Seminar für allgemeine pädagogik


Psychologisch orientierte Theorien



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5. Psychologisch orientierte Theorien

5.1 Karl Bühler: Die drei Funktionen der Sprache


Literatur

Bühler, K.: Die Krise der Psychologie. Berlin 1927. (Neudruck 1970)

Bühler, K.: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart 1982. (Erstveröffentlichung 1934)

Bühler, K.: Die Axiomatik der Sprachwissenschaften. Nachdruck 2. Aufl. Frankfurt/M. 1976. (erstveröffentlicht 1933)

Der Psychologe Karl Bühler (1879-1963) gehört zu den bedeutendsten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Er lehrte seit 1915 in München, seit 1918 in Dresden, seit 1922 in Wien. Wegen des Anschlusses Österreichs an Hitlerdeutschland emigrierte Bühler 1938 mit seiner Frau Charlotte Bühler (1893-1974), ebenfalls eine bedeutende Psychologin, in die USA.

Bühler ist Schüler von Oswald Külpe (des Begründers der Würzburger Denkpsychologie) und leistete wichtige Beiträge zur Psychologie des Denkens und des Willens. Seine Entwicklungspsychologie bildete die wissenschaftliche Grundlage der österreichischen Schul- und Bildungsreform der zwanziger Jahre. Bühler leistete ebenso grundlegende Beiträge zur Gestalt-, Ausdrucks- und Sprachpsychologie wie zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Psychologie; eines seiner bekanntesten Werke der zwanziger Jahre trug den Titel „Die Krise der Psychologie“ (1927).

Bühler unterschied in seiner Sprachtheorie drei Funktionen: Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion. Im einzelnen bedeuten diese drei Funktionen:


  • Darstellungsfunktion: mittels des Symbols stellt die Sprache den Bezug her zu Gegenständen, Erkenntnissen und Sachverhalten;

  • Ausdrucksfunktion: mittels des Symptons stellt sie den Bezug zum Sender/Sprecher her, indem sie dessen Befindlichkeit zum Ausdruck bringt;

  • Appellfunktion: mittels des Signals teilt sie dem Empfänger/Hörer eine (meist sozial relevante) Nachricht mit.

Den historischen Anknüpfungspunkt seiner Sprachtheorie fand Bühler bei Platon, der den Werkzeugcharakter der Sprache betonte (Werkzeug = griech. organon, lat. organum). Betrachten wir nun das folgende Schema, indem wir uns - entsprechend Bühlers Vorschlag - drei Punkte im Raum vorstellen, die mit einem zentralen Punkt (Mitte) verbunden sind:

die Dinge




organum
einer der andere

Ausgangsform des Sprachmodells von Bühler (1976, S. 94 )

Das Zentrum bildet die Sprache als Werkzeug (organum), d.h. als Mittel der Kommunikation. Bühler gewinnt die drei Funktionen der Sprache, indem er vom Individuum ausgeht. Der einzelne Mensch erkennt die Dinge über das Medium der Sprache. Mit Hilfe der Sprache kann er die Welt, Sachverhalte, Ereignisse darstellen. Darstellung ist die erste Funktion der menschlichen Sprache. In dieser Funktion wird sie auch Mittel der Kommunikation zwischen Individuen („einer“ - „der andere“).

Die zweite Beziehung ist durch das Verhältnis zwischen Sprachlaut und Sprecher (Sender) gegeben: Diese Beziehung ist Ausdruck bzw. Ausdrucksverhalten (ein früher benutzter Terminus Bühlers dafür war „Kundgabe“). Der einzelne drückt mit Hilfe von Lautzeichen einen seelischen Zustand aus.

Die Frage, ob dies von anderen wahrgenommen wird, ist dabei unerheblich. Watzlawick, der die Bühlersche Theorie offenbar nicht kannte, erfährt hier insofern eine Korrektur, als Bühlers Theorem uns nachdrücklich darauf hinweist, daß Ausdrucksverhalten keines weiteren Kommunikanten bedarf. Der Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“ würde hier Geltung haben, aber er macht in einer Einzelsituation keinen Sinn, sondern nur dann, wenn der Sender eine Chance hat, von einem Empfänger wahrgenommen zu werden.

