Historischer Verein für Ermland
VIII
Sommer 2010
Fortsetzung von Seite VII
sten Weise missbraucht worden ist.
Und wir glauben nicht fehl zu ge-
hen, wenn wir in einem dieser da-
malig die polnische Propaganda im
Ermlande betreibenden Geistlichen
- der heute das geistliche Kleid üb-
rigens nicht mehr trägt - , sondern
mit der Kirche zerfallen ist – den
Schreiber des Artikels vermuten.
Damit haben sich die ganzen Aus-
fälle auch von selbst gerichtet, und
sie sind gekennzeichnet als elende
Verleumdung des ermländischen
Klerus und Volkes. Sich noch mit
weiteren Einzelheiten des Artikels
näher zu befassen, erübrigt sich.
Protest des Dompropstes Sander
von Frauenburg
Wir geben nachstehend ein Pro-
testschreiben wieder, das uns in
dieser Angelegenheit soeben von
Dompropst Prälat Sander aus Frau-
enburg zugeht und das zeigt, was
von dem Pamphlet der „Gazeta
Gdańska“ zu halten ist. Herr Dom-
propst Prälat Sander schreibt uns:
In der Gazeta Gdańska hat ein an-
onymer Schreiber gegen den deut-
schen ermländischen Klerus den
hässlichen Anwurf geschleudert, es
seien nirgendwo die Antipathien ge-
gen Rom so stark wie im Ermland.
Der Schlusssatz des hässlichen Ela-
borates heißt: „Wir stellen die Tat-
sache fest, dass die deutschen
Geistlichen Ermlands gegen den Hl.
Vater vorgehen ..., wir stellen die
Tatsache fest, dass die Bemühun-
gen, die Geistlichkeit Ermlands
durch Nachgiebigkeit zu gewinnen,
zunichte wurden und eitel sein wer-
den, weil die deutschen Geistlichen
dank den Bemühungen der Preu-
ßen, ex professo dem Luthertum
günstig, aber abgeneigt und häufig
geradezu feindselig gegen Rom ge-
sinnt sind.“
Diese ungeheuerliche Verdächti-
gung des gesamten ermländischen
Klerus wird durch eine ganze Men-
ge aus dem letzten Jahrhundert zu-
sammengetragener Kleinigkeiten
„bewiesen“. Unglücklicherweise für
ihre Beweisfähigkeit haben sie alle
die eine gemeinsame Eigenschaft,
dass sie entweder falsch oder über-
trieben oder zum mindesten ent-
stellt sind.
Ich lebe nun 14 Jahre inmitten
des ermländischen Klerus, und ge-
rade als Nicht-Ermländer kann ich
zu dieser unerhörten Verleumdung
nicht schweigen. Ich brauche zum
Gegenbeweis nicht alle die Unwahr-
heiten, die Schiefheiten, die Über-
treibungen des Schreibens richtig-
zustellen. Es genügt, wenn ich auf
eine Tatsache hinweise, die kein
hinter dem Bretterzaun der Anony-
mität versteckter Schreiber durch
sein Geschreibsel aus der Welt
schaffen kann.
Wo ist die deutsche Diözese, in
der der einheimische Klerus es fer-
tig gebracht hat, durch alle Stürme
aber auch, dass alles dies mehr sei-
ner impulsiven kritischen Natur
entspringt, weiß, dass Dr. Miller
dies auch bei anderen Gelegenhei-
ten tut. Niemand nimmt das im
Ermland tragisch, hat es auch im
vorliegenden Falle nicht genom-
men, weil jeder weiß, dass Pfarrer
Dr. Miller ein so treuer katholischer
Priester ist, der fest und treu zu
Rom steht, wie fester keiner stehen
kann.
