R e c h t s k u n d e


VII. TEIL „Publizistischer Endkampf“ vor dem Treffen der EU-Regierungschefs am 17.12.04



Yüklə 1,42 Mb.
səhifə23/29
tarix08.09.2018
ölçüsü1,42 Mb.
#67738
1   ...   19   20   21   22   23   24   25   26   ...   29

VII. TEIL

„Publizistischer Endkampf“ vor dem Treffen der EU-Regierungschefs am 17.12.04

Kommentierende Pressebeiträge, die zwei Tage nach der Bekanntgabe des voraussichtlichen Votums des Erweiterungskommissars aus unterschiedlichen politischen Lagern zu Verheugens Äußerungen erschienen waren, werden nachfolgend angefügt:




1 Gerhard Schröder (DIE WELT 13.10.04)


http://www.welt.de/print-welt/article345915/Warum_die_Tuerkei_in_die_EU_gehoert.html
Warum die Türkei in die EU gehört“
Die Europäische Kommission der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union hat empfohlen, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzunehmen, weil die EU-Kommission der Meinung ist, dass die Türkei die politischen Kriterien für den Beginn solcher Verhandlungen - Einhaltung der Menschenrechte, Schutz und Achtung der Minderheiten sowie eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung - ausreichend erfülle.

Ziel der damit beginnenden Verhandlungen sei einzig und allein ein Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Gleichwohl gebe es keinen Beitrittsautomatismus. Wenn aber die Türkei ihren Verpflichtungen nachkommt, dann kann und sollte sie Mitglied der Europäischen Union werden. Für Schröder sind dafür drei Überlegungen entscheidend, die in Kurzfassung dargestellt besagen:

1. Schon 1963 wurde der Türkei von der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Aussicht gestellt, Mitglied werden zu können. 1997 wurde das bekräftigt. Zwei Jahre später ist die Türkei zum Beitrittskandidaten erklärt worden. 2002 wurde ihr der unverzügliche Beginn von Beitrittsverhandlungen versprochen, falls der Europäische Rat im Dezember 2004 feststellt, dass sie die Bedingungen dafür erfüllt.

Seit der Amtsübernahme von Ministerpräsident Erdogan habe die Türkei durch ein grundlegendes Reformprogramm die Voraussetzungen für den Beginn von Beitrittsverhandlungen geschaffen:

- die Abschaffung der Todesstrafe,

- das Verbot der Folter und hohe Strafandrohung bei Verstößen,

- eine weitreichende Strafrechtsreform,

- die Gewährung kultureller Rechte für Kurden und andere Minderheiten,

- die Aufhebung von Beschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Wenn die Türkei diesen Kurs in den kommenden Jahren konsequent fortsetzt und die Reformen zu einer nachhaltig veränderten Praxis führen, dann muß die Europäische Union ihr Versprechen halten, die Türkei aufzunehmen. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und der Verläßlichkeit von europäischer und von deutscher Politik.

2. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft. Zu den Werten, auf die sich die Union gründet, gehören Demokratie und Freiheit, Pluralismus und Toleranz. Eine demokratische Türkei, den europäischen Wertvorstellungen verpflichtet, wäre ein Beweis, dass es keinen Widerspruch zwischen islamischem Bekenntnis und aufgeklärter, moderner Gesellschaft gebe.

Schröder eine Vorbildfunktion der Türkei für andere muslimische Länder in unserer europäischen Nachbarschaft, sich zu demokratisieren.

3. Die Türkei sei aufgrund ihrer Größe und Dynamik ein wirtschaftlich hoch attraktiver Partner für unser Land, da wir schon jetzt größter Partner im Handel mit der Türkei seien.

Kommentar:
Die Argumente des Bundeskanzlers gehen aus folgenden Gründen an der Sache vorbei:


  1. Er stellt zunächst (durchaus fragwürdig) fest, dass die Türkei – seiner Meinung nach – die Aufnahmekriterien der Kopenhagener Erklärung erfüllt habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem hinsichtlich der innertürkischen Verhältnisse wirklich so ist, oder ob den verneinenden Stellungnahmen türkischer Menschenrechtsorganisationen mehr geglaubt werden müsste. Auf jeden Fall nennt und berücksichtigt Schröder das entscheidende Kriterium gegen die Aufnahme der Türkei nicht: die nach Artikel 49 des EU-Vertrages zu berücksichtigende Aufnahmefähigkeit der EU hinsichtlich des aufzunehmenden neuen Staates! Ziel: Die EU dürfe nicht an der Aufnahme eines neuen Staates zerbrechen, sondern müsse ihre Identität und politische Zukunftsfähigkeit behalten! Die Aufnahmefähigkeit der EU gehört zu den objektiv definierten Aufnahmekriterien. Dieses Kriterium soll den Fortbestand der EU über eine bloße Freihandelszone hinaus, wie es die EG war, als politische Union sichern und bildet die Grundlage für alle anderen Aufnahmekriterien.

