Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/121 16. Wahlperiode 15. 09. 2016 121. Sitzung



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Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr …

(Armin Laschet [CDU]: Ich habe nur noch eine Minute!)

– Das war so angemeldet, Entschuldigung. – Dann hat jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Zimkeit das Wort.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Nein!)

Dann habe ich eine weitere Anmeldung für die FDP-Fraktion, Herr Kollege Lindner.

Christian Lindner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, „Bleiben Sie redlich!“ haben Sie den Kollegen der CDU eben zugerufen. Das möchte man Ihnen aber auch empfehlen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben sich eben zu Beginn Ihres Beitrages an mir abgearbeitet. Der Zufall will, dass ich schon das Vorabplenarprotokolls habe. Und ich hatte in meiner ersten Rede gesagt: Im Jahre 2016 gibt es eine schlechtere Entwicklung am Arbeitsmarkt als in allen anderen Flächenländern in Deutschland. Und diese Aussage ist richtig, Frau Ministerpräsidentin.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und das machen Sie ja systematisch so. Wenn Ihnen nicht gefällt, was andere an Fakten vortragen, dann sprechen Sie den Menschen die Kompetenz, die Eignung, die Information ab.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit!)

Das ist ein Zeichen Ihres Charakters und sagt, wo Ihr Problem ist.

(Beifall von der FDP, der CDU und Michele Marsching [PIRATEN] – Erregte Zurufe von der SPD)

Da liegt Ihr Problem!

(Zurufe von der SPD)

Jetzt wollen wir es in öffentlicher Sitzung mal dokumentieren und nachhalten. Studiengebühren nach dem alten NRW-Modell haben junge Menschen vom Studium abgehalten – das haben Sie behauptet. Ich will den Beleg. Bringen Sie den Beleg bei!

Sie haben gesagt, Ingo Wolf habe diesen Satz mit den Fröschen gesagt. Bringen Sie den Beleg bei, oder es ist üble Nachrede, was Sie hier gemacht haben!

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Bringen Sie den Beleg! Jetzt drehen wir den Spieß mal um, Frau Ministerpräsidentin.

Ausländische Direktinvestitionen: Ich möchte gerne einmal eine Analyse dieser ausländischen ominösen Direktinvestitionen haben. Fließen die in Innovationen, oder sind das möglicherweise Gelder aus dem Ausland, mit denen Immobilieneigentum in den Ballungsräumen gekauft wird oder mittelständische Betriebe im Sauerland den Besitzer wechseln? Ich möchte gerne eine Analyse haben: Was ist das, Frau Ministerpräsidentin? Legen Sie das mal vor, wenn Sie damit Politik machen wollen!

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Das möchte ich sehen, nicht nur die absolute Zahl, auch die Struktur, damit wir das interpretieren können, ob es Ausdruck der Stärke oder der Schwäche dieses Landes ist. Bitte nicht immer nur mit Überschriften arbeiten – das sagen Sie ja so gerne.

(Lachen und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

– Okay. Ich wollte eigentlich jetzt zum Ende meines Beitrags kommen. Aber dann gibt es für die Sozialdemokratie noch einen Nachschlag.

(Zurufe von der SPD: Oho!)

