Rudolf steiner



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messen es eigentlich ist, wenn man leichten Herzens von der Errin-
gung des Bewußtseins vom Mysterium von Golgatha, des christlichen
Bewußtseins, spricht. Denn diese Erringung des christlichen Bewußt-
seins stellt eben durchaus eine Aufgabe dar, um die so schwer ge-
kämpft worden ist, wie wir es an solchen Beispielen sehen können,

wie ich sie angeführt habe. Es ist heute an der Menschheit, diese gei-


stigen Kräfte innerhalb der geschichtlichen Entwickelung der mitt-
leren und der neueren Zeit zu suchen. Und nach der großen Kata-
strophe, die wir durchgemacht haben, sollte schon die Menschheit ein
Bewußtsein davon bekommen, daß es darauf ankommt, diese geistigen
Impulse wirklich ins Seelenauge zu fassen.

ZEHNTER VORTRAG


Dornach, 19. Februar 1922

Wir haben in diesen Betrachtungen noch einmal darauf hingewiesen,


wie in dem letzten Kulturzeitraum, den wir in der Menschheitsent-
wickelung zu verzeichnen haben, in dem fünften nachatlantischen
Zeitraum, die hauptsächlichste Kraft, von der das menschliche Seelen-
leben beherrscht ist, die intellektuelle Kraft ist, die Verstandeskraft,
die in Gedanken lebt. Und wir haben nun hinzufügen müssen, daß die
Kraft der Gedanken eigentlich darstellt den Leichnam des geistig-
seelischen Lebens, wie es vor der Geburt war. Immer stärker und stär-
ker emanzipierte sich in gewissem Sinne diese Gedankenkraft von den
ändern Kräften der Menschenwesenheit in der neueren Zeit, und das
wurde stark gefühlt von denjenigen Geistern, welche zu einem vollen
Verständnisse des christlichen Impulses kommen wollten.

Das habe ich gestern versucht darzustellen an dem Beispiel des


Calderonschen Cyprianus. Wir haben da das Ringen auf der einen
Seite aus den alten Vorstellungen einer durchseelten Natur heraus,
aber zu gleicher Zeit ein starkes Gefühl von der Ohnmacht, in die der
Mensch eigentlich hineinkommt, wenn er sich von der alten Anschau-
ung entfernt und nun gezwungen ist, bei bloßen Gedanken seine Zu-
flucht zu suchen. Gerade bei Cyprianus sehen wir, wie er, um sich
Justinas zu bemächtigen - deren Bedeutung ich gestern versuchte dar-
zulegen -, bei dem Satan seine Zuflucht sucht, wie er aber gerade in-
folge des hauptsächlichsten neueren Seelenprinzips von diesem Satan
nur das Phantom der Justina bekommen kann.

Alle diese Dinge weisen eben stark darauf hin, wie das Gefühl


der nach dem Geistigen strebenden Menschen in diesem neuesten Zeit-
raum der Menschheitsentwickelung war, wie sie das Tote des bloßen
Gedankenlebens fühlten, und wie sie zu gleicher Zeit fühlten, daß in
die Lebendigkeit der Christus-Auffassung nicht hineinzukommen sei
mit diesem bloßen Gedankenleben. Nun habe ich schon gestern darauf
hingedeutet, daß gewissermaßen eine weitere Phase desselben Pro-
blems, das uns bei dem Calderonschen Cyprianus entgegentritt, dann

im Goetheschen «Faust» vor uns steht. In Goethe hat man ja eine


menschliche Persönlichkeit zu sehen, welche hineingestellt ist in das
Zivilisationsleben des 18. Jahrhunderts - das im Grunde genommen
viel internationaler war als alles spätere Zivilisationsleben -, und
welche stark, wirklich recht stark das Intellektualistische, das Ver-
standesmäßige empfindet. Man kann schon sagen: Goethe hat sich in
seiner Jugend in den verschiedensten Wissenschaften so herumgetrie-
ben, wie er das an seinem Faust darstellt. Denn Goethe suchte eben
nicht das in dem Leben, das sich ihm als Intellektualistisches darbot,
was aus einer gewissen menschlichen Gewohnheit heraus die meisten
suchen, sondern er suchte eine wirkliche Verbindung mit derjenigen
Welt, welcher der Mensch mit seiner ewigen Natur angehört. Man
kann sagen, Goethe suchte wirkliche Erkenntnis. Diese konnte er
durch die einzelnen Wissenschaften, die sich ihm darboten, eben nicht
finden. Goethe kam vielleicht zunächst auf eine äußerliche Weise an
die Faust-Gestalt heran. Aber jedenfalls hat er durch seine besondere
Veranlagung in dieser Faust-Gestalt dasjenige gefühlt, was diesen rin-
genden Menschen darstellt, von dem wir gestern gesprochen haben.
Und er identifizierte sich in einem gewissen Sinne mit diesem ringen-
den Menschen.