Artikel 49 regelt außerdem im Wortlaut, dass jeder europäische Staat einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU stellen könne. Da die asiatische Türkei kein europäischer Staat ist, kann sie eo ipso gar nicht dieses Beitrittskriterium erfüllen!


  1. Wie Schröder richtig schreibt, wurde der Türkei 1963 in Aussicht gestellt, Mitglied der Wirtschaftsvereinigung EWG zu werden, nicht der – erst später gegründeten – politischen Vereinigung Europäische Union. Die Türkei pocht in unredlichem Gebrauch eines falschen Ar­gu­mentes seit Jahren darauf, dass ihr seit über 40 Jahren Versprechungen auf eine Mitglied­schaft gemacht würden und sie deshalb seit Jahrzehnten einen Anspruch auf die Aufnahme in die EU habe.

Richtig ist, dass uns Kohl, dessen Sohn zuvor schon einige Jahre mit einer international ausgebildeten und international tätigen Türkin intensiv befreundet gewesen war, die er dann später geheiratet hat, 1997 diese Suppe eingebrockt hat. Meine Vermutung geht dahin, dass Kohls Urteil über die gravierenden kulturellen Unterschiede zwischen »den Europäern« und »den Türken« im Allgemeinen durch diese international ausgebildete Türkin im Besonderen getrübt worden sind. Und nun soll Kohls familiär oder nicht familiär motivierter Fehler in einer der bedeutendsten Entscheidungen Nachkriegseuropas perpetuiert werden! Ich finde den politischen Mut bewundernswert, mit dem sich seine Nach-Nachfolgerin im Amt dagegen stemmt!

Und auch in der SPD regt sich – verhalten –Widerspruch zu dem Kraftakt, mit dem die rot-grüne Bundesregierung die Türkei in die EU zu hieven versucht: "Niemandem hilft es, wenn wir dieses Thema tabuisieren, wenn wir nach der Art der Gutmenschen sozusagen voraussetzen, dass es richtig ist und die Menschen schon wissen, dass der Beitritt vernünftig ist", sagte der SPD-Abgeordnete Rainer Wend in der DW am 06.10.04).




  1. Die EU ist nicht nur eine „Wertegemeinschaft“, sondern auch eine Kulturgemeinschaft: das macht ihre Identität aus, zu der die Türkei nie gehört hat, nicht gehört und auch nie gehören wird, da sich die europäische Kultur über Jahrhunderte auch im Gegensatz zu der Kultur und dem politischen Anspruch des Osmanischen Reiches ausgebildet hat. Die „Abwehr der Türkengefahr“ ist über Jahrhunderte von den Europäern als gesamteuropäische Aufgabe gesehen und wahrgenommen worden. Das lässt sich nicht aus dem kollektiven historischen Gedächtnis der europäischen Eliten streichen! Es sei noch einmal aus dem Buch des Mediävisten Seibt zitiert, der in Bezug auf die Türken von einem „permanenten Aggressor“ spricht: „… die Türken. Mitte des 16. Jahrhunderts hatten sie den größten Teil Ungarns und des Balkans erobert und wurden zum Symbol antichristlicher Schreckensherrschaft. Die Türkenabwehr wurde für das habsburgische Deutschland wie für Polen bis ins 18. Jahrhundert zur Staatsidee, die Türken für die gesamte Christenheit, vor allem für die unmittelbare Nachbarschaft, zur allgegenwärtigen apokalyptischen Gefahr.“28 Die gemeinsamen europäischen Abwehranstrengungen gegen den „jahrhundertelangen Feind der Christenheit“ (Seibt, S. 281) hatten letztlich Erfolg. „Es gelang … ein ständiges Zurückdrängen der Türken bis zum Sieg von Passarowitz 1718. In der langen militärischen Aktionskette wurde Österreich-Ungarn erst eigentlich geboren und fand zu seiner Staatsidee als »Schutzmacht der Christenheit« bis ins 20. Jahrhundert.“29

Zu dieser skizzierten europäischen Kulturgemeinschaft scheint der Bundeskanzler keine Beziehung zu haben; vermutlich hatte er als Schüler zu viel Fußball im Kopf, als dass er den von ihm als Ministerpräsident Niedersachsens als „faule Säcke“ apostrophierten Lehrern im Geschichtsunterricht zugehört hätte.


  1. Ein Politiker, der die historische Dimension seines Tuns außer Acht lässt, muss mit seinem Vorhaben letztlich scheitern. Das hat die EU schon erfahren, als die Norweger wegen der noch nicht überwundenen Traumatisierung durch die dänische und schwedische Dominierung in vergangenen Jahrhunderten in zwei Volksabstimmungen den von den Politikern fertig ausgehandelten Beitritt zur EU ablehnten.

Schröder und die anderen Befürworter einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU bürden uns allen die unausweichlichen Folgen der ahistorischen Sichtweise ihres Vorhabens auf.

