Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Peter Preuß (CDU): Ich bin sofort so weit, Frau Präsidentin. – Wir werden im Ausschuss über die Einzelheiten sprechen. Wir freuen uns auf eine interessante Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben über die Geschichte der Entwicklung des Heilpraktikergesetzes sehr viel gesagt. Deswegen muss ich das nicht zu dieser späten Stunde wiederholen.

Viele Menschen sehen die Behandlung bei Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern als eine alternative ganzheitliche Behandlung – ganz egal, ob wir das wollen oder nicht. Millionen Menschen begeben sich bei Heilpraktikern in Behandlung. Grundsätzlich sehen wir in dieser komplementären Medizin eine Ergänzung zur Schulmedizin.

Tatsächlich sind im SGB V Arznei- und Heilmittel besonderer Therapierichtungen anerkannt. Sehr viele Krankenkassen haben ihre Leistungsangebote in der Richtung weiterentwickelt. Mittlerweile verschreiben sehr viele Ärztinnen und Ärzte solche alternativen Medikamente. So gesehen müssen wir, wenn wir das diskutieren, all diese Realitäten natürlich mitberücksichtigen.

Wichtig ist allerdings für uns, die hohe Qualität der Behandlung und die Patientensicherheit in den Vordergrund zu stellen. Natürlich ist es auch Aufgabe des Bundes, bundesgesetzlich einheitliche Regelungen zu erlassen. Das Heilpraktikergesetz ist ein Bundesgesetz.

Die Durchführung wird den Ländern, den Kommunen und den Gesundheitsämtern übertragen. Aber grundsätzlich muss man auf der Bundesebene darüber diskutieren, wo und in welcher Richtung das geändert werden muss.

Das Problem liegt auch darin, dass das Bundesheilpraktikergesetz keine Vorgaben enthält, welches Grundwissen und welche Kompetenzen Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker haben müssen. Auch Zugangsvoraussetzungen sind eigentlich nicht erwähnt.

So gesehen regelt das beste Heilpraktikergesetz weder die bestehende Ausbildung noch die Anforderungen, die eine Ausbildungsstätte erfüllen muss. Auch die staatliche Anerkennung von Heilpraktikerschulen existiert in der Bundesrepublik nicht. Das sind private Schulen, die man freiwillig besucht, damit man diese Prüfung im Gesundheitsamt besteht. Das kann unterschiedliche Ausmaße haben. Allein im Psychotherapiebereich gibt es Schulen, die Heilpraktiker in sechs Monaten so weit ausbilden, dass sie diese Prüfung bestehen können. Danach nennen sie sich Psychotherapeuten.

Das ist ein Problem. Denn um in der Bundesrepublik regelgerecht Psychotherapie anbieten zu können, muss man entweder Medizin, Psychologie oder Sozialpädagogik studieren. Danach muss man eine fünf- bis sechsjährige Zusatzausbildung entweder in Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse machen sowie ein klinisches Jahr absolvieren. Dann darf man sich Psychotherapeut nennen.

Wenn man eine Praxis eröffnen will, muss man nach dem neuen Psychotherapeutengesetz – sie sind den Ärzten gleichgestellt – noch eine Approbation bekommen. Diese Diskrepanz zwischen Heilpraktikerinnen bzw. Heilpraktikern und den medizinisch ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten sowie PsychotherepautInnen ist enorm. Deswegen ist ein Handlungsbedarf vorhanden.

Aber man sollte keine Schnellschüsse machen, um die Gesundheitsministerin anzugreifen, sondern eine Anhörung durchführen, um darüber zu diskutieren: Wo besteht Änderungsbedarf? Was kann man Sinnvolles machen? Dann können wir gemeinsam im Gesundheitsausschuss einen Konsens darüber herstellen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Gesundheitsausschuss. Wir werden der Überweisung des Antrags natürlich zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Arif Ünal. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Punkt.

(Heiterkeit von Peter Preuß [CDU])

Das war der homöopathische Teil meiner Rede, ein Plädoyer sozusagen für die großen Erfolge einiger Heilpraktiker.

Ich möchte beginnen und in aller Kürze in Erinnerung rufen, worüber wir reden. Womit haben wir es letzten Endes zu tun? Wir reden über Heilpraktiker. Wir reden über viele Zwischenfälle und gar Todesfälle, die nicht nur in der letzten Zeit vorkamen und über die in den letzten Wochen berichtet wurde, sondern auch schon in den Monaten und Jahren davor. Es gab viele ungeklärte Fälle und viele Fälle, die nicht unbedingt in kausalem Zusammenhang, aber zumindest in gewissem Zusammenhang stehen.