Die Ministerpräsidentin hat sich als Lordsiegelbewahrerin wider des Industriestandortes geriert – mit großem Applaus der SPD –, hat hier kritisiert, wie die Energiewende und Schwarz-Gelb gemanagt worden ist. Jetzt halten wir zur Wahrheitsfindung mal fest: Mit Sigmar Gabriel ist nun nichts besser geworden. Mit Barbara Hendricks und beginnend mit dem Backloading bei den CO2-Zertifikaten unmittelbar nach der Bundestagswahl hat sich die nordrhein-westfälische SPD als Abrissbirne für den Industriestandort vorgestellt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das waren Sie! Und der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung kann Ihnen doch genauso wenig gefallen, wie er der IG BCE gefällt. Aber Sie kümmern sich überhaupt gar nicht mehr um die Industriegewerkschaften, weil Sie nur noch am Rockschoß von ver.di hängen, wie man bei Kaiser’s Tengelmann und Edeka gesehen hat.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion der Grünen spricht Herr Kollege Abel.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, wenn Sie das Vorabprotokoll über die erste Runde vor sich haben, dann schauen Sie einmal, was Sie über die Lehrerinnenstellen gesagt haben. Dann überlegen Sie noch einmal, ob das richtig ist. Sie haben in der ersten Runde behauptet, wir hätten 2.000 Lehrerinnenstellen bei den Gymnasien gestrichen. Herr Lindner, das ist falsch!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Laschet, Sie haben kritisiert, wir wären zu schlecht bei U3 und dem Ganztag. Bei einem Blick in den Haushalt 2010 und in den Haushaltsentwurf 2017 stellen Sie fest, dass wir den höchsten Schuletat in der Geschichte des Landes haben. Wir haben 3,8 Milliarden mehr investiert als 2010. Dieser Aufwuchs ist fünf Mal so hoch wie der zwischen 2005 und 2010. Wir haben fünf Mal mehr für Schule, für Bildung investiert als Sie.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Mittel für den offenen Ganztag sind um 25 % gestiegen. Ich kann mich noch an den Landtagswahlkampf 2005, an einen Direktkandidaten im Düsseldorfer Süden, der bis heute Mitglied des Hauses ist, und viele Podiumsdiskussionen erinnern, wo die CDU-Vertreterinnen uns immer vorgeworfen haben, eine ideologische Schulpolitik zu betreiben. Wir wollten den Familien, den Eltern die Kinder wegnehmen, um sie staatlich umzuerziehen. Das war das Credo. Das war nicht 1950, das war CDU 2005, meine Damen und Herren!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sollten auf diesem Feld wirklich kleine Brötchen backen.

Herr Lindner hat in einer unglaublichen Arroganz die Hochschulen dieses Landes kritisiert und schlechtgeredet. Sie haben mit Verweis auf die hervorragenden Hochschulen im Vereinigten Königreich, die es dort ohne Zweifel gibt, suggeriert, es würden sehr viele Studierende aus Nordrhein-Westfalen nach Großbritannien gehen.

(Christian Lindner [FDP]: Auch Schulen!)

– Ja, das ist ja alles okay. – Aber Sie haben suggeriert, unsere Hochschulen wären nur mittelmäßig.

(Christian Lindner [FDP]: Auch die Schulen!)

Sie haben gesagt, Sie wollten nett sein und hätten deshalb „mittelmäßig“ gesagt. Herr Lindner, wir haben von den Top-10-Universitäten in Deutschland sechs, wenn es nach der Größe geht. Wir haben sehr viele mit der Exzellenzinitiative des Bundes. Wir haben mehr Studierende aus Großbritannien an unseren Hochschulen in Nordrhein-Westfalen als andersherum. Hören Sie auf, ein Zerrbild zu zeichnen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben einen sehr guten Hochschulstandort. Wir haben den dichtesten in ganz Europa. Und unsere Hochschulen sind genauso anerkannt wie die Hochschulen in Großbritannien.

Auch hier die Zahlen: Es ist der höchste Wissenschaftsetat. Nordrhein-Westfalen hat 27,3 % aller Studierenden. Wir bilden ein Viertel aller Studierenden aus, und das sind die deutschen Zahlen. Wir haben jetzt einen Wissenschaftsetat von mehr als 8,4 Milliarden. Damit liegt er 2,6 Milliarden bzw. 44 % über dem Niveau des Jahres 2010.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Ja, die Studiengebühren! Herr Witzel, Sie sind doch Haushälter. Sie wissen doch ganz genau, dass die Forderung nach einer Wiedereinführung der Studiengebühren haushalterisch nur dann Sinn macht, wenn den Hochschulen das Geld wieder weggenommen wird. Das ist überhaupt kein Qualitätsgewinn. Die Hochschulen haben dadurch null mehr Mittel, und Sie verbauen damit den jungen Menschen den Zugang zu unserem Bildungssystem. Das ist das Einzige, was wir von den Studiengebühren haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Das ist doch nicht wahr!)

