Rudolf steiner



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die richtige Ordnung, im intellektualistischen Zeitalter aber muß man
durch den Intellekt, nicht durch das Herabdämpfen des Denkens, die
geistige Welt wiederfinden. Da muß also gerade das Entgegengesetzte
eintreten, da muß man fragen. Dieser ganze Umschwung, daß im
fünften nachatlantischen Zeitraum aus dem Menschen die Sehnsucht
nach dem Geiste herausgeboren werden muß in Form der Fragestel-
lung, dieser ganze Umschwung tritt uns schon bei Parzival entgegen.

Aber es tritt uns bei Parzival noch etwas anderes, sehr Merkwürdiges


entgegen. Das möchte ich in der folgenden Weise charakterisieren.

Die Sprachen, wie wir sie heute haben, sind ja weit weg von ihrem


Ursprünge. Sie haben sich eben weiterentwickelt. Wenn wir heute
sprechen, so erinnern ja, ich habe das oftmals ausgeführt, die einzel-
nen Lautzusammenhänge nicht mehr an das, was mit diesen Laut-
zusammenhängen bezeichnet wird. Man muß sich erst wiederum ein
feineres Sprachgefühl aneignen, um in der Sprache das zu erleben,
was die Sprache bedeutet. In den Ursprachen der Menschheit war
das nicht so. Da hat man gewußt, wenn man irgendeinen Lautzusam-
menhang hatte, wie in diesem selber dasjenige darinnen liegt, was man
erlebt in dem, was er bedeutet. Heute versucht es der Dichter nachzu-
ahmen, zum Beispiel «Und es wallet und siedet und brauset und
zischt». Da haben wir in der Dichtersprache etwas von dem nach-
geahmt, was draußen gesehen werden soll. Aber das ist eben alles
schon abgeleitet; in jedem einzelnen Laute empfand man einstmals
den innigsten Zusammenhang mit dem, was sich draußen abspielte.
Heute können höchstens noch die Dialekte einen gewissen Anspruch
darauf machen, daß man in den Worten der Dialekte diesen Zusam-
menhang mit der äußeren Wirklichkeit fühlt. Aber unserer Seele steht
die Sprache doch nahe. In unserer Seele bildet die Sprache ein beson-
deres Element.

Daß sich das als eine tiefe Empfindung in der Seele des Menschen


abgeladen hat, ist wieder eine Folge des Umschwunges vom vierten in
den fünften nachatlantischen Zeitraum herein, wiederum etwas, was
weder Philologie noch Geschichte berücksichtigen. Daß die Menschen
noch mehr in ihrer Sprache im vierten nachatlantischen Zeitraum ge-
lebt haben, im fünften gar nicht mehr, das bedingt eine andere Stel-
lung des Menschen zur Welt. Denken Sie einmal, wenn der Mensch
noch in der Sprache, indem er redet, mitgeht mit dem Rauschen de:
Wellen, mit dem Donnern und mit dem Blitz und mit alledem, was
da draußen ist, wenn der Mensch, indem er seine eigenen Stimm-
organe in Bewegung setzt, fühlt, wie in diesen Stimmorganen nach-
zittert, was draußen geschieht, wie da der Mensch mit seinem Ich
ganz anders verknüpft ist mit dem, was draußen in der Welt vorgeht!

Und das ist es gerade, was sich immer mehr und mehr losreißt mit dem


Umschwung von dem vierten in den fünften nachatlantischen Zeit-
raum. Das Ich wird innerlich, und die Sprache wird mit dem Ich
innerlich, daher aber auch weniger signifikant, weniger das Äußere
bezeichnend. Solche Dinge werden von der intellektualistisch gewor-
denen Erkenntnis erst recht nicht geschaut. Man denkt kaum daran,
diese Dinge zu charakterisieren; aber um das, was in der Menschheit
vorgeht, wiederum richtig zu verstehen, wird man sie charakterisieren
müssen.

Nun denken Sie sich einmal, was da entstehen kann. Stellen Sie sich


recht lebhaft vor: Vierter nachatlantischer Zeitraum, fünfter nach-
atlantischer Zeitraum - natürlich werde ich jetzt alles in Extremen
zu schildern haben -, der Übergang ist kein schroffer, aber um darzu-
stellen, muß man gewissermaßen schroff sein. Nehmen wir an, das ist
der Mensch im vierten nachatlantischen Zeitraum, das im fünften
nachatlantischen Zeitraum (siehe Zeichnung links). Im vierten nach-
atlantischen Zeitraum, wenn da die Dinge der Welt (grün) sind, dann ist
der Mensch mit seinen Worten, die ich jetzt als bei ihm seiend mit die-
sem Rot bezeichnen will, durch die Worte noch mit den Sachen zu-
sammenhängend. Er lebt gewissermaßen sich in die Sache hinüber
durch seine Worte. Im fünften nachatlantischen Zeitraum geschieht es
immer mehr und mehr, daß der Mensch die Worte als etwas seelisch
gewissermaßen Innerlich-Abgesondertes hat (Zeichnung rechts).

