Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 16/133 16. Wahlperiode 25. 01. 2017 133. Sitzung



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Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag der Piraten geht auf ein wichtiges Thema ein. Es geht um das Verhältnis von Bürgern und Verwaltung. Das ist und bleibt eine Aufgabe, der sich alle Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen jeden Tag aufs Neue stellen müssen und auch stellen, gerade dann, wenn es um die Beseitigung von Mängeln geht. Keine Stadt, keine Gemeinde kann alle Mängel selbst bemerken. Deshalb sind Mängelmelder sinnvoll – das, was die Piraten vorschlagen, dagegen nicht.

Sie lassen in Ihrem Antrag ein wichtiges Detail völlig außen vor: Viele Kommunen bieten diese Dienste per Internet, Hotline oder App bereits an. Es ist gut, dass sie das tun – nicht nur, weil es eine klare Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung ist, sondern auch, weil ein landesweites System, wie Sie es sich jetzt wünschen, vieles durcheinanderbringen würde.

Nordrhein-Westfalen hat 396 Städte und Gemeinden, von der Millionenstadt Köln bis zur 4.000-Seelen-Gemeinde. Jede dieser Kommunen ist anders aufgebaut, hat andere Strukturen, andere Wege innerhalb der Verwaltung. Ein landesweites System müsste allen Bedürfnissen gerecht werden, es würde aber auch bereits vorhandene Mängelmelder ausbremsen. Das ist keine gute Idee.

Jede Stadt, jede Gemeinde muss sich selbst die Frage stellen und selbst entscheiden: Habe ich einen Bedarf? Wo habe ich den Bedarf? Wie werde ich diesem Bedarf gerecht? Die Nähe zum Bürger ist die wichtigste Eigenschaft unserer Kommunen. Sie sollte auch in ihrer Hand bleiben, und zwar passgenau, ohne große Blaupause. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Minister, würden Sie noch einen Moment hierbleiben? Es liegt der Wunsch nach einer Kurzintervention des Herrn Kollegen Bayer von der Fraktion der Piraten vor, der auf dem Platz von Herrn Lamla sitzt.

Oliver Bayer (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie und auch die beiden letzten Redner festgestellt haben, dass der Bedarf tatsächlich vorhanden ist, anders als es die SPD- und die CDU-Fraktion dargestellt haben. Es ist eben nicht so, wie vielleicht mancher Kommunalpolitiker meint, dass man ja schon alles wisse und gar keine Eingaben brauche. Es ist also ein sehr sinnvolles Instrument.

Ich schließe an: Es gibt die Initiative auf Einführung von einheitlichen Behördenrufnummern. Unser Antrag bezüglich der Mängelmelder bezieht sich sozusagen auf das Gleiche. Natürlich ist uns bekannt, dass bereits Mängelmelder existieren. Das habe ich eben in meiner Rede ausgeführt und auch die Unterschiede benannt.

Es gibt auch viele Vorteile, zum Beispiel die Vernetzung und die Zugänglichkeit, die für eine landesweite Unterstützung bzw. eine landesweite Schnittstelle sprechen. Das heißt ja nicht, dass es nicht möglich ist, diese Mängelmelder in eine kommunale App zu integrieren.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön, Herr Minister.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herr Bayer, wir reden aneinander vorbei. Ich will es an Beispielen deutlich machen: In meiner Heimatkommune Duisburg ist eine Hotline geschaltet, über die Bürgerinnen und Bürger bei den städtischen Entsorgungsbetrieben jede wilde Müllkippe melden können, die dann innerhalb von 24 Stunden beseitigt wird. In der Stadt Essen ist das völlig anders organisiert, da sind nach meinem Kenntnisstand nicht die Entsorgungsbetriebe anzurufen. In der Gemeinde Frauenkron in Dahlem – das ist in der Eifel; da wohnen zufällig meine Schwiegereltern – kennen die Einwohner den Bezirksbürgermeister. Den rufen sie an und sagen ihm, wo ein Mangel besteht.

Damit wird klar: Es gibt unterschiedliche Kommunen, unterschiedliche Wege und unterschiedliche Bedarfe. Es macht überhaupt keinen Sinn, an der Stelle die kommunale Selbstverwaltung aufzulösen und den Kommunen ein landesweites System überzustülpen. Das wäre nicht mehr Service für die Bürgerinnen und Bürger, sondern weniger.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/14001. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/14001 mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Fraktion der Piraten und bei Enthaltung des Abgeordneten Schwerd abgelehnt.