Erklärlich ist es für mich u.a. durch die türkischen Zeitungen, die nach der Bundestagswahl 2002 lauthals für die türkischstämmigen Deutschen beanspruchten, der Regierungskoalition den 6.027-Stimmen-vorsprungssieg beschert zu haben, da diese Klientel mehrheitlich die SPD gewählt habe. Wenn das die Motivation oder auch nur ein Motivationsgrund für Schröders Eintreten für eine Vollmitgliedschaft der asiatischen Türkei in der Europäischen Union ist, dann verkauft er die Zukunft Europas für das Linsengericht seiner Wiederwahl!

Vielleicht müsste die Volkshochschule in Berlin-Mitte einen Crash-Kurs „Überblick über die europäische Geschichte der letzten tausend Jahre“ anbieten, damit der Bundeskanzler die offensichtlich bestehenden bedauerlichen Lücken in seinem historischen (Un-)Wissen relativ einfach schließen könnte!

Als Historiker kann man aus der Haut fahren, wenn man sich die ignoranten ahistorischen Argumente der Beitrittsbefürworter machtlos anhören muss!




  1. „Eine demokratische Türkei, den europäischen Wertvorstellungen verpflichtet, wäre ein Beweis, daß es keinen Widerspruch zwischen islamischem Bekenntnis und aufgeklärter, moderner Gesellschaft gibt.“

Sicher; aber es ist an der Türkei, durch demokratisierende Umgestaltung ihrer Gesellschaft diesen Beweis zu erbringen – nicht aber ist es die Aufgabe der EU, als Voraussetzung dafür die Türkei in die EU aufzunehmen!

Es wäre immerhin eine enge Anlehnung der Türkei an Europa unterhalb der Schwelle einer Vollmitgliedschaft in der EU denkbar, wie sie die CDU/CSU der Türkei durch das Angebot einer „privilegierten Partnerschaft“ unterbreitet - und Schröder sie Libyen am 15.10.04 als Belohnung für den Verzicht auf die Produktion von Massenvernichtungswaffen angeboten hat, weil Ghaddafi „vom Westen eine Belohnung für diesen Verzicht verlangt“ hatte.




  1. „Die Türkei würde so zu einem Vorbild für andere muslimische Länder in unserer europäischen Nachbarschaft.“

Ich weiß nicht, an welche Länder – von Schröder im Plural geschrieben! – unser gegenwärtiger Bundeskanzler dabei denkt, aber diese außereuropäischen Länder könnten dann mit derselben Berechtigung wie die Türkei die Forderung erheben, wie ihr demokratisiertes „Vorbild“ in die EU aufgenommen zu werden: Marokko hatte es vor Jahren schon versucht, war aber mit der an sich auch auf die Türkei zutreffenden Begründung abgewiesen worden, es sei kein europäisches Land und eine Aufnahme daher nicht möglich. Die vorderasiatischen Länder Syrien und Israel und die nordafrikanischen Länder Tunesien, Algerien und Marokko machen sich Hoffnungen auf Aufnahme in die Europäische Union: Was soll an der dann noch »europäisch(?)« sein?


  1. Sicher ist die Türkei ein wirtschaftlich „hoch attraktiver Partner“ für (nicht nur) unser Land. Die damit verbundenen kommerziellen Hoffnungen rechtfertigen es aber nicht, die weiter auszubauende politische Gemeinschaft „Europäische Union“ durch eine Vollmitgliedschaft der Türkei in dieser Staatengemeinschaft implodieren zu lassen! Es nutzt nichts, die EU immer größer und dadurch – wie das Gerangel um die Posten von EU-Kommissaren, von denen jedes wirtschaftlich noch so unbedeutende Mitgliedsland ohne Rücksicht auf die von der Gemeinschaft wahrzunehmenden Aufgaben nach der letzten Erweiterung im Mai 2004 einen beanspruchte - innerlich immer schwächer werden zu lassen. Natürlich sind die Türken beleidigt, dass dieses Argument erst bei der Behandlung ihres Mitgliedswunsches aufs Tapet gehoben wird, und sie machen daraus sehr geschickt eine Diffamierung des Islam, um politischen Gutmenschen keine andere Wahl als die Zustimmung zu ihrem mit Verve vorgetragenen Beitragswunsch zu lassen, aber die Türkei wäre wirtschaftlich halt nicht so problemlos in die EU integrierbar wie z.B. Malta oder Estland!

Die beleidigte Überheblichkeit in der türkischen Argumentation macht deutlich, was für ein schwieriger Partner die Türkei in der EU würde, da sie scheinbar nicht zu differenzieren vermag, was ein Ausweis für gravierende politische Chuzpe wäre, oder es anscheinend nicht kann, was ein Ausweis für ziemliche politische Dummheit wäre: die Türkei darf sich nicht wundern, dass ihr mehr Bedenken entgegenstehen als jedem europäischen Staat, weil sie ein asiatischer Staat ist, der damit den europäischen Rahmen der EU sprengen würde, wenn das Unheil für Europa eintritt, dass die asiatische Türkei als Vollmitglied in die Europäische Union aufgenommen würde!