Selbst mit den Studiengebühren von 250 Millionen, ohne die Qualitätsverbesserungsmittel wären wir nicht bei 2,6 Milliarden €, sondern bei 2,3 Milliarden €. Das ist immer noch eine Steigerung von über 40 % ohne Studienbeiträge. Über 40 % mehr Investitionen in diese wichtige Zukunftsaufgabe!

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch bei FuE versuchen Sie – die Ministerpräsidentin hat das völlig zu Recht gesagt –, ein Zerrbild zu zeichnen. Das haben Sie mit der Berichterstattung aus der „FAZ“ ja auch schon im Ausschuss versucht.

Fakt ist: Nordrhein-Westfalen hat die höchste staatliche Förderung für Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Wir liegen im Vergleich hinten, weil die Investitionen der privaten Unternehmen schwach sind. Da müssen wir besser werden, da wollen wir besser werden.

Aber da wäre es doch sinnvoll, wenn Sie den Vorschlag unterstützen würden, der seit 2009 ein halbes Dutzend Mal im deutschen Bundestag gemacht worden ist, dass man den Unternehmen einen Steuerbonus, eine Steuererleichterung gibt, dass man ihnen, wenn sie in Forschung und Entwicklung investieren, wenn sie an neuen Produkten forschen, mit einer Steuererleichterung entgegenkommt. Sie sind doch sonst immer so schnell dabei, wenn es um Steuersenkungen geht. Warum können wir denn hier nicht etwas Gemeinsames machen für Mittelstand, für Innovation, für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts?

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn wir über Steuersenkungen reden, dann sind wir auch in der aktuellen Debatte über den Bundeshaushalt. Es ist wahr: Es gibt Überschüsse. Der Bundesfinanzminister stattet die Länder und Kommunen nicht gut aus. Er überträgt viele Ausgaben, ohne dies mit finanziellen Mitteln zu hinterlegen. Darunter leiden dann wir als Landespolitiker, die mit dem, was der Bund uns zuweist, und das sind über 80 % des Haushaltes, die Zuweisungen aus Steuermitteln sind, in der Verantwortung sind, die wichtigsten Zukunftsaufgaben zu stemmen.

Meine Damen und Herren, Sie sollten sich einmal vergegenwärtigen, was wir alleine im Bereich der kommunalen Finanzen erreicht haben. Die Ministerpräsidentin hat das schon mit dem Hinweis auf die Städte, die damals im Nothaushalt waren, deutlich gemacht. Wir geben so viel Geld aus wie kein anderes Bundesland. Wenn wir schauen, wer Nummer zwei und Nummer drei ist, dann hätten wir schon eine Summe, die im Wesentlichen dem entspricht, was der Nettoneuverschuldung in diesem Haushalt zugrunde liegt.

Das heißt, wir könnten ganz einfach einen ausgeglichenen Haushalt machen, indem wir den Kommunen sagen, wir gehen jetzt auf das Niveau von Baden-Württemberg. Wir hätten einen Haushaltsüberschuss, wenn wir sagen würden, wir gehen zurück auf das Niveau von Bayern. Aber das ist doch keine vernünftige Politik, meine Damen und Herren.

(Ralf Witzel [FDP]: Das kann man doch gar nicht miteinander vergleichen!)

– Doch, das kann man sehr wohl mit Baden-Württemberg und Bayern vergleichen! Das wissen Sie ganz genau. Das ist auch im Kommunalausschuss rauf und runter diskutiert worden.

Sehr überraschend waren die Antworten auf die Frage des DeutschlandTrends vom 1. September 2016, wofür Mehreinnahmen im Bundeshaushalt verwendet werden sollen.

Nur 16 % der Bevölkerung sind für Steuersenkungen. Die übergroße Mehrheit von über 70 % möchte eine nachhaltige Haushaltspolitik. Das ist auch verständlich; denn die Menschen, die vor Ort gute Betreuung und gute Schulen – auch gute Schulgebäude, Herr Marsching – haben wollen, wissen, dass das nicht geht, wenn wir auf der anderen Seite Steuern senken. Die Menschen wollen dann wissen, wie wir das finanzieren, und sie wissen ganz genau: Wenn es Steuersenkungen gibt, fehlt an anderer Stelle das Geld. – Die Mehrheit der Menschen ist klüger, als Sie das vermuten, meine Damen und Herren von der FDP.