Führen wir uns das, was da vorliegt, einmal etwas deutlich, ich


möchte sagen grotesk-deutlich vor die Seele. Wenn wir den Menschen
da - im vierten nachatlantischen Zeitraum — anschauen, können wir
sagen: Der lebt noch mit den Dingen; die Dinge draußen in der Welt,
die er selber tut, die werden daher nach seinen Worten vor sich gehen.
Wenn man so einen Menschen handeln sieht und zugleich hört, wie er
seine Handlungen bezeichnet, dann stimmt das zusammen. So wie
seine Worte mit den äußeren Dingen zusammenstimmen, so stimmt
auch das, was er tut, mit den Worten zusammen. Wenn der da — im
fünften nachatlantischen Zeitraum — redet, da merkt man nicht mehr,
daß seine Worte weiterklingen in dem, was er tut. Was für einen Zu-
sammenhang mit der Tätigkeit empfinden Sie, wenn Sie heute sagen:
Ich habe Holz gehackt! - Mit dem, was da draußen geschieht, in dem
Hacken, empfindet einer ja längst nicht mehr die Bewegung der
Hacke. Dadurch entfernen sich aber allmählich die Lautzusammen-
hänge, sie stimmen dann wirklich nicht mehr mit dem Äußeren über-
ein. Man findet dann keinen Zusammenhang. Und wenn dann einer
auf die Worte pedantisch hinhört und doch das tut, was in den Wor-
ten liegt, dann wird es ganz was anderes. Da sagt einer: Ich backe
Mäuse. — Wenn einer nun tatsächlich Mäuse backen würde, so würde
das grotesk ausschauen, so würde man das nicht verstehen.

Das hat man gefühlt und hat gesagt: Der Mensch sollte einmal das,


was er eigentlich in der Seele drinnen hat, im Verhältnis zu dem be-
trachten, was er draußen tut: Das verhält sich ja gerade so, wie wenn
die Eule in den Spiegel schaut! Wie wenn man der Eule den Spiegel
vorhält, so würde sich das verhalten, was einer tut, der sich ganz ge-
nau nach den Worten richtet. Und aus dieser Empfindung entstand
in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Till Eulenspiegel. Der
Eulenspiegel ist das, was der Menschheit vorgehalten wird. Nicht als
ob man das auf den Till Eulenspiegel selber beziehen sollte; sondern
indem Till Eulenspiegel wörtlich nimmt, was die Menschen in den
trockenen abstrakten Worten haben, sehen sich die Menschen, wäh-
rend sie sich sonst nicht sehen. Er ist der Eulen-Spiegel, in dem sich
die Eulen wirklich sehen können.

Es ist Nacht geworden. Früher haben die Menschen in die geistige

Welt hineingesehen. Ihre Worte haben sie auch so getätigt, daß sie
mit der Welt stimmten. Damals waren die Menschen Adler. Jetzt sind
sie Eulen geworden. Die Seelenwelt ist ein Nachtvogel geworden. Und
in der abenteuerlichen Welt, die der Till Eulenspiegel darstellt, wird
eben der Eule der Spiegel vorgehalten.

So kann man schon das, was in der geistigen Welt auftritt, betrach-


ten. Die Dinge haben schon ihre Hintergründe. Man lernt einfach
Geschichte, und damit auch die Hauptsache in der gegenwärtigen
Menschheit, nicht kennen, wenn man nicht auf die geistigen Zusam-
menhänge hinblicken kann. Insbesondere ist es wichtig, daß man all
das äußerliche Charakterisieren verläßt. Ich bitte Sie, schauen Sie in
irgendeinem Wörterbuch nach, was alles an Erklärungen für den
Eulenspiegel gegeben wird! Man begreift das nicht, wenn man nicht
in den ganzen Vorgang des Geisteslebens hineinsieht. Es kommt schon
darauf an bei der Geisteswissenschaft, daß man den Geist in den Din-
gen wirklich entdeckt; nicht so, daß man einige außerhalb der Sinnes-
welt befindliche geistige Wesenheiten begrifflich weiß oder nicht, son-
dern es kommt darauf an, daß man sich hineinfindet in das geistige
Betrachten der Wirklichkeit.