Goethes Arbeit am «Faust» erscheint einem in drei Etappen. Die


erste Etappe führt zurück in eine frühe Jugendzeit Goethes, in der er
eben ganz empfunden hat das Unbefriedigende seiner Universitäts-
studien, aus denen er heraus wollte zu einer wirklichen Verbindung
der Seele mit dem vollen geistigen Leben. Da stellte er die Faust-
Gestalt, die ihm entgegengetreten war aus dem «Puppenspiel», aus
dem heraus man noch sehr wohl den ringenden Menschen erkennen
kann, eben als den strebenden Menschen dar, der heraus will aus dem
bloßen Verstandesmäßigen zu einem vollmenschlichen Erfassen des
kosmischen Ursprungs des Menschen. Und so steht denn in der ersten
Gestalt, die Goethe seinem «Faust» gegeben hat, Faust neben den än-
dern einzelnen Figuren einfach als der strebende Mensch da. Dann
ging Goethe durch diejenigen Entwickelungsstadien seines Lebens hin-
durch, die er zunächst durchgemacht hat, indem er sich in die noch
im Süden vorhandene Kunst vertiefte, in der er gewissermaßen eine

höhere Ausgestaltung des Wesens der Natur sah. Goethe suchte fort-


schreitend den Geist innerhalb der Natur. Er konnte ihn in dem
Geistesleben nicht finden, das sich ihm zunächst dargeboten hatte.
Eine tiefe Sehnsucht führte ihn zu dem, was er als die Reste der
griechischen Kunst im Süden ansah. Da glaubte er in der Art und
Weise, wie aus der griechischen Weltanschauung heraus die Natur-
geheimnisse in den künstlerischen Gestaltungen verfolgt worden sind,
die Geistigkeit der Natur zu erkennen.

Dann, möchte ich sagen, machte das Ganze, was er da in Italien


absolviert hatte, in seiner eigenen Seele eine Verwandlung durch. Wir
sehen diese Verwandlung sich ausleben in der intimen Gestaltung, die
er dem «Märchen» von der grünen Schlange und der schönen Lilie
gegeben hat, wo er aus gewissen traditionellen Begriffen über Schön-
heit, über Weisheit, über Tugend und Kraft seinen Tempel formte mit
den vier Königen.

Wir sehen, wie dann aus dieser Vorstellungswelt heraus, angeeifert


durch Schiller, Goethe am Ende des 18. Jahrhunderts zurückkehrt zu
seinem «Faust». Und dieses zweite Stadium seiner «Faust»-Arbeit
drückt sich ja insbesondere dadurch aus, daß er den «Prolog im Him-
mel» hingestellt hat, jene wunderschöne Dichtung, die mit den Wor-
ten beginnt: «Die Sonne tönt nach alter Weise in Brudersphären
Wettgesang.» Da steht dann, so wie Goethe jetzt die Faust-Dichtung
umfassen will, Faust nicht mehr als eine einzelne Person da, die es
nur mit sich selber zu tun hat; da steht gewissermaßen der Kosmos
mit den auf- und absteigenden Weltenkräften, und hineingestellt in
diesen Kosmos der Mensch, um den die guten und die bösen Mächte
ringen. Da ist Faust in den ganzen Kosmos hineingestellt. Goethe hat
gewissermaßen das Problem, das für ihn zunächst bloß ein Mensch-
heitsproblem war, zum Weltenproblem ausgedehnt.

Und eine dritte Phase tritt dann ein, als Goethe in den zwanziger


Jahren des 19. Jahrhunderts daran geht, den «Faust» zu vollenden.
Da sind wieder ganz andere Gedankenformen in seiner Seele vorhan-
den als am Ende des 18. Jahrhunderts, da er den «Prolog im Himmel»
dichtete und alte Naturvorstellungen, vergeistigte Naturvorstellungen
damals zu Hilfe genommen hatte, um das Faust-Problem zu einem

kosmischen Problem zu machen. In den zwanziger Jahren, als er am


zweiten Teile «Faust» zu Ende arbeitet, da will Goethe dann wie-
derum aus der menschlichen Seele heraus alles gewinnen, gewisser-
maßen wiederum das Seelenwesen zum Allwesen erweitern.