Deswegen ist das richtig, was wir mit diesem Haushalt vorlegen. Wir nehmen wichtige Investitionen in die Zukunft unseres Landes vor. Wir investieren in Kommunen – mit dem kommunalen Investitionsprogramm, finanziert über die NRW.BANK. Wir legen auch bei dem Bereich Schulbauten und bei dem Bereich Freizeit nach. Aber es ist richtig, dass wir mehr Investitionen in Bildung vornehmen. Das ist der genaue Gegenpol des Bürgerhaushalts. Darauf sind wir stolz, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Für die Fraktion der Piraten spricht noch einmal Kollege Marsching.

(Zurufe)


Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Schon zu stöhnen, bevor ich etwas gesagt habe ist, ist schon seltsam; aber gut.

Liebe Frau Ministerpräsidentin, Punkt eins: Ich finde es sehr komisch, Kritik aufzunehmen, indem man sie dann überdreht und sagt, ich hätte alles noch viel schlimmer gemacht, als es in Wirklichkeit war. Das haben Sie beim Kollegen Lindner auch versucht. Ich halte das für kein tolles rhetorisches Mittel. Das sollten wir hier sein lassen; denn es führt dazu, dass wir plötzlich über Dinge reden, die hier gar nicht gesagt wurden.

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Was ich mache, entscheide ich immer noch selbst!)

– Ja. Natürlich können Sie das machen. Aber dann müssen Sie damit leben, dass ich Ihnen sage und auch der Kollege Lindner Ihnen sagt und aus dem Protokoll zitiert, dass wir das, was Sie hier behaupten, überhaupt nicht in dieser Form gesagt haben. Das ist dann in Ordnung.

Sie haben gerade gesagt, Sie wüssten, wohin die Reise geht; Sie könnten das nach außen darstellen; die Menschen wüssten auch, wohin die Reise geht. Ich sage Ihnen: Genau das ist ja das Problem. Genau das sehen wir nicht. Wir sehen nicht, wohin die Reise geht.

Mein größtes Problem bei Ihrem Wortbeitrag gerade war aber: Sie können sich hier ja gegen alles wehren. In Bezug auf die Bekämpfung der Kriminalität zu sagen, dass die Internetkriminalität heruntergegangen ist und im Internet nicht mehr so viel betrogen wird, und dabei auf mich zu zeigen, halte ich aber schon für unglaublich infam.

(Beifall von den PIRATEN)

Denn ich nutze das Internet anders. Ich nutze es, indem ich etwas suche, indem ich versuche, etwas zu finden, und indem ich versuche, etwas zu wissen. Da fallen mir zwei Dinge auf.

Erstens. Sie sagen, es wundere Sie, dass ich die Wirtschaft 4.0 und den Stahlstandort nicht übereinanderbekomme. – An dieser Stelle verweise ich auf einen Artikel, der heute Morgen in „RP Online“ erschienen ist. Ihr Wirtschaftsminister Duin sagt dort, Nordrhein-Westfalen habe zu lange an falschen Industrien festgehalten; wir müssten jetzt radikal auf Neues setzen.

Ja, was denn jetzt? Entweder wollen wir Wirtschaft 4.0 und setzen radikal auf Neues, oder wir erhalten den Stahlstandort. Beides geht nicht.

(Beifall von den PIRATEN – Armin Laschet [CDU]: Beides!)

Ich nutze das Internet auch, indem ich gucke, was denn die Leute draußen zu unserer Debatte sagen. Hier noch einmal ein Gruß an alle, die im Stream zugucken! Es scheinen viele zu sein. Jedenfalls geht es im Netz einigermaßen rund.

Hier möchte ich zwei Tweets zum Thema „schnelles Internet“ zitieren, die ich sehr bezeichnend finde. Sie wissen: Das ist jetzt kurz. Tweets sind immer kurz.

Der erste Tweet heißt: Das schnelle Internet kommt, die Bahn auch.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Das ist sehr bezeichnend.

Noch viel besser fand ich aber folgenden Tweet – ich lese das jetzt so vor, wie es hier steht –: Das schnelle Internet in Nordrhein-Westfalen wäre der Partyschreck auf jeder Swingerparty. Es ruft ständig: „Ich komme!“, aber passieren tut nichts.