Wir haben im Ausschuss sehr ausführlich über die Vorkommnisse in Brüggen-Bracht diskutiert. Frau Ministerin Steffens hat ihre Handlungen in dem Zusammenhang sehr ausführlich geschildert. Es gibt aus meiner Sicht auch gar nicht viel zu kritisieren. Ob sie sich vielleicht sofort hätte äußern sollen? Na ja, gut. Geschenkt!

Unsere Meinung ist hier ganz klar – ich habe es auch schon im Ausschuss letzte Woche gesagt –: Ein Heilpraktikergesetz in der Form, wie es seit 1939 existiert, brauchen wir nicht. Das ist schlecht. Wir brauchen dagegen ein Umdenken in der Heilpraktikerausbildung. Da unterscheidet sich unsere Meinung dann sehr wohl von der, wie sie im FDP-Antrag geschildert wird.

Ich möchte eben nicht kategorisch eine vernünftige Ausbildung für Heilpraktiker ausschließen. Wir setzen uns dafür ein, dass dem Beruf eine vernünftige und sinnvolle Heilpraktikerausbildung zugrunde gelegt wird. Dort sollten medizinische Kenntnisse vermittelt werden. Wie das Ganze am Ende tatsächlich aussieht, ob es eine dreijährige Ausbildung oder ein Studiengang ist, das sei erst einmal dahin gestellt, weil es nicht entscheidend ist. Vielleicht kommen wir zu einer ähnlichen Vorgehensweise wie zum Beispiel bei Physiotherapeuten, wie auch immer.

Ich will nicht unbedingt eine Aufwertung des Heilpraktikers an sich erreichen, sondern ich möchte die Garantie, dass derjenige, der als Heilpraktiker tätig ist, tatsächlich fundierte Kenntnisse hat. Diese Situation haben wir heute in keiner Weise. Ich kann mir eine Heilpraktikerin, einen Heilpraktiker aussuchen. Welche Kenntnisse dahinter stecken, das weiß ich nicht. Das erfahre ich dann, wenn mir vielleicht geholfen wird oder auch nicht.

Dann kommen wir zu einem der großen Probleme. Die spannende Frage ist doch: Warum gehen Menschen zum Heilpraktiker? Hier ist auch eine Kritik an Sie, Frau Ministerin Steffens, und an das Gesundheitsministerium zu richten. Der Bedarf scheint irgendwie da zu sein. Aber ist der Bedarf da, weil sich die Menschen nach alternativer Medizin sehnen, oder ist der Bedarf da, weil die reguläre hausärztliche Versorgung einfach nicht gut genug gewährleistet ist? Sie schreiben selber in einer Ausschussvorlage, dass Sie schon Nachwuchsprobleme in der ambulanten ärztlichen, insbesondere hausärztlichen Versorgung festgestellt haben. Wir haben mit Engpässen zu rechnen. Das sollten wir dringend im Auge behalten.

Lange Wartezeiten bei normalen Arztbesuchen könnten auch eine Rolle spielen. Vielleicht bekommt man beim Heilpraktiker schneller einen Termin. Da liegt auch schon eine gewisse Gefahr. Möglicherweise hilft mir der Heilpraktiker bei meinem Schnupfen, weil er mir irgendwelche Kügelchen verschrieben hat, und mein Schnupfen ist nach ein paar Tagen weg. Möglicherweise wäre der Schnupfen auch einfach so weg gewesen. Das mag jeder für sich selber wissen und entscheiden.

Wir sind der Meinung – ich hatte es vorhin ausgeführt –, dass Heilpraktiker gut ausgebildet sein sollten. Dann können wir feststellen, ob sie tatsächlich eine Bereicherung für unser Gesundheitswesen sind, wenn sie es überhaupt sind.