Wir sehen, wie er dramatisch - selbstverständlich kann er das nur


in äußeren Gestaltungen machen -, wie er aber innere Wege der Seele
darstellt in der klassischen Walpurgisnacht, in dem Wieder-Aufleben-
lassen der Helena-Szene, die allerdings schon früher, aber nur als
Episode, entstanden war, und wie er dann das innere Erleben, das zu
gleicher Zeit ein kosmisches Erleben in der Seele ist, wenn dieses Er-
leben geistig wird, wie er das in dem großen Schlußtableau des
«Faust» zu Ende zu führen versucht. Da mündet «Faust» allerdings
ein in das christliche Element. Allein, ich habe schon gestern gesagt,
dieses christliche Element entwickelt sich ja nicht aus der Seele des
Faust heraus, sondern es ist gewissermaßen angeleimt. Goethe hat sich
in die Form des katholischen Kultus vertieft und leimt dieses chri-
stianisierende Element an den «Faust» an, so daß zwischen dem Rin-
gen des Faust und diesem Einmünden in das durchchristete Welten-
tableau doch nur ein äußerer Zusammenhang ist. Selbstverständlich
setzt das den «Faust» nicht herunter, aber es ist doch so, daß man
sagen muß: Goethe, der im tiefsten Sinne des Wortes gerungen hat,
darzustellen, wie im irdischen Leben selber die Geistigkeit gefunden
werden sollte, ihm ist es eigentlich nicht gelungen, dieses Finden der
Geistigkeit im irdischen Leben irgendwie darzustellen. Er hätte dazu
kommen müssen, das Mysterium von Golgatha in seinem Vollsinne zu
begreifen, zu begreifen, wie wirklich aus kosmischen Weiten herunter-
gestiegen ist die Christus-Wesenheit in den Menschen Jesus von
Nazareth, sich verbunden hat mit der Erde, so daß, wenn man seither
den Geist sucht, der im Tatensturm auf und ab wallt, eigentlich der
Christus-Impuls im Erdenleben gefunden werden müßte.

Man möchte sagen, daß Goethe niemals den Erdengeist, der im


Tatensturm, im Zeitenweben auf und ab wallt, in Zusammenhang
bringen konnte mit dem Christus-Impuls, das ist in gewissem Sinne
etwas, was wir als eine Art Tragik empfinden, die aber selbstver-
ständlich dadurch gegeben ist, daß in jener Zeit menschlicher Ent-

Wickelung, in der Goethe stand, eben durchaus noch nicht die Be-


dingungen da waren, um das Mysterium von Golgatha in seinem
Vollsinne zu empfinden. Und dieses Mysterium von Golgatha kann
eigentlich in seinem Vollsinne nur empfunden werden, wenn die
Menschen das, was sie im fünften nachatlantischen Zeitraum als die
toten Gedanken haben, wiederum zu beleben verstehen. Heute spricht
noch sehr viel Vorurteil und Vorempfindung und auch Vorwille gegen
das Lebendigmachen der Gedankenwelt. Aber die Menschheit muß
dieses Problem lösen: die Gedankenwelt, die, wenn der Mensch konzi-
piert beziehungsweise geboren wird, als der Leichnam des Geistig-
Seelischen in die menschliche Natur eintritt, diese Gedankenwelt wie-
derum zu beleben, diesen Leichnam der Gedanken, der Vorstellungen,
zu einem Lebendigen zu machen. Das kann aber nur geschehen, wenn
die Gedanken umgewandelt werden zunächst in Imaginationen, und
wenn dann die Imaginationen zu Inspirationen und Intuitionen er-
höht werden. Denn was gebraucht wird, ist volle Menschenerkenntnis.
Nicht eher wird das, was ich gestern vor Sie hinstellte, in seinem Voll-
sinne begriffen werden: daß die Welt, wie sie um uns herum ist, eine
große Frage, und der Mensch selbst die Antwort ist, was im tiefsten
Sinne eben mit dem Mysterium von Golgatha hat gegeben werden
sollen. Nicht eher wird das begriffen werden, als bis der Mensch wie-
derum begriffen werden kann.