(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die SPD-Fraktion hat sich der Kollege Zimkeit gemeldet.

Stefan Zimkeit*) (SPD): Jetzt doch, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn eigentlich hatten wir mit der zukunftsorientierten Rede unserer Ministerpräsidentin einen hervorragenden Abschluss der Debatte.

(Lachen von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, darf ich Sie kurz unterbrechen? Sie haben vergessen, den Präsidenten zu begrüßen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Um Gottes willen! Die Welt geht unter!)



Stefan Zimkeit*) (SPD): Entschuldigung, Herr Präsident. Dann fange ich noch einmal von vorne an. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen hervorragenden zukunftsorientierten Beitrag der Ministerpräsidentin gehört, der ein würdiger Abschluss der Haushaltsdebatte gewesen wäre. Danach hat sich aber Herr Lindner noch einmal gemeldet und sehr laut, sehr populistisch und relativ faktenfrei versucht, von seinen internen Fraktionsproblemen, die ja heute den Mittelpunkt der Berichterstattung darstellten, abzulenken.

(Lachen von der FDP)

Das kann man ja tun. Das ist politisch auch legitim. Nur, Herr Lindner: Dass Sie sich hier zum Schiedsrichter über Charakterfragen machen und den Charakter der Ministerpräsidentin infrage stellen, ist vollkommen unangemessen und anmaßend.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir über Charaktere reden wollen, dann können wir gerne darüber reden, welche Rolle denn unser Land für jemanden noch spielt. Wir haben eine Ministerpräsidentin gehört, die sehr deutlich gezeigt hat, worum es ihr geht, nämlich darum, dieses Land voranzubringen. Sie, Herr Lindner, sind hingegen nur noch hier, um dieses Land als politisches Sprungbrett für Ihre bundespolitische Karriere zu missbrauchen. Da stellt sich vielleicht die Charakterfrage, Herr Lindner.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das werden die Wähler beurteilen! – Ralf Witzel [FDP]: Wie erbärmlich ist das denn?)

Wie weit Sie dafür gehen, haben Sie in Ihrem ersten Redebeitrag deutlich gezeigt, Herr Lindner. Ich möchte Sie wirklich bitten, dass Sie noch einmal sehr ernsthaft darüber nachdenken – und auch darüber, in welche Ecke Sie sich damit manövrieren.

Sie haben hier kritisiert, dass nordrhein-westfälische Schülerinnen und Schüler sowie Studenten ins Ausland gehen und in England studieren,

(Christian Lindner [FDP]: Das habe ich überhaupt nicht kritisiert!)

und haben daraus eine Schwäche unseres Bildungssystems konstruiert.

Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen doch in einem gemeinsamen Europa leben. Da schließe ich Großbritannien bewusst noch mit ein; denn in einem Werteeuropa, in dem wir den Austausch brauchen, wollen wir sie ja nicht ausschließen. Wir brauchen also diesen Austausch. Wir brauchen es, dass junge Menschen nach Großbritannien gehen und dass junge Menschen aus Großbritannien zu uns kommen.

Das hat nichts mit einer Schwäche des Bildungssystems zu tun. Im Gegenteil: Unsere jungen Menschen fühlen sich augenscheinlich durch das Bildungssystem hier gut genug vorbereitet, um ins Ausland zu gehen und sich da weiterzubilden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie das wirklich zum Maßstab der Politik machen wollen, dann schauen Sie sich einmal an – ich habe die Zahlen jetzt leider auf meinen Platz liegen lassen –, wie viele Studentinnen und Studenten aus dem Ausland zu uns kommen, weil sie dieses Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen so gut finden. Es sind doppelt so viele wie zu Ihrer Regierungszeit. Nach Ihrer Logik hat sich die Qualität der Regierungsarbeit damit mindestens verdoppelt. Nach meiner Logik und nach dem, was heute in dieser Debatte deutlich geworden ist, hat sie sich mehr als verdoppelt.