Ich zitiere Sie noch einmal, Frau Ministerin Steffens, aus einer Vorlage aus 2015:

„Die Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker mit ihrer Orientierung auf Naturheilkunde haben ihren festen Platz in unserem Gesundheitssystem. Es gibt in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für diesen Beruf. Vor allem dort, wo die Schulmedizin an Grenzen stößt, beweist die Naturheilkunde ihre Stärke.“

(Beifall von Manuela Grochowiak-Schmieding [GRÜNE])

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Düngel (PIRATEN): Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Das sagen Sie in einer Situation, in der das Heilpraktikergesetz noch zur Gefahrenabwehr dient, und jeder, der einen Multiple-Choice-Test bestehen kann, der keine Gefahr für das Volk darstellt, darf sich dann Heilpraktiker schimpfen. In dieser Zeit praktiziert die Zaubertrankbrauerei in Brüggen-Bracht, und Sie halten ein Plädoyer für Heilpraktiker. Das ist verantwortungslos, das ist skandalös.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Daniel Düngel (PIRATEN): Da muss ich Ihnen eine gewisse leichtsinnige Nähe zur alternativen Medizin und Homöopathie unterstellen.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Das ist riskant. Ich darf Sie bitten, das zu überprüfen, und bin dann ganz gespannt auf den weiteren Verlauf der Diskussion bei uns im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Jetzt für die Landesregierung die Ministerin.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte den letzten Punkt direkt klarstellen, Herr Kollege. Wir haben einen Unterschied zwischen Naturheilkunde und Heilpraktikern.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Das weiß ich!)

Deswegen wäre es wichtig, sich das wirklich anzusehen. Viele meiner Zitate beziehen sich auf die Komplementärmedizin, auf die Naturheilkunde. Wenn Sie sich einmal anschauen wollen, wie Menschen, denen unser schulmedizinisches System nicht helfen kann, letztendlich Hilfe in einem komplementärmedizinischen System suchen, wo sie mit TCM oder auf anderen vielfältigen Wegen Hilfe und Unterstützung bekommen, können Sie das gerne in Essen machen. Da gibt es eine Klinik für Komplementärmedizin.

Wir dürfen dieses Thema nicht kleinreden. Es gibt Wege und Behandlungspfade. Es gibt Erkrankungen, auf die unsere Schulmedizin keine Antwort mehr hat, bei denen sie hilflos ist. Für Menschen, die im schulmedizinischen System austherapiert sind, ist das oft eine Perspektive. Wenn Sie sehen, wie erfolgreich behandelt Menschen aus dieser Klinik gehen, dann stelle ich fest: Man darf nicht alles in einen Topf werfen, verteufeln und unter Hokuspokus abtun, sondern man muss mit einer gewissen Vorsicht gegenüber der Naturheilkunde agieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Düngel [PIRATEN]: Das ist ein gutes Beispiel gegenüber vielen schlechten!)

Deswegen finde ich es wichtig, dass wir differenziert darüber reden. Aber wir reden heute nicht über diesen Teil, sondern wir reden heute über die Heilpraktiker.

Ich muss sagen: Den Antrag der FDP-Fraktion würde ich ein Stück weit unter den beiden Begriffen „stärkere Überwachung/mehr Bürokratie“ und „Einschränkung der Berufsausübung“ zusammenfassen. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob das der richtige Weg ist. Ich wage es zu bezweifeln. Ich glaube, dass wir bezogen auf das, was heute im System der gesundheitlichen Versorgung gerade bezüglich der Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen vorhanden ist, andere Antworten brauchen.

Wir brauchen kein Verbot für Heilpraktiker, wir brauchen auch keine Einschränkungen der Therapiefreiheit, sondern wir brauchen eine Reform des Heilpraktikergesetzes.

Frau Schneider, das glaube ich nicht erst seit den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen, sondern schon länger. Wir brauchen die Reform eines Gesetzes, das nicht mehr zeitgemäß ist, das seit 1939 besteht, keine Ausbildungs- und Prüfungsordnung hat, keine bundeseinheitlichen Prüfungen, keine Vorgaben zur Ausbildung. Es erfordert wirklich nur eine Kenntnisüberprüfung, und jemand, der nie in seinem Leben eine Spritze in der Hand gehabt haben muss, darf trotzdem hinterher spritzen.

Dass wir hier eine Reform brauchen, das ist schon lange klar. Und wir diskutieren es ja nicht nur in dem Zusammenhang, sondern ich habe Ihnen im Ausschuss auch schon mehrfach zur Kenntnis gegeben, dass wir die Gefahrenabwehrprüfung beim Beruf der Heilpraktiker auch in einem anderen Zusammenhang diskutieren. Wir haben nämlich mit dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil aus dem Jahre 2009 eine Entscheidung gehabt, wonach es systematische Unstimmigkeiten gibt. Einerseits werden die Gesundheitsberufe weiterentwickelt und Akademisierungen erprobt; bei den Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern mit weitreichenden Kompetenzen passiert nichts. Das hat uns das Gericht ins Stammbuch geschrieben.