Den Umschwung, der da eingetreten ist, indem die Menschen frü-


her sich der geistigen Welt nahe gefühlt haben und nachher sich wie
herausgestoßen fühlten, diesen Umschwung kann man auch sonst
durchaus sehen. Ich bitte Sie, fühlen Sie einmal die ganze Tiefe des
Impulses, der durch so etwas wie die Parzival-Dichtung hindurch-
geht. Nehmen Sie den Parzival, wie ihm von seiner Mutter Herzeleide
Narrenkleider angezogen werden, daß er nicht hineinwachsen soll in
die Welt, welche die neue Welt darstellt. Er soll bei der alten Welt
verbleiben. Er wächst also aus der sinnlichen Wirklichkeit heraus in
die geistige Welt hinein. Das 17. Jahrhundert hat auch so eine Art
Parzival, aber einen komischen: da ist alles ins Komische getaucht.
Im intellektualistischen Zeitalter kann man, wenn man ehrlich ist,
zunächst nicht den Seelenduktus aufbringen, der im Parzival waltet.
Aber einen solchen Menschen, der ausziehen muß, in die Welt hinaus
sich verlieren muß, und der zuletzt doch in der Einsamkeit landet,
sein Seelenheil findet, den zeichnet man auch im 17. Jahrhundert,

nach dem Umschwung: das ist der «Simplicissimus» des Christoffel


von Grimmelshausen. Nehmen Sie nur einmal den ganzen Vorgang
des «Simplicissimus». Sie müssen natürlich dabei auf die Stimmung
achten - dort die reine, ich möchte sagen heilige Parzival-Stimmung,
hier die humoristische, komische Stimmung. Aber nehmen Sie nun den
«Simplicissimus»: der Sohn eines begüterten Bauern aus dem Spessart;
im Dreißigjährigen Kriege wird das Haus abgebrannt. Der Sohn muß
fliehen, kommt zu einem Waldeinsiedler, der ihn in allerlei unterrich-
tet. Aber der stirbt. Da ist er nun in die Welt hinausgeworfen; er muß
wandern. Er wächst hinein in all die Ereignisse, Schicksalsschläge, die
eben durch den Dreißigjährigen Krieg geboten werden. Er kommt an
den Hof des Gouverneurs von Hanau. Äußerlich hat er nichts gelernt,
äußerlich ist er der reine Tor; aber er ist ein innerlicher Mensch bei
alledem. Und weil er nun so äußerlich der reine Tor ist, sagt sich der
Gouverneur von Hanau: Das ist ein Narr, der weiß nichts, das ist
der Simplicissimus, das ist der allereinfältigste Mensch. Wozu soll ich
ihn erziehen? Zum Hofnarren. Nun erzieht er ihn zum Hofnarren.

Aber jetzt ist der äußere Mensch und der innere Mensch ausein-


andergezogen. Das Ich ist selbständig geworden gegenüber dem äuße-
ren Menschen. Und das wird gerade in dem «Simplicissimus» gezeigt.
Jetzt ist der äußere Mensch in der äußeren Welt der zum Hofnarren
erzogene Narr, den alle für einen Narren nehmen; und der innere
Mensch beim Simplicissimus, der hält alle diese, die ihn zum Narren
nehmen, selbst zum Narren, denn er ist, trotzdem er gar nichts ge-
lernt hat, viel gescheiter als die ändern, die ihn zum Narren gemacht
haben; denn er bringt die andere Intellektualität, die aus dem Gei-
stigen kommt, aus sich heraus, und die Intellektualität, die bloß aus
dem Verstande kommt, die tritt ihm in dem Äußerlichen entgegen.
Und nun nehmen ihn die Intellektualisten als Narren, und er, der
Narr, bringt den Intellektualismus aus der geistigen Welt und hält die
ändern nun zum Narren, die ihn zum Narren machen wollen. Dann
wird er von Kroaten gefangengenommen, abenteuert in der Welt
herum, und zuletzt mündet er wiederum in der Einsiedelei ein, um
seinem Seelenheile zu leben.