Setzen wir noch einmal rein schematisch diesen dreigliedrigen


Menschen vor uns hin: den Kopfmenschen oder Nerven-Sinnesmen-
schen in dem gestern wiederum besprochenen Sinne; den rhythmischen
Menschen, den Brustmenschen; und den Stoffwechsel-Gliedmaßen-
menschen.

Indem man heute den Menschen betrachtet, nimmt man ihn so, wie


er einem als äußerliche Gestaltung entgegentritt. Wer heute im Sezier-
saal den Menschen auf den Seziertisch legt, der hat nicht ein tiefes
Gefühl davon, indem er zum Beispiel den Kopf des Menschen unter-
sucht, daß er etwas ganz anderes vor sich hat als wenn er, sagen wir,
einen Finger untersucht. Der Muskel des Fingers wird in derselben
Weise beurteilt wie der Muskel des Kopfes. Aber man muß wissen,
daß der Kopf des Menschen im wesentlichen eine metamorphosische

Umgestaltung des Gliedmaßen-Stoffwechselorganismus von der vo-


rigen Inkarnation ist, daß der Kopf also in bezug auf seine Entwik-
kelung etwas ganz anderes ist als der heutige Gliedmaßenmensch.

Nun, wenn man sich einmal durchgerungen hat zu einer inneren


Anschauung des dreigliedrigen Menschen, dann wird man auch wie-
derum zu einer Anschauung kommen können über das, was aus dem
Kosmos heraus mit diesem dreigliedrigen Menschen zusammenhängt.
Wir sind eigentlich als äußere menschliche Wesenheit nur durch un-
sere Kopforganisation dem Festen oder Irdischen einverleibt. Wir
wären niemals ein Wesen, das als Festes, als Irdisches anzusprechen
wäre, wenn wir nicht unsere Kopforganisation hätten, die aber ein
Nachklang ist der Gliedmaßenorganisation von der vorigen Inkarna-
tion. Daß wir auch feste Bestandteile in den Gliedmaßen, in den Hän-
den, in den Füßen haben, das ist eine Ausstrahlung des Kopfes. Der
Kopf ist dasjenige, was uns zum Festen macht. Alles, was fest in uns
ist, was irdisch ist, das geht in seinem Kraftverhältnis vom Kopfe aus.

Wir können sagen: im Kopfe liegt das Feste, die Erde, in uns (siehe


Zeichnung). Und alles das, was sonst fest in uns ist, das strahlt über

ganzen Menschen durchsetzt als seine Körperwärme. In Wahrheit ist


das, was im Stoffwechsel geschieht und was durch unsere Bewegungen
geschieht, ein Herauforganisieren des luftförmigen Elementes, des gas-
förmigen Elementes in das Wärmeelement, in das feurige Element. In-
dem wir herumgehen, verbrennen wir fortwährend die luftförmig ge-
wordenen Elemente unserer Nahrungsstoffe; und auch wenn wir nicht
herumgehen im gewöhnlichen Leben des Menschen, geschieht es fort-
während, daß, indem die Nahrungsmittel bis zum Luftförmigen getrie-
ben sind, sie verbrennen und in das Wärmeelement übergehen. So daß
ich sagen kann, der Gliedmaßen-Stoffwechselmensch lebt im luftför-
mig-feurigen Elemente.

Nerven-Sinnesmensch: erdig-wässeriges Element

Rhythmischer Mensch: wässerig-luftförmig

Gliedmaßen-Stoffwechselmensch: luftförmig-feurig.

Dann geht es hinauf ins Ätherische, ins Lichtförmige, in die Äther-
bestandteile des Menschen, in den ätherischen Leib. Wenn der Mensch
durch seinen Stoffwechsel-Gliedmaßenorganismus alles in die Wärme
übergeführt hat, dann geht es in den Ätherleib hinauf. Da schließt
sich der Mensch zusammen mit dem Äther, der die ganze Welt aus-
füllt, da gliedert er sich an den Kosmos an.