Und wir haben die großen Problemlagen bezüglich der Osteopathen, der Physiotherapeuten, der Podologen. Im Moment entscheiden Gerichte über das Heilpraktikergesetz. Es kann nicht sein, dass wir es aus der politischen Hand geben und Gerichte entscheiden lassen. Deswegen müssen wir gemeinsam selber eine solche Diskussion führen. Denn die sektorale Heilpraktiker-Erlaubnis, die durch Gerichte erweitert wird, das kann und darf so nicht sein.

Also, wir brauchen dringend eine Änderung. Aus meiner Sicht – das habe ich jetzt mehrfach gesagt – brauchen wir die ganz von Anfang an, nämlich hinterher mit Kontrollen zu gucken, was diejenigen, die alle zugelassen sind, die eine Erlaubnis haben, denn da machen, das kann und wird uns nicht gelingen. Deswegen brauchen wir zumindest eine Basisqualifizierung, damit die Menschen, die zum Heilpraktiker gehen, auch wissen, was denn an Grundlagen erlernt ist.

Mir geht es nicht darum, dass wir am Ende eine Erweiterung der Tätigkeiten vollziehen wollen. Ich glaube, dass das, was wir heute an Therapiefreiheit bei den Heilpraktikern haben, nichts ist, was erweitert werden muss. Der Arztvorbehalt ist ein Arztvorbehalt. Die verschreibungspflichtigen Medikamente gehören auch in die Hände der Ärztinnen und Ärzte. Darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum, dass die, die das heute machen, was sie tagtäglich auch in diesem Land für die Menschen gut machen, das trotzdem mit einer einheitlichen qualifizierten Grundausbildung machen.

Es wundert mich sehr, wenn ich viele der Stimmen höre, gerade vonseiten der FDP. Ich habe nämlich zwischen 2005 und 2008 oft mit Daniel Bahr, aber auch Herrn Parr aus der FDP gemeinsam auf Podien gesessen. Ich möchte zwei Zitate zum Schluss bringen. Vielleicht mag dann die FDP auch noch einmal über ihre eigene Haltung diskutieren und das Ganze noch einmal reflektieren.

Das eine Zitat ist:

„Der Beruf des Heilpraktikers ist ein freier Beruf wie der eines Rechtsanwaltes, Architekten oder Arztes, den wir Liberalen allein schon von unserer Grundauffassung her voll unterstützen.“

Das war Daniel Bahr, der es gesagt hat, der auch gesagt hat, dass eine weitere Therapieeinschränkung nicht sinnvoll und nicht notwendig ist. Er sagt, dass für die Liberalen die Berufsausübung bei allen Gesundheitsberufen, von ihm vor allen Dingen bei den Heilpraktikern begrüßt wird, dass sie eine freiwillige Selbstkontrolle haben.

Von daher glaube ich, dass man diese Haltung, das, was jetzt auf dem Tisch liegt, vielleicht mit den Diskussionen, die innerhalb der letzten zehn Jahre gemeinsam geführt worden sind, noch einmal reflektieren sollte. Ich glaube, wir brauchen die Qualifizierung und nicht die Kontrolle an der Stelle. Wir werden das aber gemeinsam im Ausschuss diskutieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Weitere Wortmeldungen gibt es nicht.

Stimmen wir ab, und zwar – das empfiehlt der Ältestenrat so – den Antrag Drucksache 16/12846 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Wer stimmt dem so zu? – Gibt es Gegenstimmen dazu? – Gibt es nicht. Gibt es Enthaltungen? – Auch nicht. Das ist einstimmig so überwiesen.

Tagesordnungspunkt

11 Solarstromanlagen zum Eigenverbrauch auf landeseigenen Gebäuden

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/12856

Die Aussprache ist eröffnet. Für die SPD-Fraktion steht schon der Herr Kollege Krick bereit.

