folgen des sich
zum zweihundertsten Mal
jährenden Wiener Kongresses. Zu den Ergebnissen und Folgen dieses Kongresses
gehört auch die Festlegung der Staatsgrenze zwischen dem in Wien neu geschaffenen
Vereinigten Königreich der Niederlande und Preußen. Bis auf kleinere Korrekturen
entspricht die seinerzeit festgelegte Grenzziehung der heutigen deutsch-niederlän-
dischen Staatsgrenze, die zugleich die Sprachgrenze zwischen dem Geltungsbereich
des Deutschen und Niederländischen markiert.
Die Identität von Staatsgrenze und Sprachgrenze ist rechtlich und politisch von
Anfang an ein unbezweifelbares Faktum, aber die schriftlichen und gedruckten
Quellen und die zeitgenössischen Beschreibungen des sprachlichen Lebens machen
deutlich, dass das Niederländische im Alltag verschiedener deutscher Grenzregionen
noch mehrere Jahrzehnte nach dem Wiener Kongress als gesprochene Sprache, aber
auch als Schrift- und Kultursprache neben dem Deutschen gebraucht wurde. Zu
diesen Regionen zählte vor allem auch der klevisch-geldrische Niederrhein. Bei der
Ausarbeitung eines Vortrags über das sprachliche Auseinanderwachsen der
nördlichen Rhein-Maas-Region nach dem Wiener Kongress
1
stieß ich auf ein
bemerkenswertes kartographisches Zeugnis, das den nördlichen Niederrhein mehr als
drei Jahrzehnte nach dem Wiener Kongress noch zum niederländischen Sprachgebiet
zählt. Es handelt sich um eine Sprachkarte aus dem Jahr 1848, die m. W. bisher in
der sprachgeschichtlichen und dialektologischen Forschung keine Beachtung
gefunden hat, obwohl sie Teil eines der bedeutendsten und bekanntesten Atlaswerke
des 19. Jahrhunderts ist: „Heinrich Berghaus‘ Physikalischer Atlas oder Sammlung
von Karten auf denen die hauptsächlichen Erscheinungen der anorganischen und
1
Der Vortrag fand unter dem Titel „Das Ende der „hiesigen Landes-Niederländischen Sprache“ – Das
sprachliche Auseinanderwachsen der nördlichen Rhein-Maas-Region nach dem Wiener Kongress“
im
Rahmen der Tagung „1815-2015. Der nördliche Maas-Rhein-Raum nach dem Wiener Kongress“ am
12.09.2015 in Geldern statt. Die Veröffentlichung wird in dem für das Jahr 2016 geplanten Tagungsband
erfolgen.
15
organischen Natur nach ihrer geographischen Verbreitung und Vertheilung bildlich
dargestellt sind“ (Gotha: Perthes, 2 Bde. 1845-1848).
2
Schöpfer der Karten und Kommentare dieses „ersten thematischen Weltatlasses“, wie
ihn der Geographiehistoriker Hanno Beck
genannt hat, ist der 1797 in Kleve ge-
borene Heinrich Karl Wilhelm Berghaus. Berghaus, Geograph, Historiker und einer
der bedeutendsten deutschen Kartographen des 19. Jahrhunderts,
3
schuf seinen Atlas
auf Anregung von und in Abstimmung mit Alexander von Humboldt, der ihn sich
quasi als kartographische Begleitpublikation zu seinem gewaltigen, fünfbändigen
„Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ gewünscht hatte.
4
Berghaus‘ Karte der „National-, Sprach-, Dialect-Verschiedenheit“
Berghaus‘ Atlas umfasst acht Abteilungen, in denen das Wissen seiner Zeit um die
physische Beschaffenheit der Welt in Karten, Tafeln und Schaubildern dargestellt
wird: Meteorologie und Klimatographie, Hydrologie und Hydrographie, Geologie,
Tellurischer Magnetismus, Pflanzengeographie, Tiergeographie, Anthropographie
und Ethnographie. Die neunte Karte der letzten, ethnographischen Abteilung trägt
den Titel „Deütschland, Niederlande, Belgien und Schweiz: National-, Sprach-, Dia-
lect-Verschiedenheit“ (Abb. 1). Die Karte ist einer der frühesten bekannten Ver-
suche, die vollständige deutsche Dialektlandschaft kartographisch zu erfassen.
In unserem Kontext soll es nur um eine spezielle Grenze gehen, nämlich die
Ostgrenze der „Vlämisch-holländischen Schriftsprache“ (Gebiet Nr. 24), per defini-
tionem zugleich die Westgrenze des Geltungsbereichs der deutschen Sprache. Um
die Einzelheiten, auf die es ankommt, besser erkennen zu können, wollen wir die
2
Im selben Verlag erschien 1852 eine zweite Auflage. Eine vollständige Neubearbeitung von 1891, die
gelegentlich als dritte Auflage bezeichnet wird, umfasst weniger Karten als die beiden ersten Auflagen,
u. a. fehlt die hier besprochene Sprachkarte.
3
Hantzsch, Viktor: Berghaus, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 46, Leipzig
1902, S. 374-379; Weirauch, Kärstin: Berghaus, Heinrich Karl Wilhelm. In: Beck, Friedrich/Henning,
Eckart (Hg.): Brandenburgisches Biographisches Lexikon. Potsdam 2002, S. 43 f.; Engelmann, Gerhard:
Heinrich Berghaus. Der Kartograph von Potsdam. Halle/Saale 1977 (mit ausführlicher Bibliographie der
Karten und Schriften).
4
Vgl. Humboldts Brief an Berghaus vom 20.12.1827, in: Briefwechsel Alexander von Humboldt's mit
Heinrich Berghaus aus den Jahren 1825 bis 1858. Bd. 1, Leipzig 1863, S. 117-119. Seinem Charakter als
Begleitwerk zu Humboldts Kosmos verdankt es der Berghaus-Atlas auch, dass er 2004 als Beiband zu der
Kosmos-Neuausgabe in der „Anderen Bibliothek“ (hrsg. von Ottmar Ette und Oliver Lubrich,
Frankfurt/Main) in einer Auflage von 100.000 Exemplaren verbreitet wurde. Allerdings enthält dieser
Nachdruck der ersten Auflage nur die Karten ohne Kommentarteil.