Solche Vorstellungen, wie ich sie Ihnen hier schematisch entwickle,


sie lassen sich durchaus, wenn der Mensch innerlich plastisch-musika-
lischen Sinn hat, ins Künstlerische, ins Poetische umgestalten. Und
man könnte bei einer solchen Dichtung wie der Faust-Dichtung durch-
aus das, was man weiß, auch im künstlerischen Gestalten zum Aus-
drucke bringen, wie gewisse kosmische Geheimnisse, sagen wir, im
siebenten Bilde meines ersten Mysteriums zur Darstellung gekommen
sind. Da kommt man zu der Möglichkeit, den Menschen wiederum im
Anschlüsse an den Kosmos zu schauen. Aber dann darf man eben
nicht das, was einem der Verstand über die äußere Natur gibt, auf
den Menschen anwenden. Dann muß man sich klar sein: studierst du
die äußere Natur und dann den menschlichen Kopf geradeso wie die
äußere Natur, dann studierst du etwas, was gar nicht herein gehört
in diese äußere jetzige Natur, sondern was von der vorigen Inkar-

nation kommt. Das studierst du so, wie wenn es aus dem jetzigen


Momente heraus entstanden wäre; aber es ist nicht aus dem jetzigen
Momente heraus entstanden, könnte auch niemals aus einem jetzigen
Momente heraus entstehen; denn aus den Naturkräften, die da sind,
könnte niemals ein menschliches Haupt entstehen. Daher darf das
menschliche Haupt nicht studiert werden nach gegenständlicher Er-
kenntnis, wie sie der Verstand gibt, sondern nach imaginativer Er-
kenntnis. Also das menschliche Haupt wird man nicht früher erken-
nen, als bis man es nach imaginativer Erkenntnis studiert.

Beim rhythmischen Menschen, da geht schon alles hinein ins Be-


wegte. Da haben Sie es mit dem flüssigen und dem luftförmigen
Elemente zu tun. Der rhythmische Mensch ist ein Anfang zwischen
dem wässerigen und dem luftförmigen Elemente. Da wogt alles. Und
die äußeren festen Bestandteile in unserer Brust sind nur das, was der
Kopf hineinstrahlt in dieses Wogen. Wollen wir also den rhythmischen
Menschen studieren, so müssen wir sagen, in diesem rhythmischen
Menschen wogen ineinander wässeriges Element und luftförmiges
Element (siehe Zeichnung, grün, gelb). Und da hinein sendet dann das
Haupt, der Kopf die Möglichkeit, daß feste Bestandteile, wie sie in der
Lunge und so weiter sind, da drinnen vorhanden sein können (weiß).

Dieses Wogen, das die wirkliche Gestaltung des rhythmischen Men-


schen ist, das läßt sich nur durch Inspiration studieren. So daß der
rhythmische Mensch nur durch Inspiration studiert werden kann.

Und der Gliedmaßen-Stoffwechselmensch - das ist das fortwäh-


rende Brennen der Luft in uns. Sie stehen darinnen, Sie fühlen sich
in Ihrer Wärme als Mensch, aber das ist eine sehr dunkle Vorstellung.
Im Ernste kann man das nur studieren durch Intuition, wo die Seele
im Objekte darinnen steht. Nur Intuition kann zum Stoffwechsel-
Gliedmaßenmenschen führen.

Der Mensch wird immer ein Unbekanntes bleiben, wenn er nicht


mit Imagination, Inspiration und Intuition studiert wird. Er wird
immer dastehen vor dem Menschen als diese äußerliche Gestalt, die er
für das heutige populäre und auch für das heutige wissenschaftliche
Vorstellen ist. Dabei darf es nicht bleiben. Der Mensch muß wieder
erkannt werden. Wenn Sie den Menschen nur in seinen festen Be-
standteilen studieren, wenn Sie nur die Zeichnungen nehmen, die heute
in den Anatomiebüchern stehen, dann studieren Sie es schon ohnedies
nicht richtig, weil Sie es imaginativ studieren sollten, weil alle diese
Zeichnungen, die man von den festen Bestandteilen des menschlichen
Organismus macht, als Bilder vom vorigen Erdenleben genommen
werden sollten. Schon das ist das erste. Aber was dann im feineren
Menschen in den physischen Bestandteilen lebt, das kann erst durch
Inspiration, und das andere, das Luft- und Wärmeförmige, erst durch
Intuition studiert werden. Das sind die Dinge, die ins europäische
Bewußtsein hineinkommen müssen, die in die ganze moderne Zivili-
sation hineinkommen müssen. Ohne daß wir dieses in die ganze mo-
derne Zivilisation hineinbringen, kommen wir eben durchaus mit die-
ser Zivilisation nicht zu einem Aufbau, sondern nur zu einem Abbau.