Manfred Krick (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier im Haus des Öfteren intensiv über Klimaschutz und die Energiewende diskutiert. Wir haben uns auch gestritten um den richtigen Weg, um die Klimaschutzziele zu erreichen und den notwendigen Dreiklang aus sauber, sicher und bezahlbar für die Energiewende sicherzustellen. Es ist nicht verwunderlich, dass es darüber intensive Diskussionen gibt, denn das waren komplexe Themen.

Wir legen Ihnen heute mit unserem Antrag einen dazu vergleichsweise überschaubaren, nicht zu komplexen Vorschlag vor, den ich vielleicht einfach auf die kurze Form bringen möchte – weil es effektiv ist, weil es wirtschaftlich ist und weil es ökologisch sinnvoll ist, Solarpanels auf die Dächer der landeseigenen Gebäude zu bringen und den produzierten Strom nicht einzuspeisen, sondern direkt vor Ort zu nutzen.

Wir haben in unserem Antrag die Vorteile detailliert dargestellt. Deshalb will ich auch nicht weiter an dieser Stelle angesichts der fortgeschrittenen Zeit darauf eingehen. Wir haben auch die Vorteile für das lokale Handwerk erwähnt, was mir persönlich auch besonders am Herzen liegt.

Ich möchte noch zwei Aspekte in die Diskussion einbringen, die meiner Meinung nach zu verfolgen sind. Zum einen wäre es sicherlich auch wünschenswert, hier in diesem Hohen Hause eine Solaranlage auf dem Dach zu realisieren. Ich glaube, damit könnten wir ein besonderes Vorbild hier auch für Nordrhein-Westfalen leisten.

Der zweite Punkt ist: Hier in Nordrhein-Westfalen gibt es erhebliche Potenziale für Solaranlagen zur Eigennutzung, die bisher aber leider nicht erschlossen werden können. Das ist insbesondere dort, wo Mietwohnungsbau vorhanden ist. Der Bundesgesetzgeber hat mit dem EEG 2017 der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben, hierzu eine Verordnung zur Regulierung von Mieter-Solaranlagen zu ermöglichen. Ich fände es sehr wünschenswert, wenn diese Verordnung sehr zeitig realisiert werden könnte und damit eben auch Mieter-Solaranlagen in einem Gleichklang mit Solaranlagen für Eigenheimnutzer genutzt werden können.

Auch in diesem Sinne, denke ich, könnten wir mit unserem heutigen Antrag ein wichtiges Signal setzen. Ich bitte Sie deshalb auch um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Krick. – Nun spricht für die Grünenfraktion Frau Kollegin Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch wenn um diese Uhrzeit, um 20:00 Uhr, die Sonne gerade schon nicht mehr scheint – ich hoffe, ich habe genug Sonne in meinem Herzen für uns alle, damit wir das hier gemeinsam noch beschließen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Landesregierung geht mit gutem Beispiel voran mit ihren Bemühungen für eine klimaneutrale Landesverwaltung. Diese klimaneutrale Landesverwaltung betrifft viele Bereiche: von der Beschaffung über Mobilität, von Veranstaltungen bis Energieeinsparung und Energieeffizienz, wie die Wärmeversorgung vonstatten geht und aber auch die Stromversorgung.

Bei der Stromversorgung besteht mit Photovoltaik-Anlagen auf bestehenden und neuen Gebäuden die Möglichkeit, dass wir hier auch mit einem guten Beispiel vorangehen.

In letzter Zeit gibt es eine stärkere Tendenz hin zum Eigenverbrauch bei Photovoltaikanlagen. Und auch da gibt es ein gutes Potential bei den landeseigenen Gebäuden, dass wir diese Tendenz mitgehen.

Ich bin froh, dass wir mit diesem Antrag klarmachen, wohin es gehen soll. Im ersten Schritt ist es notwendig, dass die Potentialflächen dargestellt werden, auf welchen Gebäuden es überhaupt möglich ist, Photovoltaikanlagen zu installieren. Im nächsten Schritt soll das Ganze zeitnah und Schritt für Schritt mit einem jährlichen Plan umgesetzt werden. Ein weiterer Aspekt ist: Im Regelfall sollen bei Neu- und Umbauten die Photovoltaikanlagen mitgedacht werden.