Hinzu kommt aus berufenem Mund eines türkischen Volkswirtschaftsprofessors laut Interview im Deutschlandfunk die Einschätzung, dass sich auch bei einer Nichtmitgliedschaft die wirtschaftlichen Beziehungen in annähernd gleicher Intensität entwickeln werden.

Wenn wir auch jetzt schon, wo die Türkei noch nicht Mitglied der EU ist, größter Handelspartner der Türkei sind, wie sollte diese Position durch eine Mitgliedschaft verändert werden?


  1. „Migrationsdruck entsteht, wenn Menschen keine Perspektive für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in ihrer Heimat sehen.“

Das ist richtig. Dieses Argument aber zu Ende gedacht würde bedeuten, dass alle unterentwickelten Länder z.B. Afrikas in die EU aufgenommen werden müssten, um den Migrationsdruck auf die „Festung Europa“ zu vermindern.

Die vorstehende (von mir kommentierte) Meinung des damaligen Bundeskanzlers Schröder ist die regierungsoffizielle Meinung, aber es ist zumindest zweifelhaft, ob es die Mehrheitsmeinung innerhalb der SPD ist!



SPD attackiert Türkei-Politik von Bundeskanzler Schröder – Politiker beider Volksparteien fordern Referendum über EU-Beitritt

http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,321181,00.html
Die protürkische Haltung von Bundeskanzler Schröder spiegele nicht die Meinung der SPD-Basis wider, kritisieren zahlreiche Mitglieder der Bundestagfraktion gegenüber dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. … Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz gestand „erhebliche Vorbehalte“ gegenüber der Türkei unter einfachen Genossen ein. Der Vorsitzende des Bundestagswirtschaftsausschusses, Rainer Wend, betonte: „In Wahrheit will ein Großteil unserer Basis die Türken nicht dabeihaben..“ Der frühere Außenminister der DDR, Markus Meckel, kritisierte, Regierung und SPD-Spitze neigten in der Frage des Türkei-Beitritts dazu, „Gefahren und Probleme zu verdrängen“. Weder in der Regierung noch in der Partei werde die Diskussion „offen und ehrlich geführt“. Beitrittsskeptiker wie der frühere SPD-Fraktionschef Hans-Ulrich Klose bemängelten zudem, dass sich fast niemand traue, auf die Probleme hinzuweisen, weil man Angst habe, „in eine Ecke gedrängt zu werden, in die man nicht will: als Rassist oder Islam-Hasser“. Zudem sprachen sich Politiker von SPD und Union für ein Referendum über den Türkei-Beitritt aus, sollte das Grundgesetz demnächst entsprechend geändert werden. Darin ist sich die SPD mit der CDU, die bisher Referenden ablehnt, erstaunlicherweise einig!

(SPIEGEL ONLINE 02.10.04)


Im SPIEGEL 04.10.04 wird - neben anderen - der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Wiefelspütz mit den Worten zitiert, „… dass die Türken-Freundlichkeit der Regierung an der Basis wenig Gegenliebe findet. Unter den einfachen Genossen gebe es ’erhebliche Vorbehalte’, in seinem Wahlkreis im östlichen Ruhrgebiet sei die von den Oberen zur Schau gestellte Pro-Türkei-Stimmung ’extrem unterentwickelt’.“

Schröders Eintritt für eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU scheint zumindest auch durch wahltaktische Überlegungen beeinflusst zu sein: Von den bei der Bundestagswahl ’02 etwa 475.000 türkischstämmigen Wählern, deren Anzahl zur Bundestagswahl ’06 auf rund eine Million anwachsen soll, tendieren rund 60 % zur SPD und nur 14 % zur Union. Dieses Wählerpotential ist zwar nicht für rechtsradikale – die „Grauen Wölfe“ wählen nicht rechtsradikale Deutsche -, wohl aber für die großen Volksparteien interessant! Dementsprechend werden sich die meisten Wahlprogramme verändern in Richtung auf: Konkrete Maßnahmen gegen eine Diskriminierung von Muslimen, die Etablierung des Islam in den zahlreichen Bestimmungen des deutschen Staatsrechts, Initiativen zur Ermöglichung des Beitritts der Türkei zur EU in absehbarer Zeit, ... Und je abhängiger sich eine Partei von Stimmen aus dem muslimischen Wählerreservoir wähnt, desto mehr wird sie ihr Programm in diese Richtung ausgestalten: Parteiendemokratie hat ja das Ziel der Bündelung von Wählerinteressen aus unterschiedlichen Gruppierungen! Diese Wählerinteressen müssen sich in den Wahlprogrammen wiederfinden. Wer auf keine Stimmen aus diesem Reservoir hoffen kann, wird den christlichen Charakter der EU propagieren und hervorheben, der die Aufnahme muslimischer Staaten in die christliche Werte- und Staatengemeinschaft verbiete, wie sie insbesondere in Bezug auf die Türkei befürchtet wird.