Wer Goethe versteht, wer versteht, was er in seinem «Faust»


wollte, der fühlt schon, daß er eigentlich, ich möchte sagen, durch ein
gewisses Tor durch wollte. Überall ringt er mit der Frage: Wie steht
es eigentlich mit diesem Menschen? - Als ganz junger Mensch hat
Goethe angefangen, die menschliche Gestalt zu studieren. Lesen Sie
seine Abhandlung vom Zwischenknochen und auch das, was ich dar-
über in meinen Ausgaben von den Naturwissenschaftlichen Schriften

Goethes geschrieben habe; überall will er an den Menschen heran. Er


versucht es zuerst auf anatomisch-physiologische Weise; dann ver-
sucht er es in den neunziger Jahren auf mehr moralische Weise durch
Vorstellungen, die wir dann in dem «Märchen» von der grünen
Schlange und der schönen Lilie finden. Und dann will er den Men-
schen, wie er in der Welt drinnensteht, schildern im «Faust». Er
möchte durch ein Tor hindurch, um einzusehen, wie dieser Mensch
in der Welt drinnensteht. Aber er hat nicht die Elemente dazu, er
kann es nicht.

Als Calderon seinen «Cyprianus» schrieb, da war das Ringen noch


auf einer vorhergehenden Stufe. Da sehen wir, wie Justina sich dem
Satan entreißt, wie dann Cyprianus wahnsinnig wird, wie sie sich
im Tode finden, wie in dem Momente, als sie auf dem Schafott endi-
gen, ihre Erlösung geschieht: oben erscheint die Schlange mit dem
darauf reitenden Dämon, der selber verkündigen muß, sie seien erlöst.

Da sehen wir, wie in der Zeit, in der Calderon seinen «Cyprianus»


geschrieben hat, deutlich gesagt werden soll: Hier im Erden-
leben findet ihr das Göttlich-Geistige nicht. Ihr müßt erst sterben, ihr
müßt erst durch den Tod gehen, dann findet ihr das Göttlich-Geistige,
jene Erlösung, die ihr durch den Christus finden könnt. Da ist man
noch weit davon entfernt, das Mysterium von Golgatha zu verstehen,
durch das doch der Christus auf die Erde niedergestiegen ist; dort
müßte er also auch zu finden sein. Es ist noch zuviel Heidnisches, zu-
viel Jüdisches in den Vorstellungen des Calderon, um das christliche
Empfinden schon voll zu haben.

Dann ist natürlich wiederum einige Zeit vergangen, bis Goethe an


seinem «Faust» arbeitete. Goethe fühlt schon die Notwendigkeit:
Faust muß hier auf der Erde seine Erlösung finden können. Goethe
hätte die Frage so stellen müssen: Wie findet Faust die Bewahrheitung
der Paulinischen Worte: «Nicht ich, sondern der Christus in mir»?
Goethe hätte dazu kommen müssen, seinen Faust nicht nur sagen zu
lassen: «Auf freiem Grund mit freiem Volk zu stehen», sondern: Auf
freiem Grund, mit dem Christus in der Seele, den Menschen im Erden-
leben zum Geiste führend. - So etwa müßte Goethe seinen Faust sagen
lassen. Goethe ist natürlich ehrlich; er sagt es nicht, weil er es noch

nicht voll erfaßt hat. Aber Goethe strebt nach diesem Erfassen.


Goethe strebt nach etwas, was eigentlich erst erfüllt werden kann,
wenn man sagt: Erkenne den Menschen durch Imagination, Inspira-
tion, Intuition. - Daß das so ist, gibt demjenigen, der sich Goethe
naht, das Gefühl, daß in Goethes Ringen, in Goethes Streben eigent-
lich viel mehr ist, als sich dann irgendwie ausgelebt hat, als dann in
die moderne Zivilisation übergegangen ist. Man kann vielleicht
Goethe nur erkennen, wenn man es so macht, wie ich es in meinen
Jugendschriften gemacht habe, wo ich versuchte, dasjenige darzustel-
len, was gewissermaßen unbewußt als eine Weltanschauung in Goethe
lebte. Aber es ist ja im Grunde genommen so gewesen, daß in der Ge-
genwart doch die Menschheit diesem Suchen wenig Verständnis ent-
gegenbringt.

Wenn ich auf dieses ganze Verhältnis hinschaue innerhalb der mo-


dernen Zivilisation, dann muß ich mich immer wieder erinnern an mei-
nen alten Lehrer und Freund Karl Julius Schröer. Und namentlich
daran, wie Schröer selber, als er in den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts am «Faust» und an den ändern Goetheschen Dramen ar-
beitete, Kommentare, Einleitungen gab, wie er eigentlich gar nicht

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