Man hat schon die Ähnlichkeit des Simplicissimus mit dem Parzival

erkannt, aber es kommt auf den Stimmungsunterschied an. Es kommt
darauf an, daß das, was noch ganz in die Gemütsseele getaucht war
im Parzival, heraufgekommen ist in die Bewußtseinsseele, daß der
kaustische Verstand wirkt, daß das Komische, das ja nur im kau-
stischen Verstand seinen Ursprung haben kann, da wirkt. Wenn man
aber ein Gefühl hat für diesen Stimmungsumschwung, dann wird man
gerade in solchen Produktionen, die wirklich nicht bloß aus Einzelnen
hervorgehen, sehen, was eigentlich in der Menschheitsentwickelung
geschehen ist. Und Christoffel von Grimmeishausen hat eben einfach
die ganze Stimmung, die Denkweise seiner Zeit hineingeheimnißt in
diesen «Simplicissimus» gerade so, wie, man möchte sagen, man das
ganze Volk dichtend findet, um alles das zusammenzutragen, was die
Seele als Eule im Spiegel sehen kann, und dadurch alle möglichen Ge-
schichten zusammengetragen werden im Till Eulenspiegel.

Es wäre schon durchaus notwendig, daß man auf alle diese Zusam-


menhänge einmal genauer einginge, nicht bloß, um im einzelnen diese
Zusammenhänge zu charakterisieren. Ich kann Ihnen ja selbst nur
einzelne Beispiele geben. Würde man das, was eigentlich gesagt wer-
den kann, sagen, dann müßte man jahrelang über die Dinge reden.
Aber darum allein handelt es sich nicht, sondern es handelt sich dar-
um, daß man wirklich einer vergeistigten Auffassung der Dinge
näherkommt, wenn man solche Dinge, die nur rein äußerlich hin-
gestellt werden, auch in ihren geistigen Zusammenhängen kennen-
lernt. Und so darf man sagen: Man sieht überall, wie durch die Gei-
stesentwickelung der Menschheit durchzittert jener gewaltige Um-
schwung, der da geschehen ist vom vierten in den fünften nachatlan-
tischen Zeitraum hinein. Es ist so, daß man, wenn man nur etwas
zurückgeht von der Zeitenwende, gleich dasjenige hat, was uns in
allen Erscheinungen hinweist darauf, wie stark dieser Umschwung
war.

Man kann ja eigentlich auch nur in einem solchen Zusammenhange


ganz verstehen, was in den Gestalten liegt, die das Geistesleben aus
der Vergangenheit in die Gegenwart heraufgetragen hat. Nehmen Sie
Lohengrin, den Sohn des Parzival. Fragen Sie sich einmal ehrlich: Ist
es so ohne weiteres verständlich, daß Elsa nicht nach Namen und

Geschlecht des Lohengrin fragen darf? Die Menschen nehmen das so


hin; aber warum sie eigentlich nicht fragen soll, das ist etwas, worüber
doch nicht intensiv genug nachgedacht wird, weil gewöhnlich die
Dinge ihre zwei Seiten haben. Gewiß, man kann die Sache auch an-
ders darstellen, aber ein Wichtiges ist in dem Folgenden enthalten:
Lohengrin ist der Abgesandte des Grals, der Sohn des Parzival. Wo-
mit hat man es denn da innerhalb der Gralsgemeinschaft zu tun? Die-
jenigen, die um das Geheimnis des Grals wußten, die dachten über
dieses Geheimnis des Grals so, daß im Gralstempel nicht bloß die
auserlesenen Gralsritter sind; sondern ein jeglicher, der reinen Herzens
ist und im richtigen Sinne Christ ist, zieht, so sagte man, während des
Schlafens, vom Einschlafen bis zum Aufwachen, nach dem Gral hin.
Geradezu als den Versammlungsort der wahrhaft christlichen Seelen
während des Nachtschlafens dachte man sich den Gral. Man wollte
entrückt sein dem Erdenleben. Daher mußten dem Erdenleben auch
diejenigen entrückt sein, die die Gralsherrschaft leiteten. Zu ihnen ge-
hörte Lohengrin, der Sohn des Parzival. Wer daher wirken wollte im
Sinne der Gralsimpulse, der mußte sich ganz in der geistigen Welt
fühlen, der mußte sich ganz fühlen als ein Angehöriger der geistigen
Welt, der durfte vor allen Dingen sich nicht als ein Angehöriger der
äußeren Erdenwelt fühlen. Er mußte in einem gewissen Sinne, sagen
wir, den Vergessenheitstrank haben.

