Adorno und die Kabbala (Pri ha-Pardes; 9)



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Ziel dieser philosophisch-essayistischen Verfahrensweise ist es, „das eta-
blierte Bewusstsein, den Alltagsverstand, zu irritieren und aufzustören […], in 
einem spezifischen Medium des Allgemeinen, der Sprache […] den Konfor-
mismus, die gesellschaftliche Arbeitsteilung und den tautologischen Charakter 
von Begriffen zu unterlaufen.“
45
 So soll die Sprachform selbst durch genaue 
Wortwahl Medium von Ideologiekritik werden.
46
 Adornos Texte verstricken 
Begriffe und Topoi nicht selten in äußerste Aporien und Antinomien, in über-
steigerte Zuspitzungen ihrer Extreme, die so zum Zerbrechen gebracht werden 
sollen. Dieses dialektische Verfahren erzeugt „Kippfiguren“
47
, die, wie man sie 
auch wendet, keinen Halt gewähren wollen, in verschiedenen Texten mal von 
der einen, mal von der anderen Seite aufgebaut oder kritisiert werden, so dass 
man die unterschiedlichen Äußerungen gegeneinander ausspielen kann – oder 
aber als dialektische Behandlungen einer widersprüchlich verfassten Wirklich-
keit verstehen. So begreift Adorno seine einzelnen Analysen als miniaturhafte 
Abbildungen, als „Modelle“ des jeweils problematisierten Sachverhalts.
48
 Seine 
„Utopie der Erkenntnis wäre, das Begriffslose mit Begriffen aufzutun, ohne 
es ihnen gleichzumachen.“ (GS 6, 22)
49
 Dazu werden Termini nicht nur bis 
zum  Widerspruch  entfaltet,  sondern  auch  verschiedene  Begriffe  verwendet 
(„herbei zitiert“), um den Gegenstand in deren konstellativer Anordnung zu 
treffen. Ich möchte hier nur auf  eine Tendenz hinweisen: Freilich gibt es bei 
Adorno  viele  konsequent  und  spezifisch  benutzte  Begriffe.  Diese  Tendenz 
zeigt sich aber unter anderem an einem Umstand, der zumindest religions-
philosophisch  zunächst  irritiert:  Adorno  grenzt  die  Begriffe  Metaphysik 
und Theologie zum Teil durchaus voneinander ab, verwendet sie zum Teil 
aber auch austauschbar. Deren Inhalt wird mal als „Sakrales“, als „Absolu-
tes“ oder als „Transzendenz“ bezeichnet. Auch die Begriffe Säkularisierung, 
45 
Demirovic. 
Der nonkonformistische Intellektuelle.  S. 684.  Zur  soziologischen  Systematisierung 
dieses  ‚nonkonformistischen‘  Standpunkts  vgl.  Martin. 
Denken im Widerspruch.  –  „Je  tiefer 
der Kritiker in der eigenen Bedeutungslosigkeit versinkt, desto stärker wird sein Bedürfnis, 
sich  durch  Gesten  der  Radikalität  von  den  profanen  Gebrauchsschreibern  abzugrenzen, 
zu denen nicht zu gehören in der Epoche etablierten Stumpfsinns sein einzig verbliebenes 
Distinktions merkmal ist.“ (Klaue. 
Verschenkte Gelegenheiten. S. 7).
46 
Vgl. Braunstein/Hesse. 
Philosophie als Mähmachendes.
47 
Vgl. Wussow. 
Logik der Deutung. S. 20.
48 
„Das Modell trifft das Spezifische und mehr als das Spezifische, ohne es in seinen allgemei-
neren Oberbegriff  zu verflüchtigen. Philosophisch denken ist so viel als in Modellen denken 
[…].“ (GS 6, 39).
49 
Vgl. Tiedemann. 
Begriff, Bild, Name.


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Profanisierung, Rationalisierung oder Entmythologisierung können synonym 
verwendet oder gegeneinander gestellt werden.
50
 „Die gleitenden Übergänge 
sind nicht notwendig ein Makel der Theorie, denn dadurch kann er ihre Beweg-
lichkeit für die konkrete Arbeit erhalten.“
51
 Die langen begriffsgeschichtlichen 
Debatten, die sich mit den einzelnen Terminologien verbinden, sollen weniger 
ignoriert als konterkariert werden.
52
 Der eben zitierte Philipp von Wussow dif-
ferenziert entsprechende Begriffe Adornos und macht sie durch diese philo-
sophische Kritik einer weiterführenden Diskussion fruchtbar. Im Folgenden 
wird es nicht näher um die, wenngleich verführerische, Metadiskussion einer 
solchen philosophischen Vorgehensweise gehen, sondern eben um Adornos 
Marginalien zur Kabbala. Dazu soll versucht werden, der terminologischen 
„Beweglichkeit“ tendenziell zu folgen und derart die argumentativen Figuren 
deutlich werden zu lassen, die unter der Oberfläche wechselnder Begrifflich-
keiten auftauchen und sich dabei als keineswegs inkohärent erweisen. Im Fol-
genden wird somit nur gelegentlich zu diskutieren sein, warum Adorno im 
konkreten Fall vom Absoluten oder von Transzendenz, von Säkularisierung 
oder Profanisierung, von Theologie oder Metaphysik spricht, weil er die zur 
Rede  stehenden  ‚mystischen‘  Motive  schlicht  unter  verschiedenen  begriffli-
chen Deckmänteln bemüht.
50 
Liedke. 
Naturgeschichte und Religion.  S. 147–214,  hat  die  Begriffe  der  ‚Entmythologisierung‘, 
‚Säkularisierung‘, ‚Entzauberung‘ und ‚Rationalisierung‘ sowie Adornos Auseinandersetzung 
mit den einschlägigen soziologischen und philosophischen Theorien untersucht, kommt 
dabei  aber  ebenfalls  immer  wieder  zu  dem  Fazit,  dass  diese  Termini  Facetten  desselben 
(religions-) geschichtlichen Prozesses behandeln sollen.
51 
Wussow. 
Logik der Deutung. S. 186.
52 
Etwa  in  folgender  Rückanbindung  des  Metaphysikbegriffs  an  den  der  Theologie:  „Meta-
physik ist gegenüber der Theologie nicht bloß, wie nach positivistischer Doktrin, ein histo-
risch späteres Stadium, nicht nur die Säkularisation der Theologie in den Begriff. Sie bewahrt 
Theologie auf  in der Kritik an ihr, indem sie den Menschen als Möglichkeit freilegt, was die 
Theologie ihnen aufzwingt und damit schändet.“ (GS 6, 390).


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