An der einen oder anderen Stelle gibt es vielleicht aus welchem Grund auch immer den Fall, dass ein Eigenverbrauch auf landeseigenen Gebäuden schwierig ist. Deshalb haben wir im Antrag ausgeführt, dass Einspeisung und Betreibermodelle zur Verpachtung eine ökologische und wirtschaftliche Alternative darstellen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist Zeit, dass die Landesregierung ein gutes Beispiel für die Eigenstromversorgung mit Photovoltaik setzt. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)



Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Brems. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Stein.

Robert Stein (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Der Antrag suggeriert, dass Strom wirtschaftlicher selbst erzeugt werden kann, als diesen zu beziehen. Außerdem sollen durch Investitionen in Anlagen wirtschaftliche Impulse für Wachstum gesetzt werden.

Ihr letztes Argument greife ich zuerst auf, nämlich dass durch Investitionen in Anlagen wirtschaftliche Impulse gesetzt werden sollen. Wenn es Ihnen wirklich auf wirtschaftliche Impulse ankommen würde, müssten Sie zuerst andere Probleme beseitigen.

Erstens. Wirtschaft braucht Fläche. Seit 2010 sind Industrie und Handwerk fast 3.800 ha Fläche ersatzlos verloren gegangen.

(Beifall von der CDU)

Nordrhein-Westfalen braucht daher einen Landesentwicklungsplan,

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Zum Thema!)

der Wachstum ermöglicht und ihn nicht durch unnötige Restriktionen verhindert. Der Flächenschwund muss gestoppt, statt ausgeweitet werden.

Zweitens. Wirtschaft braucht Infrastruktur. Marode Straßen und Brücken bedrohen die Existenz vieler mittelständischer Industrieunternehmen im ländlichen Raum. Nordrhein-Westfalen muss seine Planungskapazitäten daher erhöhen, damit mehr Mittel des Bundes für die Verkehrsinfrastruktur abgerufen werden können.

Drittens. Wirtschaft braucht Innovation. Statt die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft mit dem neuen Hochschulgesetz in ein Zwielicht zu rücken, muss das Land endlich Kooperationen zwischen Wissenschaft und Unternehmen fördern. Nordrhein-Westfalen braucht die Wiederbelebung der Hochschulfreiheit.

Viertens. Wirtschaft braucht konkurrenzfähige kommunale Hebesätze. Die durchschnittlichen Hebesätze der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer sind in keinem anderen Land so hoch wie in Nordrhein-Westfalen.

(Unruhe von den PIRATEN)

Zuletzt lenke ich die Aufmerksamkeit auf den Haushaltsentwurf 2017 mit der mittelfristigen Finanzplanung bis 2020. Die von der Ministerpräsidentin Kraft geführte Landesregierung senkt die Investitionsquote von 9,0 auf 8,3 % im Jahre 2020. Wollen Sie, liebe Kollegen von Rot-Grün, so wirtschaftliche Impulse setzen?

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Die Wette hast du gewonnen, Robert! – Weitere Zurufe von den PIRATEN)

Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte übrigens noch eine Investitionsquote von 10,7 %. Die Wirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, ist Ihnen offensichtlich ziemlich egal. Das sind nur einige Beispiele, wo wir sagen, wirtschaftliche Impulse kann man setzen, die kann man anders setzen. Es ist ganz nett, dass Sie das mit so einem Antrag versuchen, aber es gibt noch viel Arbeit und viele andere Baustellen.

(Beifall von der CDU)

Auch bezüglich Ihres zweiten Arguments schulden Sie jeden Beweis, dass Strom selbst zu erzeugen wirtschaftlicher sei, als diesen zu beziehen. In Ihrem Antrag unterstellen Sie dies lediglich. Auch da die Frage: Wo sind die gesicherten Erkenntnisse?

Auf mögliche steuerliche Probleme bzw. Besonderheiten geht Ihr Antrag überhaupt nicht ein. An der Stelle haben Sie offensichtlich noch nicht einmal ein Problembewusstsein. Das finden wir schade.

(Lachen von den PIRATEN)

Auch der Begriff „Verpflichtungskonzept“ passt zu der Politik des Bevormundens, Verbietens und Umerziehens. Lassen Sie uns an sinnvollen Projekten gemeinsam arbeiten, aber bitte ideologiefrei. Das fällt Ihnen aber – so deute ich Ihre Reaktion – offensichtlich schwer. Das finde ich schade.

(Beifall von der CDU)

Dies zeigt, dass es mit Ihnen weiterhin keine gute Zukunft in Nordrhein-Westfalen geben kann. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU und der FDP)


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