Lohengrin wird von der Gralsburg abgeschickt. Er verbindet sich


mit Elsa von Brabant, also mit dem ganzen Brabantervolk. Er zieht
im Gefolge Heinrichs I. gegen die Ungarn. Also er führt im Auftrage
des Grals wichtige weltgeschichtliche Impulse aus. Daß er das kann,
das rührt von der Kraft her, die er aus dem Gralstempel hat. Ja, wenn
wir zurückgehen in den vierten nachatlantischen Zeitraum, da werden
ja auch diese Dinge anders; da wirkten nicht bloß die äußerlichen,
mit dem Verstande zu erfassenden Impulse, da wirkten eben geistige
Impulse überall mit. Die geschichtliche Darstellung ist ja so, daß man
das kaum merkt.

Wir reden heute ganz richtig wiederum von Meditationsformeln,


einfachen Sätzen, die durch ihre Einfachheit im Bewußtsein wirken.
Ich weiß nicht, wieviel Leute heute mit dem richtigen Verständnis dar-

auf hinschauen, wenn ihnen die Geschichte erzählt, daß diejenigen, die


aufgefordert wurden, sich den Kreuzfahrern anzuschließen - und das
war im vierten nachatlantischen Zeitraum -, daß die versehen wurden
mit der Meditationsformel «Gott will es», und daß diese Formel eben
mit einer spirituellen Gewalt wirkte. Das war gewissermaßen eine
soziale Meditation, die mit dem «Gott will es» gegeben wurde. Ach-
ten Sie einmal auf solche Dinge in der Geschichte, Sie werden da
schon mehr solche Dinge finden! Sie werden den Ursprung der alten
Devisen finden. Sie werden finden, wie gewisse Burgengeschlechter
unter solchen Devisen gerade ihre Eroberungszüge begonnen haben,
wie sie mit geistigen Mitteln, mit geistigen Waffen gewirkt haben. Mit
den bedeutendsten geistigen Waffen wirkten die Gralsritter, wirkte
so jemand wie Lohengrin. Er konnte das nur, wenn ihm die Erinne-
rungen an seine äußere Abstammung, an seinen äußeren Namen, an
sein äußeres Geschlecht nicht entgegentraten. Er mußte sich geradezu
in eine Sphäre versetzen, wo er dem Geistigen hingegeben sein konnte
und sich der Verkehr mit der Außenwelt bloß auf die sinnliche An-
schauung beschränkte, nicht auf irgendwelche Erinnerungen. Er
mußte unter der Wirkung des Vergessenheitstrankes seine Taten voll-
führen. Er durfte nicht erinnert werden, in seiner Seele durfte nicht
aufsteigen: Ich heiße so, ich bin aus diesem Geschlechte. - Daher darf
ihn Elsa von Brabant nicht fragen. Für ihn ist das notwendig. In dem
Augenblicke, wo er gefragt wird, muß er sich erinnern. Es ist genau
dieselbe Wirkung auf seine Taten, wie wenn man ihm sein Schwert
bräche.

Wenn wir eben hinter den Zeitraum gehen, wo alles intellektuali-


stisch geworden ist, und wo nun auch die Menschen das, was voran-
gegangen ist, in intellektualistische Begriffe kleiden und alles so vor-
stellen, als ob es gewesen wäre wie nachher, wenn wir hinter das zu-
rückgehen, was dem intellektualistischen Zeiträume angehört, da fin-
den wir auch im sozialen Wirken überall das Spirituelle. Und die
Menschen rechneten mit dem Spirituellen, rechneten daher zum Bei-
spiel mit Moralischem als mit Arzneimitteln.