Herr Lindner, das, was Sie gerade hier ausgeführt haben, hat Sie für alle politischen Aufgaben in Land und Bund disqualifiziert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Oh! – Weitere Zurufe)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Frau Ministerpräsidentin Kraft.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur noch … Ich habe gar keine Zeit mehr? Doch ich habe noch Zeit.



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Die Regierung kann immer reden.

Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin: Es ist noch ein bisschen Zeit übriggeblieben; dann kann ich nur noch antworten. – Herr Lindner, ich empfehle Ihnen einen Blick auf die Seite von NRW.INVEST. Dort ist das ausgewiesen. Die Quelle ist Deutsche Bundesbank.

Da stehen auch die Definitionen für Investition in ein Unternehmen mit einem Anteil, der 50 % übersteigt – wahrscheinlich 50,1 % –, für Erweiterungsinvestitionen und Neuinvestitionen. All das können Sie dort genau nachlesen. Dann sehen Sie auch die Größenordnung.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Ich würde noch gerne zwei Dinge ergänzen, weil ich noch eine Minute habe.

Ich entschuldige mich dafür, wenn ich Sie beim Arbeitsmarkt falsch verstanden habe. Das ist dem geschuldet, dass ich versucht habe, viel mitzuschreiben. Das ist mir nicht geglückt. Dafür entschuldige ich mich.

(Christian Lindner [FDP]: Angenommen!)

Dennoch, glaube ich, ist es gut, darauf hinzuweisen, wie die Arbeitslosenzahlen sich entwickelt haben.

Aber Sie haben noch einen großen Fehler gemacht, indem Sie Herrn Becker in den Mittelpunkt gerückt haben. Er hat sich da über die Harmonisierung von Förderungsbedingungen geäußert. Ich finde, darüber kann man sich nun wirklich nicht beklagen. Ich glaube, dass es richtig ist, das zu tun. Wenn ich das noch etwas amüsiert sagen kann: Sie unterscheiden nicht mal zwischen Fuchs und Wolf in diesem Land. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt am Ende der Aussprache über das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2017.

Ich leite zum



Gemeindefinanzierungsgesetz 2017

über.


Wir werden später das Haushaltsgesetz und das Gemeindefinanzierungsgesetz gemeinsam an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie die zuständigen Fachausschüsse überweisen.

Ich erteile Herrn Innenminister Ralf Jäger das Wort zur Einbringung des Gemeindefinanzierungsgesetzes.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren auf den Rängen! Liebe Bürgerinnen und Bürger im Stream! Und selbstverständlich: Lieber Herr Präsident! Nach der Aussprache des heutigen Vormittags, in der eher die politische Lage allgemein diskutiert wurde, wird es jetzt etwas technischer. Es geht beim Gemeindefinanzierungsgesetz um die Frage, wie wir die Rekordausschüttung von 10,56 Milliarden € aus dem Landeshaushalt möglichst gerecht auf die 396 Kommunen in Nordrhein-Westfalen verteilen. Das ist jedes Jahr eine Herausforderung.

In den letzten Jahren haben wir immer Zugriff auf ein bewährtes System gehabt. Dieses System haben uns mehrere Gutachter in den letzten Jahren empfohlen. Ich erinnere an das ifo Institut 1995 und 2008 und das FiFo-Institut im Jahre 2013. Dieses Verteilsystem hat unser Verfassungsgerichtshof in Münster am 10. Mai dieses Jahres noch einmal bestätigt. Nichtsdestotrotz haben wir die Begründung des Verfassungsgerichtshofs zu diesem Urteil sehr genau analysiert und wahrgenommen, es gibt Hinweise darauf, dass es in Zukunft möglicherweise in Teilen des Gemeindefinanzierungsgesetzes Modifizierungsbedarf gibt.

Den greifen wir selbstverständlich auf. Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden sehr zügig Einvernehmen erzielt, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Die Ausschreibung soll bald erfolgen. Es dauert naturgemäß etwas, bis ein neues Gutachten vorliegt. Es wird etwas Zeit vergehen. Wir werden miteinander diskutieren – hier im Landtag und mit den Fraktionen –, wie diese Gewichtungsfaktoren möglicherweise zukunftsfest verändert werden können.