Ein so großes Wählerpotential will Schröder als Wahlkämpfer nicht verprellen – und opfert für die eigene Wiederwahl lieber die Zukunft der Europäischen Union!

Bei namhaften SPD-lern wie z.B. dem ehemaligen Außenminister der DDR, Markus Meckel („Die SPD-Spitze neige in der Frage des Türkei-Beitritts dazu, ’Gefahren und Probleme zu verdrängen.“), dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose („Die Türkei ist ein extrem nationalistisches Land, in dem eine Re-Islamisierung stattfindet.“) und dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt („Ein EU-Beitritt der Türkei wäre das Ende der Europäischen Union; Großbritannien ist doch deswegen ein Befürworter des türkischen Beitritts, weil es nichts gegen eine Degeneration der EU zur Freihandelszone einzuwenden hat, eher das Gegenteil.“) überwiegen auch die Vorbehalte gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU.

Auf die in Artikelform der Bevölkerung mitgeteilte Stellungnahme des Bundeskanzlers pro Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU antwortete seine parlamentarische Gegenspielerin Merkel drei Tage später in ebenfalls der Welt mit der Begründung ihres Konzeptes einer privilegierten Partnerschaft statt der von der Türkei mit aufbrausender Vehemenz geforderten Vollmitgliedschaft, das sie mit viel politischem Mut auch in der Türkei selbst vertreten hatte:

2 Angela Merkel (DIE WELT 16.10.04)



Türkei: Partnerschaft statt EU-Mitgliedschaft

http://www.welt.de/print-welt/article346579/Tuerkei_Partnerschaft_statt_EU-Mitgliedschaft.html
Die damalige Oppositionschefin erwidert auf die vorstehenden Ausführungen des Regierungschefs von 2004 im Kern Bedenken u.a. deswegen, weil dann die Grenzen der EU über die bisherigen Außengrenzen hinaus bis an die Grenzen der Türkei zum Iran, zum Irak und zu Syrien reichen würden.

Die eine entscheidende Grundsatzfrage laute: Kann die Europäische Union mit bald schon 27 Mitgliedstaaten einen Beitritt der Türkei verkraften? Anders gefragt: Welches ist das beste politische Konzept, um einerseits die Risiken einer institutionellen, finanziellen und politischen Überforderung der Integrationskraft der EU zu vermeiden und andererseits die europäische Orientierung der Türkei zu stärken und ihrer zunehmenden geopolitischen Bedeutung Rechnung zu tragen?

CDU und CSU haben als Antwort auf diese Frage das Konzept einer Privilegierten Partnerschaft entwickelt. Dadurch würde sowohl die europäische Orientierung der Türkei nachdrücklich gefördert als auch gleichzeitig die Integrationskraft der Europäischen Union nicht überfordert. Sie liege damit im deutschen, türkischen und europäischen Interesse.

Es sei unbestritten, daß die Türkei seit vielen Jahren auf das Versprechen einer Mitgliedschaft unter Einhaltung bestimmter Kriterien verweisen könne. Aber wahr ist auch, dass 1963, als der Türkei eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt wurde, gerade die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet worden war. Eine Europäische Union stand gar nicht zur Diskussion. Darum könne sich die Türkei nicht darauf berufen, dass ihr 1963 eine Mitgliedschaft in der EU versprochen worden sei! Heute gehe es nicht mehr um einen Beitritt zur damaligen EWG, sondern zur politischen Union Europas.

Darum könne jetzt über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei zur EU nur ergebnisoffene verhandelt werden.

Der türkische Außenminister Gül besuchte am 19.10.04 Berlin und antwortete dort in einem WELT-Interview indirekt auf die schon mehrfach von türkischen Regierungsmitgliedern abgelehnte Merkel’sche Offerte:

„Die privilegierte Partnerschaft ist für uns inakzeptabel. … Unser Ziel ist Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union. Die ’privilegiert Partnerschaft’ wäre eine große Ungerechtigkeit gegenüber der Türkei. …“

So argumentiert selbstverständlich auch sein Ministerpräsident Erdogan: „…, daß die 25 EU-Mitglieder Mitte der Woche die Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei zum "notwendigen Teil des Beitrittsprozesses" ernannt haben, schmeckt ihm [Erdogan; der Verfasser] gar nicht. Als "einseitig und ungerecht" bezeichnete die türkische Regierung dies. Worte, die in Ankara und Istanbul häufig zu hören sind. "Die Türkei steht seit mehr als 40 Jahren vor der Tür der EU. Wir sind also fast Gründungsmitglied. Warum hat man in all diesen Jahren nie Nein gesagt, wenn man uns nicht will? Warum bricht die EU immer wieder ihr Wort?" fragt Erdogan.