Ich möchte sehen, wie im intellektualistischen Zeitalter, wenn man


nur dem Intellektualismus angehört, die Menschen das auffassen

würden, wenn man in seiner Apotheke auch Moral als Arzneimittel


hätte! Aber man braucht wiederum nur um ein paar Jahrhunderte
hinter den Umschwung zurückzugehen. Lesen Sie den «Armen
Heinrich» von Hartmann von Aue, der demselben Zeitalter angehört
wie Wolfram von Eschenbach. Da steht vor Ihnen der Ritter, der
reiche Ritter, der aber von Gott abgefallen ist, der in seiner Seele den
Zusammenhang mit der geistigen Welt verloren hat, der daher dieses
atheistische Moment, das über ihn gekommen ist, auch als physische
Krankheit erlebt, als die Miselsucht, eine Art Aussatz. Die Leute mei-
den ihn. Kein Arzt kann ihn heilen. Er kommt zu einem gescheiten
Arzt in Salerno. Der sagt ihm, physische Heilmittel gibt es für ihn
nicht; das einzige Heilmittel ist, wenn sich eine reine Jungfrau für
ihn töten läßt. Das Blut einer reinen Jungfrau kann ihn davon be-
freien. Er verkauft alle seine Güter, lebt einsam auf seinem Meierhof,
wird betreut von einem Meier. Dieser Meier hat eine Tochter. Die
gewinnt den aussätzigen Ritter, den Ritter mit der Miselsucht, lieb.
Sie hört von dem, was allein sein Heilmittel sein könnte. Sie be-
schließt, für ihn zu sterben. Er begibt sich mit ihr zum Arzt von
Salerno; da wird es ihm leid. Er will lieber weiter den Aussatz haben
als dieses Opfer. Aber schon, daß ihr Wille zum Opfer vorhanden
war, das wirkt. Er wird nach und nach geheilt. - Wir sehen das Her-
überwirken des Spirituellen im geistigen Leben, wir sehen, wie mora-
lische Impulse heilen, als heilende Wirkungen aufgefaßt wurden.
Heute sagt man: Nun ja, entweder war es ein Zufall, oder es war
überhaupt nicht, man erzählt so etwas nur. - Mag man über den ein-
zelnen Fall denken, wie man will - es muß doch darauf aufmerksam
gemacht werden, daß in dem Zeitalter, das dem 15. Jahrhundert vor-
angegangen ist, im wesentlichen noch viel stärker von Seele auf Seele
gewirkt wurde als später, auch von dem, was die Seelen dachten und
empfanden und wollten. Denn jene soziale Trennung zwischen
Mensch und Mensch, die dann später eingetreten ist, die ist eben
durchaus eine Begleiterscheinung des Intellektualismus. Und je weiter
der Intellektualismus gedeiht, je weniger man sucht nach dem, was
ihm entgegenwirken muß: nach dem Spirituellen, desto mehr wird der
Intellektualismus die einzelnen Individualitäten auseinanderspalten.

Das mußte zwar kommen; Individualismus muß sein. Aber aus dem


Individualismus heraus muß das Soziale gefunden werden. Sonst be-
steht das «soziale Zeitalter» darin, daß die Menschen unsozial sind
und deshalb nach Sozialismus schreien. Sie schreien ja am meisten
nach Sozialismus, weil sie im Inneren der Seele unsozial sind. Aber
dieses soziale Element, das einem in solch einer Dichtung wie «Der
arme Heinrich» des Hartmann von Aue entgegentritt, das müssen wir
beachten. Das tritt dann auch in geistigen Schöpfungen zutage, und in
den geistigen Schöpfungen findet man es sehr deutlich in der Stim-
mung. Es ist in diesem «Armen Heinrich» eben eine ganz andere Stim-
mung vorhanden. Wir können natürlich nicht sagen, sentimental; denn
sentimental ist man erst später in dem unnatürlichen Herausgehen aus
dem Intellektualismus geworden. Aber es ist eine Art frommer Stim-
mung, eben eine Art spiritueller Stimmung darinnen. Will man später
ehrlich sein in denselben Sachen, dann muß man komisch werden,
dann muß man so darstellen, wie Christoffel von Grimmeishausen im
«Simplicissimus» dargestellt hat, oder wie das Volk selber im «Till
Eulenspiegel» dargestellt hat.

Dieses Sich-herausgeworfen-Fühlen aus der Welt, das tritt uns nicht


bloß in den Dichtungen eines Volkes, das tritt uns im Grunde genom-
men überall entgegen. Und nun sehen Sie, wie in alldem eine andere
Stellung des Menschen zu sich selber liegt. Der Mensch muß wieder
von einem ganz neuen Standpunkte aus die Frage aufwerfen: Ja, was
bin ich denn eigentlich als Mensch? — Das zittert immer nach. Daher
wird vom neuen intellektualistischen Standpunkte aus diese Frage
immer wieder neu gestellt: Was ist denn das eigentlich, der Mensch? -
Früher hat man sich an die geistige Welt gewendet. Da haben die
Leute das ja wirklich gesucht, was der Faust vergeblich wiederum
sucht. Man wendete sich an die geistige Welt, wenn man wissen
wollte: Was ist eigentlich der Mensch? Weil man wußte: Außerhalb
dieses physischen Erdenlebens ist ja der Mensch ein Geist. Will er
also sein wahres Wesen, das er auch im physischen Erdenleben
lebt, kennenlernen, dann muß er sich an die geistige Welt wenden.

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