Aber die „Gazeta Gdańska“, oder
vielmehr ihr Hintermann, der sich
an dem ermländischen Klerus si-
cher irgendwie glaubt rächen zu
müssen, ergreift eifrig die Gelegen-
heit, um mit diesen bedauerlichen
Wendungen nicht nur den ganzen
ermländischen Klerus zu identifi-
zieren, sondern ihn auch in uner-
hörter Weise zu verleumden und
zu beschimpfen, ihm die Romtreue
abzusprechen. Wir protestieren na-
mens des katholischen Klerus des
Ermlandes, aber auch namens aller
ermländischen Laien gegen den un-
verschämten und lügenhaften Satz
der „Gazeta Gdańska“: „Nirgends in
der Welt unter Katholiken sind na-
tionalistische Tendenzen und Anti-
pathien gegen Rom so stark wie im
Ermland“. Wir protestieren gegen
den Satz: „In der Abstimmungszeit
schikanierte die deutsche katholi-
sche Geistlichkeit in unerhörter
Weise den päpstlichen Nuntius,
den gegenwärtig regierenden hl. Va-
ter“ usw. Uns sind die Dinge, auf
die der Verfasser hier anspielt, die
Vorgänge im Abstimmungskampfe
sehr wohl bekannt, weil wir sie mit-
erlebt haben und wissen, dass sie
unwahr sind. Die Dinge liegen viel-
mehr umgekehrt. Gerade polnische
nationalistische Geistliche hatten
es mit allen Mitteln versucht, den
damaligen Nuntius Ratti zu ihren
politischen Zwecken zu missbrau-
chen, ihn einzuwickeln, was ihnen
nicht gelungen ist. Msgr. Ratti hat
sich nicht missbrauchen lassen,
sondern hat damals diesen polni-
schen Propagandisten im Priester-
gewand sehr deutlich den Ab-
schied gegeben und das damalige
Verhalten der Erzpriesters in Allen-
stein voll und ganz gebilligt, wie der
Schreiber dieser Zeilen es damals
aus dem eigenen Munde Msgr. Rat-
tis vernommen hat. Ebenso ist es
natürlich eine grobe Lüge, wenn be-
hauptet wird, dass man in Allen-
stein Msgr. Ratti das Zelebrieren
der hl. Messe verweigert habe.
Auch was der Schreiber sonst noch
faselt, entbehrt jeder Grundlage
und stellt die Tatsachen entweder
auf den Kopf, oder es werden aus
den wahren Tatsachen die diesen
selbst gerade entgegengesetzten
Schlüsse gezogen.
Die Dinge liegen vielmehr so,
dass gerade von einigen polnischen
Geistlichen in der Abstimmungszeit
das geistliche Kleid zu polnisch-po-
litischer Propaganda in der schwer-
der Jahrhunderte den katholischen
Glauben so geschlossen, so unver-
sehrt zu erhalten, wie es der erm-
ländische Klerus fertiggebracht hat
im Ermland? Fertiggebracht trotz
des 30 jährigen Krieges, der wohl
den Wohlstand des Ermlandes auf
ein Jahrhundert hinaus vernichtet
hat, aber den katholischen Glauben
unbesiegt sehen musste. Fertigge-
bracht trotz 1
½ Jahrhunderte preu-
ßischer Protestantisierungsversu-
che, sie sind, was ihre Gefährlich-
keit betrifft, zusammengebrochen
und gehören der Vergangenheit an,
aber heute noch ist Ermland zu 95-
97 Prozent katholisch dank der
Romtreue seines Volkes, das rom-
treu blieb, weil sein einheimischer
Klerus diese Romtreue pflegte und
erhielt. Einer der in der „Gazeta
Gdańska“ angeführten Kronzeugen
für die Romfeindlichkeit des erm-
ländischen Klerus sagte mir vor ei-
niger Zeit: „Die Politik der Päpste
ist immer weitsichtig, und wenn
man sie auch manchmal nicht ver-
steht, so tut man doch klug, sich auf
ihre Seite zu stellen, denn bei ihr ist
die Weisheit“. So sehen die angeb-
lich romfeindlichen Vertreter des
Klerus hier aus. Hut ab vor der
Rom- und Papsttreue des ermländi-
schen Klerus. Ein Beispiel ist sie für
alle deutschen Diözesen.
Frauenburg. Dompropst Sander.
Aus: Germania vom 11.4.1930
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Ergebenheitsadresse
des ermländischen Domkapitels
Sr. Eminenz
Herrn Staatssekretär Kardinal Pa-
celli
Citta del Vaticano
Frauenburg, Ostpreußen,
Germania, den 27. April 1930.