DIE WELT 25.09.05
Merkel sitzt in einer Zwickmühle: Sie kann einerseits nicht ihre konservative Parteiklientel und andererseits nicht die 9-14 % der zur CDU tendierenden, konservativ eingestellten eingebürgerten Türken verprellen! Das wird vermutlich aber passieren, wenn die CDU Maßnahmen zur teilweisen Entschärfung des Zwangsehenproblems ergreift:
Union erschwert türkische Hochzeit

Berlin -

Nach einem Wahlsieg will die Union verhindern, daß sich türkische Männer zum Heiraten minderjährige Frauen aus der Heimat holen. Für Ehegatten will die Union verpflichtende Sprachprüfungen einführen und den Nachzug auf volljährige Partner beschränken.

rtr

HH A 27. Juni 2005


Festgesetzt wurde für den Ehegattenzuzug ein Mindestnachzugsalter von 21 Jahren, was Mädchen, die mit 14 oder 15 in der Türkei zwangsverheiratet wurden, eine Chance gibt sich zu wehren, wenn sie zur realen Einlösung der Zwangsverheiratung in die Bundesrepublik verbracht werden, und es sollen wenigstens minimale Deutschkenntnisse vorgewiesen werden können werden – Anforderungen, die die ultrarechte türkische Zeitung "Anadolu'da Vakit" Bundeskanzlerin Merkel mit Hitler vergleichen ließ: "Merkel ist ein zweiter Hitler", und sie mit Hakenkreuz-Armbinde und "Türken raus"-Logo abbildete. Merkel setze mit dieser Politik "die Rassenpolitik Hitlers fort." (BILD 04.09.07)

Der ungeheuerliche Vergleich legt nahe, dass die deutsche Bundeskanzlerin Massenmord an »den Türken« begehen werde, aber ob das BVerfG Zwangsenthaltungspausen für Ehen anerkennen wird, da die in Art. 6 Grundgesetz geregelte Eheschließungsfreiheit in mehreren Entscheidungen als grundgesetzlich geschützt angesehen wird? Wenn der Zweck einer neuen Vorschrift der Schutz vor Zwangsehen ist, könnten die Verfassungsrichter nach Meinung von Ministeriumsjuristen die Eheschließungsfreiheit möglicherweise das Grundrecht in zulässigem Umfang einschränkend interpretieren und das auf 21 Jahre heraufgesetzte Zuzugsalter akzeptieren. Was ist aber mit den Altehefrauen? 2007 wurde die zertifizierte Absolvierung des etwa 120-stündigen Sprachkurses "Staat Deutsch 1" für Türkinnen verpflichtend. Die Kursgebühren betragen bei den Goethe-Instituten in der Türkei mit circa 350 € die Höhe eines Mindestlohnes. Wer nicht in einer großen Stadt wohnt, hat praktisch kaum eine realisierbare Möglichkeit, einen solchen Kurs über Monate zu besuchen. Tragödien spielen sich ab, wenn 50-jährige verheiratete Analphabetinnen zu ihrem Ehemann nach Deutschland ziehen möchten, der es aber, aus welchen Gründen auch immer, unterlassen hatte, seine langjährige Ehefrau vor dem durch das Gesetgebungsverfahrn lange zuvor angekündigten Stichtagsbeginn nach Deutschland zu holen: Wer nicht einmal in seiner Muttersprache lesen und schreiben kann, der hat keine Chance, den als Voraussetzung für eine Daueraufenthaltsgenehmigung vorgeschalteten Sprachkurs zu bestehen. In solchen Fällen müsste das BVerfG über Art. 6 Grundgesetz helfen! Es könnte z.B. an den Nachweis einer schon x Jahre vor Stichtagsbeginn geschlossenen Ehe gedacht werden – wobei man allerdings nicht sicher sein kann, dass nicht, wie schon in Fällen von Kindernachzug geschehen, um die von Deutschland gesetzte Altersgrenze zu unterlaufen, nach Erhalt eines Bakschisch Bescheinigungen mit »Schreibfehlern« ausgestellt würden!

Entgegen der hier vertretenen Ansicht, dass es mit der asiatischen Türkei keine Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union geben dürfe, hat das Fortschrittsgutachten des Erweiterungskommissariats die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfohlen, was von den Regierungschefs der EU noch im Dezember 04 abgesegnet werden muss.

Trotz der wahrscheinlich nunmehr bevorstehenden Aufnahmeverhandlungen ist die Situation in der Türkei so, dass sich nicht nur nach Meinung von Amnesty International selbst dann schon allein die Aufnahme der Verhandlungen verbieten müsste – geschweige denn ein Beitritt -, wenn man eine Vollmitgliedschaft nicht für prinzipiell unmöglich hält, um durch deren Verweigerung die Europäische Identität und die Möglichkeit eines weitergehenden staatlichen Zusammenschlusses Europas in Richtung auf „Vereinigte Staaten von Europa“ zu retten.