In den letzten Jahren haben wir das GFG hier immer wieder diskutiert. Es gab immer Hinweise unterschiedlicher Art und Güte vonseiten der CDU und der FDP. Deshalb will ich heute, weil man mal Zeit hat, in der Haushaltsdebatte etwas mehr Minuten als sonst darauf verwenden, einiges Grundsätzliches zu sagen und etwas ausholen, um den einen oder anderen Punkt direkt richtigzustellen.

Vorweg, meine Damen und Herren, trotz sehr guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, trotz einer historischen Niedrigzinsphase, trotz der Rekorde bei der Verbundmasse des Gemeindefinanzierungsgesetzes gibt die kommunale Finanzsituation immer noch Anlass zur Sorge. Die Kassenkredite nehmen zwar längst nicht mehr so stark zu wie in den früheren Jahren. Es gibt sogar einen echten Erfolg zu vermelden. Die Stärkungspaktkommunen der Stufen 1 und 2 – das sind die mit den größten Haushaltsproblemen – haben im letzten Jahr keinerlei zusätzliche Kassenkredite aufnehmen müssen. Das ist, wie gesagt, ein echter Erfolg; aber die alten Probleme bleiben.

Alte Probleme sind insbesondere die Sozialausgaben unserer 396 Kommunen. Die Aufgaben, die sie zu erledigen haben, nehmen dabei zu.

Aber wenn man auf die tatsächlichen Ursachen schaut, muss man ein Stück weit zurückblicken. Die ersten Sozialgesetzbücher stammen aus den 70er-Jahren. Ihr Sinn und Zweck war, soziale Gerechtigkeit herzustellen und – wörtliches Zitat aus dem SGB I – „ein menschenwürdiges Dasein zu sichern“.

Der Bund hat in den letzten 40 Jahren viele dieser Aufgaben definiert und die Erfüllung dieser Aufgaben zum größten Teil den Kommunen aufgetragen. Daran waren alle hier vertretenen Fraktionen des Parlaments in den letzten 40 Jahren beteiligt – mit Ausnahme der Piraten, die hier einen kurzen Zwischenstep geben.

Niemand will wohl den Zweck dieser Sozialgesetzbücher infrage stellen. Das wäre auch der falsche Ansatz. Aber es darf die Frage erlaubt sein, ob es richtig ist, dass die Kommunen diese Aufgaben durch Weisung des Bundes nicht nur erfüllen, sondern darüber hinaus in großen Teilen auch finanzieren müssen.

Werfen wir einen Blick auf Nordrhein-Westfalen, was das bedeutet! Die kommunalen Haushalte in Nordrhein-Westfalen werden im Wesentlichen in einer Größenordnung von etwa 40 % durch Sozialausgaben geprägt. So hoch ist der Soziallastenanteil in keinem anderen Bundesland Deutschlands. Das sorgt vor Ort für Probleme.

Ich stelle mal dagegen, dass der Bundesfinanzminister Jahr für Jahr Überschüsse in zweitstelliger Milliardenhöhe erwirtschaftet. Ich finde, man kann einmal darüber nachdenken, ob sich der Bund in angemessener Weise an den Aufgaben beteiligt, die er gegenüber den Kommunen selbst definiert. Um es genau zu sagen, man muss die Frage stellen, ob die schwarzen Nullen des Bundes nicht auf Kosten der Kommunen erwirtschaftet worden sind.

Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt, die finanzielle Lage der Kommunen ist entspannter; trotzdem macht sie uns nach wie vor Sorgen. Die Lage ist entspannter, weil sie längst nicht mehr so schlecht ist wie 2010. 2010 hat es in diesem Land einen Paradigmenwechsel gegeben, was das Verhältnis zwischen Land und Kommunen angeht.

Ich muss mit der Ministerpräsidentin die Zahlen noch abgleichen. Sie hat vorhin gesagt, dass im Jahre 2010 noch 139 Kommunen im Nothaushalt waren. Ich habe die Zahl 138.

Egal ob jetzt 138 oder 139 Kommunen, dass so viele Kommunen im Nothaushaltsrecht waren, bedeutet nämlich, dass diejenigen, die von den Menschen bei den Kommunalwahlen in Räte und Kreistage gewählt worden sind – eigentlich, um zu gestalten und ein Mandat wahrzunehmen in dieser Demokratie –, faktisch in ihrem Gestaltungsspielraum so eingeengt waren, dass all das, was Gestaltungsfähigkeit angeht, den Kautelen eines Beamten der Kommunalaufsicht unterlegen hat.