Eminenz !
Wir, das Domkapitel der Diözese
Ermland, bitten inständigst, unsere
beiliegende Ergebenheitskundge-
bung Sr. Heiligkeit gnädigst überrei-
chen und dazu die nachstehende
Erklärung gütigst entgegennehmen
zu wollen.
1) Nach dem Tode unseres Bi-
schofs (am 9. Februar d. Js.) er-
schien in unserer kath. Ermländi-
schen Zeitung eine von Pfarrer Dr.
Miller in Thiergarth hiesiger Diöze-
se verfasste kurze Lebensskizze
des Verstorbenen (cf. Anlage 1).
Diese Skizze enthält mehrfach
übertriebene und geradezu unwah-
re Darstellungen und maßt sich an,
willkürliche, ungerechtfertigte Sei-
tenhiebe gegen das Verhalten kirch-
licher Instanzen auszuteilen. Der
Artikel ist durch Ungeschicktheit
des Redakteurs in die Zeitung ge-
kommen. Da Dr. Miller als zu Aus-
schreitungen neigender Publizist
hier bekannt ist, wurde seiner Dar-
stellung nicht viel Bedeutung beige-
legt; auch wurde kaum befürchtet,
dass andere Zeitungen davon Notiz
nehmen würden. Dies ist aber nun
doch geschehen (cf. beiliegende
Nummer der Germania in Berlin
mit dem Artikel „Um das Bistum
Ermland“).
Es ist, wie uns scheint, außerhalb
der Diözese die Auffassung aufge-
treten, als ob die Dr. Miller'sche
Darstellung die Meinung des gan-
zen Ermländischen Klerus wieder-
gebe. Das ist keineswegs der Fall.
Im Gegenteil, der Ermländische
Klerus verurteilt mit Entrüstung die
besagte Darstellung, was zu hören
wir öfter Gelegenheit gehabt haben.
Auch der selige Herr Bischof hat
uns wiederholt erklärt, es sei im
Konkordate das Erreichbare er-
reicht worden; der Verlust der
Exemtion sei nicht von großer Be-
deutung; die Abzweigung des Dan-
ziger Bezirks und des Memelge-
biets sei im Interesse des Ganzen
notwendig gewesen.
Wir haben vor einiger Zeit die Un-
terverteilung der unserer Diözese
zufallenden konkordatsmäßigen Do-
tation auf die einzelnen Bedarfs-
zweige vorgenommen und dabei es
praktisch erfahren, dass wir doch
beträchtlich besser wirtschaften
und die Bedürfnisse befriedigen
können, als vordem. Darum Dank al-
len, die beim Zustandekommen des
Konkordats für die kirchlichen Inter-
essen eingetreten sind, vor allem Eu-
er Eminenz liebevollen Sorge.
2) Weitere Entrüstung und geisti-
ge Empörung hat uns verursacht
ein in der polnischen in Danzig er-
scheinenden Zeitung Gazeta Gdańs-
ka veröffentlichter Artikel vom 5. d.
Mts., welcher den Ermländischen
Klerus aufs äußerste herabsetzt
und aufs schwerste verleumdet.
Wir legen diesen Artikel im Original
und in getreuer Übersetzung bei zu-
gleich mit der publizistischen Erwi-
derung des mitunterzeichneten
Dompropstes (Anl. 4 und 5). Wir al-
le pflichten dieser Erwiderung in al-
len Punkten bei und weisen alle
Ausfälle des gehässigen Artikel-
schreibers in der Gazeta Gdańska
als völlig der Wahrheit widerspre-
chend zurück.
Euer Eminenz h. Purpur küssend
verharren in Ehrfurcht und steter
Treue die Domkapitulare der Erm-
ländischen Kathedrale:
[Es folgen die handschriftlichen
Unterschriften]
Dr. Spannenkrebs, Kapitularvikar.
Sander, Dompropst.
Wichert, Domdechant.
Dr. J. Marquardt, Domkapitular.
Romahn, Domherr.
Hennig, Domherr.
Schröter, Domherr.
Hinzmann, Dh.
Krix, Domherr.
Bader, Domherr.
Original in: Archivio degli Affari
Ecclesiastici Straordinari.