Dazu lesen Sie bitte die beiden nach der Erstellung des positiv ausgefallenen Fortschrittsgutachtens mit Verhand­lungsaufnahmeempfehlung erschienenen und aus einer Vielzahl ausgewählten Artikel:


3 Andreas Middel (DIE WELT 26.10.04)

Massive politische Verfolgung“ (Auszug)



http://www.welt.de/print-welt/article348571/Massive_politische_Verfolgung.html
Asylbewerber aus der Türkei stellen die größte Flüchtlingsgruppe in Deutschland. Bundeskanzler Schröder und die EU-Kommission halten das Land trotzdem für Europa-tauglich

von Andreas Middel


"Wenn deutsche Gerichte türkische Asylbewerber anerkennen, verhindert dies eine Mitgliedschaft", sagte Werner Hoyer (FDP) der WELT. Seit 1999, dem Jahr, in dem die Türkei offiziell zum EU-Kandidaten gekürt wurde, gehört das Land zur Spitzengruppe der Länder, aus denen Asylbewerber nach Deutschland drängen. 2003 und 2004 steht die Türkei in der Liste der Herkunftsländer von Asylbewerbern sogar an erster Stelle.

Und auch bei der Zahl der anerkannten Asylverfahren belegen Personen aus der Türkei die vorderen Plätze. Nach Auflistungen des Bundesinnenministeriums haben seit 1999 mehr als 6600 Türken, rund 80 Prozent sind davon nach internen Schätzungen Kurden, als politisch Verfolgte in Deutschland Asyl gefunden. Weitere 3400 Personen genießen seitdem in Deutschland Abschiebeschutz, das sogenannte Kleine Asyl. Das ist eines der größten Kontingente überhaupt in Deutschland. Und für die Opposition ist dies eine der entscheidenden Fragen, die über die Türkei-Verhandlungen entscheiden.

Solange es in der Türkei, wie von deutschen Gerichten anerkannt, massive politische Verfolgung gibt, dürfe es im Grunde keine Beitrittsverhandlungen mit Ankara geben, erklärt der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Matthias Wissmann. Und weiter: "Die reale Lage in der Türkei entspricht nicht den EU-Kriterien." Nach Ansicht der innenpolitischen Sprecherin der europäischen Volksparteien (EVP), Ewa Klamt (CDU) seien die Asylstatistiken und die Aufnahme von Beitritts-Verhandlungen "ein Widerspruch in sich". Nach ihrer Meinung hat es in der Geschichte der EU noch keinen Fall gegeben, in dem mit einem Land über einen Beitritt verhandelt wurde, in dem gleichzeitig politische Verfolgung an der Tagesordnung sei!

Dass die Rechte von Minderheiten in der Türkei nur unzureichend gewahrt seien, zeigt auch die Anzahl von Urteilen gegen die Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg: Im Jahr 2003 waren es 76 Verfahren, in denen die Straßburger Richter der Türkei wiederholt vorgeworfen haben, daß sie insbesondere die Menschenrechte ihrer kurdischen Bürger verletzt habe.

2002 waren gegen die Türkei 2.918 Verfahren in Straßburg anhängig.

Mit dem Beginn von Beitrittsverhandlungen, so die CDU-Politikerin Klamt, müßte die Türkei wie bei den bisherigen Beitrittsverhandlungen mit den mittel- und osteuropäischen Staaten geschehen, sogar als sicheres Drittland bei Asylverfahren anerkannt werden. Doch ein solcher Status sei für das Land, in dem immer noch gefoltert wird, wo Minderheitenschutz und Religionsfreiheit nur mangelhaft gewährleistet sind, undenkbar. Für die FDP ist unakzeptabel, dass die Türkei als Kandidatenland Teile eines EU-Mitgliedslandes militärisch besetzt halte.

„Allein diese Verletzung des Völkerrechts hätte für Hoyer als Grund vollkommen ausgereicht, Beitrittsverhandlungen abzulehnen. Doch dieser Zug sei 1999 mit dem Beschluß der EU-Regierungen, die Türkei zum EU-Kandidaten zu küren, bereits abgefahren. ’Das war ein Riesenfehler der Regierung Schröder.’"


4 Interview mit der Amnesty-Generalsekretärin Lochbihler (DIE WELT 26.10.04)



"’Sehr viele Fälle von Folter’

http://www.welt.de/print-welt/article348569/Sehr_viele_Faelle_von_Folter.html
Die Amnesty-Generalsekretärin äußerte sich in einem Interview mit der WELT zur Situation in der Türkei.