Wie gesagt, 138 oder 139 Kommunen waren im Jahre 2010 im Nothaushalt. Herr Höne, im Jahre 2015 waren es nur noch 9 Kommunen. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen im Stärkungspakt. Der Stärkungspakt ist Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht nur Geld geben, sondern eigene Konsolidierungsbemühungen von der jeweiligen Kommune abverlangen, das hat für viele oder für alle Teilnehmer zum Haushaltsausgleich geführt und endlich diese Schuldenspirale gestoppt – unter dem Stichwort „Vergeblichkeitsfalle“.

Über Jahrzehnte haben Städte wie meine Heimatstadt Duisburg sparen, sparen, sparen müssen und trotzdem jedes Jahr neue Schulden aufgenommen. Im letzten Jahr hat der Rat der Stadt Duisburg einen ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2016 beschlossen. Einen ausgeglichenen Haushalt zu beschließen, das hat kein Ratsmitglied des Rates der Stadt Duisburg vorher aktiv erlebt, meine Damen und Herren! Das ist nicht nur kommunale Entlastung, sondern ein Stück weit wieder kommunale Demokratie leben zu können.

Ich komme jetzt zu den Kassenkrediten. Zwischen 2005 und 2010 sind sie in Nordrhein-Westfalen um 91 % gestiegen. Von 2010 bis 2015 sind sie auch gestiegen, aber nur noch um 35 %.

Das Gute ist: Wenn es so weitergegangen wäre in der Kommunalpolitik wie zwischen 2005 und 2010, wären alle Teilnehmer des Stärkungspaktes heute überschuldet. Alle diese Kommunen, egal ob Stufe 1 oder Stufe 2, wären heute überschuldet. Wir haben diese Überschuldung in 34 Fällen aktiv abgewendet.

Dieser Stärkungspakt ist aber darüber hinaus noch sehr erfolgreich, das zeigt die Evaluierung, die wir vorgelegt haben. Es geht nämlich nicht nur darum, dass wir Landesgeld geben, sondern dass – im Verhältnis 70 zu 30 – 30 % des Defizites durch das Land abgedeckt worden sind, aber 70 % durch eigene Konsolidierungsmaßnahmen in den Kommunen erwirtschaftet wurden, und – ich greife dem Argument der Opposition schon vorweg – wiederum nur 30 % der Konsolidierungsmaßnahmen wurden durch Steuererhöhungen finanziert, 70 % durch aktive Bewirtschaftung des jeweiligen Haushaltes.

Wir haben diese unsägliche Befrachtung abgeschafft, die vor 2010 galt, dass sich das Land auf Kosten der Kommunen bereichert hat.

(Henning Höne [FDP]: Wer hat sie denn eingeführt? Wann, wann?)

Das Land hat sich auf Kosten der Kommunen – Herr Höne – bereichert in einer Größenordnung von einer Milliarde Euro, die wir den Kommunen zurückgegeben haben.

(Henning Höne (FDP): Wann und wer? – Christof Rasche [FDP]: Die SPD hat die Befrachtung eingeführt!)

Darüber hinaus haben wir die Kommunen wieder an der Grunderwerbsteuer beteiligt, ebenfalls 1,4 Milliarden €. Das allein sind 2,5 Milliarden € mehr, die wir den Kommunen zur Verfügung gestellt haben.

(Beifall von der SPD – Henning Höne [FDP]: Wer hat die Befrachtung eingeführt?)

Meine Damen und Herren, dieses GFG zeigt eines: Der Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Land und Kommunen, den wir 2010 begonnen haben, setzen wir fort. Wir haben die höchste Ausschüttung aus dem Landeshaushalt gegenüber den Kommunen in diesem Gemeindefinanzierungsgesetz von 10,56 Milliarden €. – Es bleibt bei der Formel: Land und Stadt – Hand in Hand für die Menschen in diesem Land und für die Kommunen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das war ja jetzt schön kurz!)


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