Die dritte Beziehung ergibt sich als Relation des Lautzeichens zum Adressaten (zum „anderen“). Dies ist die Appellfunktion. Bühler sagt:

Es ist nicht wahr, daß alles, wofür der Laut ein mediales Phänomen, ein Mittler zwischen Sprecher und Hörer, ein „Stellvertreter“ ist, durch den Begriff „die Dinge“ oder durch das adäquatere Begriffspaar ‘Gegenstände und Sachverhalt’ getroffen wird. Sondern das andere ist wahr, daß im Aufbau der Sprechsituation sowohl der Sender als Täter der Tat des Sprechens , der Sender als Subjekt der Sprechhandlung, wie der Empfänger als Angesprochener, der Empfänger als Adressat der Sprechhandlung, eigene Positionen inne haben. Sie sind nicht einfach ein Teil dessen, worüber die Mitteilung erfolgt, sondern sie sind die Austauschpartner, und darum letzten Endes ist es möglich, daß das mediale Produkt des Lautes je eine eigene Zeichenrelation zum einen und zum anderen aufweist. Wir nennen die semantische Relation des Lautzeichens zum Täter der Sprechtat den Ausdruck und die semantische Relation des Lautzeichens zum Adressaten den Appell. (Bühler 1976, S. 102)

Ausdrucks- und Appellfunktion der Sprache finden sich in der Tierwelt in mannigfacher Weise, wobei nicht nur akustische, sondern vor allem auch optische und olfak­torische Signale eine Rolle spielen (z.B. das Federkleid der Vögel, das Sekret des Stinktieres, die Tänze der Bienen). Die übermittelten „Botschaften“ geben entweder Auskunft über die eigene Befindlichkeit (Ausdrucksfunktion), dienen dem eigenen Schutz oder haben für Artgenossen Hinweischarakter (Appell-/Signalfunktion); sie bedeuten z.B. Warnung vor Gefahr, Paarungsbereitschaft, Grad der Nähe/Entfernung und Qualität von Futterplätzen.

Demgegenüber ist die Darstellungsfunktion allein der menschlichen Sprache vorbe­halten. Die Möglichkeit, mittels diskreter, wohlunterscheidbarer Zeichen (Laut- bzw. Schriftsymbolen) Sachverhalte darzustellen, die unabhängig von agierenden Per­sonen, Trieb- oder Schutzbedürfnissen existieren, ist Grundvoraussetzung für das Er­kennen von „Welt“ und ermöglicht kulturelle Überlieferung (Tradition). Denken wir an das vierte pragmatische Axiom Watzlawicks, kann folgende Unterscheidung getroffen werden: Während Ausdrucks- und Appellfunktion im Sinne Bühlers im analogen Sprachmodus auftreten können, ist die Darstellungsfunktion der menschlichen Sprache allein auf den digitalen (lexikalischen) Modus angewiesen. In reiner Form manifestiert sich die Darstellungsfunktion der Sprache im Schriftsystem, auch wenn in einigen Sprachen, wie im Chinesischen und Japanischen, in bestimmten Schriftzeichen die Analogie zum dargestellten Begriff noch erhalten geblieben ist. Das von Bühler entwickelte „Organon-Modell“ der Sprache hat die folgende Endgestalt:




Gegenstände und Sachverhalte

Empfänger

Sender

Darstellung

Z

Ausdruck

Appell


Das Organon-Modell der Sprache nach Karl Bühler (1976, S. 116)

Bühler erläuterte sein Modell:

Der Kreis in der Mitte symbolisiert das konkrete Schallphänomen. Drei variable Momente an ihm sind berufen, es dreimal verschieden zum Rang eines Zeichens zu erheben. Die Seiten des eingezeichneten Dreiecks symbolisieren diese drei Momente. Das Dreieck umschließt in einer Hinsicht weniger als der Kreis (Prinzip der abstrakten Relevanz). In anderer Richtung wieder greift es über den Kreis hinaus, um anzudeuten, daß das sinnlich Gegebene stets eine apperzeptive Ergänzung erfährt. Die Linienscharen symbolisieren die definierten semantischen Relationen des Sprachzeichens. Es ist Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und Sachverhalten, Anzeichen (Indicium) kraft seiner Abhängigkeit vom Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert wie andere Verkehrszeichen. (Bühler 1976, S. 116 f.)


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