Folter werde nicht mehr systematisch angeordnet, aber nach wie vor gebe es trotz Fortschritten in der Gesetzgebung in der Praxis sehr viele Fälle von Folter und Mißhandlung. Die sei im ganzen Land weit verbreitet. 2003 seien 600 Vorfällen bekannt geworden. Die Regierung müßte sich noch viel aktiver einsetzen, damit auch in der Polizeihierarchie die Reformen angenommen werden. Auch stehe noch aus, dass viele Polizisten, die gefoltert haben, zur Rechenschaft gezogen würden. Noch immer gebe es trotz der neuen Gesetze, die Folter unter Strafe stellten, ein Klima der Straflosigkeit u.a. deswegen, weil sich einflussreiche Kräfte in der Polizei den Reformen widersetzten. Wer schlecht über Sicherheitskräfte rede oder sie beleidige, riskiere, überfallen zu werden. Die Täter seien zwar zivil gekleidet, aber Amnesty International vermutet aufgrund mitgeteilter Beobachtungen, dass es oft Polizisten seien.




5 Erdogans Offenbarung (Kommentar Middel in: DIE WELT 13.12.04)

Der Kommentar

von Andreas Middel

http://www.welt.de/print-welt/article358243/Erdogans__Offenbarung.html
Wer die Aufnahmebedingungen in die EU als Diskriminierung empfinde, wer der Union vorwerfe, sie mache einen Fehler, weil sie einen Beitritt der Türkei ablehne, der zeige, dass ihm das tiefere Verständnis dafür fehle, was EU-Mitgliedschaft tatsächlich bedeute.

Brüssel verlangt, daß die Türkei Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllt. Dazu gehören Religionsfreiheit, Folterverbot, Minderheitenschutz, Pressefreiheit. An allem hapere es im Land. Genausowenig mit EU-Ansprüchen sei es zu vereinbaren, dass sich Ankara weigere, das EU-Land Zypern anzuerkennen, dass Tausende von türkischen Asylbewerbern in der EU als politisch Verfolgte Zuflucht fänden und dass der Völkermord an den Armeniern ein Tabuthema sei. Das seien zahlreiche Belege dafür, dass mit der Türkei über manches, aber gewiß nicht über einen Beitritt verhandelt werden sollte.




6 Wunsch und Wirklichkeit (Kalnoky in: DIE WELT 15.12.04)


http://www.welt.de/print-welt/article358661/Wunsch_und_Wirklichkeit.html
Die Kernthese von Boris Kalnoky lautet: Ankara habe zwar gewaltige Reformen verabschiedet - viele davon aber nicht umgesetzt.

Sieben Reformpakete, sogenannte EU-Harmonisierungsgesetze, wurden nach zuweilen stürmischen Debatten verabschiedet. Dazu kam ein achtes "über die Änderung einiger Artikel der Verfassung"; zuletzt wurden das Strafgesetzbuch reformiert, die Machtfülle der Sicherheitskräfte eingeschränkt, und in diesen letzten Tagen vor der EU-Entscheidung befindet das Parlament über eine Reform des Gefängniswesens.

Viel sei geleistet worden, in den Alltag umgesetzt worden aber sei wenig.

Frankreich, Dänemark und Österreich fordern, im Falle ungenügender Umsetzung die Beitrittsverhandlungen jederzeit suspendieren zu dürfen.

Beunruhigend neben noch nicht vollständig unterbundener Folter sei die Verlagerung körperlicher Mißhandlungen durch Sicherheitskräfte aus dem Bereich aktenkundiger Vorgänge in den Bereich außerrechtlicher "Zwischenfälle". Die Menschenrechtsorganisation Mazlum-Der berichtet, es gebe immer mehr Fälle, in denen Sicherheitskräfte ihre Identität verbergen, die Opfer nicht förmlich verhaftet und registriert, sondern verschleppt und mißhandelt werden. Auf dem Papier mag die Folter abgeschafft sein, als Praxis der Sicherheitskräfte ist sie noch nicht verschwunden.

Ähnlich sehe es bei den Rechten für Minderheiten aus.

Oft beginne der Ärger schon damit, dass selbst das schönste Reformgesetz Durchführungsbestimmungen braucht, um Realität zu werden. So erlaube z.B. das dritte Harmonisierungsgesetz vom August 2002 endlich minderheitensprachliche Rundfunksendungen, wurde aber nicht umgesetzt. Daher wurde das Problem im 7. Harmonisierungsgesetz noch einmal aufgegriffen - die Lösung aber wieder abgeschwächt.

Über all den Reformen vergißt man leicht, daß nicht nur deren Implementierung fehlt. Die Türkei hat nicht einmal die Bestimmungen ihres eigenen Gründungsvertrages von Lausanne (1923) umgesetzt, etwa die Gleichstellung aller Bürger vor dem Gesetz und deren Recht, jede Sprache zu benutzen, die sie wünschen. Angehörige anerkannter Minderheiten wurden bis in die jüngste Vergangenheit mitunter als "Ausländer" behandelt. Minderheitensprachen wie Kurdisch, ja kurdische Vor- und Familiennamen, waren verboten. Nicht alle Minderheiten seien überhaupt als solche anerkannt, angefangen bei den Kurden.




Yüklə 1,42 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   19   20   21   22   23   24   25   26   ...   29




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©genderi.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

    Ana səhifə