Ich rufe auf:

7 Abschlussbericht der Enquetekommission zur „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ (Enquetekommission V)

Abschlussbericht
der Enquetekommission „
gemäß § 61 Absatz 3
der Geschäftsordnung
Drucksache 16/14000

Zu dem Antrag


der Fraktion der SPD
Drucksache 16/7399 – Neudruck

Ich erteile zuerst der Vorsitzenden der Enquetekommission V, Frau Abgeordnete Hack, das Wort zu einer mündlichen Berichterstattung. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Ingrid Hack (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Vor fast genau zwei Jahren, am 27. Januar 2015, konstituierte sich unter der Leitung von Frau Präsidentin Gödecke die Enquetekommission zur Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen. Vorangegangen war auf Antrag der SPD-Fraktion ein von diesem Haus einstimmig gefasster Einsetzungsbeschluss.

Als Vorsitzende darf ich Ihnen heute den Abschlussbericht vorstellen und zunächst einige Anmerkungen zur Arbeit einer solchen Kommission machen.

Sie tagte zwei Jahre lang zu einem umfangreichen Gegenstand von bedeutsamem Interesse. Abgeordnete aller Fraktionen und von diesen benannte Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis tagten gemeinsam, in der Regel nichtöffentlich. Dies kann die Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg befördern und ebenso den notwendigen Abstand zum tagespolitischen Geschehen schaffen.

Über die in der Kommission gewährleistete Fachlichkeit hinaus kann eine Enquetekommission externes Wissen durch Forschungsaufträge, Vorträge und anderes heranziehen. Ergebnisse ihrer Arbeit sind neben einem Bericht Handlungsempfehlungen, die mittel- und langfristig der Vorbereitung politischer Entscheidungen dienen.

Meine Damen und Herren, der Einsetzungsbeschluss für unsere Kommission enthielt den Auftrag, eine Bestandsaufnahme und -analyse des Familienlebens in Nordrhein-Westfalen vorzunehmen, dabei besonders, unter anderem orientiert am 8. Bundesfamilienbericht, die Zeitbudgets von Familien, aber auch Wünsche von Familien an die Gestaltung ihrer Zeit, die tatsächliche Umsetzung dieser Wünsche und sich daraus ergebende Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen.

Zu berücksichtigen waren unbedingt die unterschiedlichen sozialen Lagen von Familien, die unterschiedlichen Milieus, in denen sie leben, die wachsende Zahl von Familienformen, die Familienphasen sowie geänderte bzw. im Wandel befindliche Geschlechterrollen. Der Auftrag der Kommission war also kein geringerer als die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes für eine zukünftige Familienpolitik, deren herausragendes Kennzeichen es sein muss, für die unterschiedlichsten Familien verlässliche Rahmenbedingungen für ihr Familienleben, für die Gestaltung gemeinsamer Zeit bei gleichzeitiger Bewältigung von beispielsweise Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Betreuungs- und Bildungsaufgaben zu schaffen.

Der Einsetzungsbeschluss sah seinerzeit in drei Bereichen maßgebliche Bedeutung für diese Fragestellungen: auf der staatlichen und kommunalen Ebene, im Bereich der Gestaltung von Erwerbsarbeit und im Bereich der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen.

Zu Beginn dieses so umrissenen Arbeitsprozesses waren weitere Einflussfaktoren festzustellen, die sich auf die gemeinsame Arbeit auswirken sollten. Von Bedeutung war natürlich die ganz eigene Fachlichkeit der von den Fraktionen benannten fünf Sachverständigen, die das höchst umfassende Thema „Familie“ aus fünf ganz unterschiedlichen Fachperspektiven mit verschiedensten Schwerpunkten bearbeiteten.

Natürlich spielten für unseren Arbeitsprozess auch subjektive Erfahrungen und aktuelle Diskussionen eine Rolle. Subjektive Erfahrungen als Familienmitglied macht jede und jeder im Alltag auf vielerlei Art. Die Themen der aktuellen Diskussionen tangieren irgendwann alle Familien. Ich möchte nur einige Beispiele nennen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Freiräume für Jugendliche, G8/G9, die Inklusion, die Situation der Pflege, die Wohnungsfrage nicht nur in Ballungsräumen, Kindertageseinrichtungen, Entgrenzung von Arbeit. Diese Themen sind sowohl hier im Landtag als auch in der Gesellschaft und in den Medien dauerhaft präsent.

Nach mehreren Monaten intensiver, teils auch strittiger Diskussion um das tatsächliche Arbeitsprogramm – eine bereits beschlossene Fassung wurde verworfen und nach, zugegeben, anstrengenden Debatten durch eine neue ersetzt – einigte sich die Kommission auf sechs Kapitel und dazugehörige Leitsätze, zu denen folglich auch die Handlungsempfehlungen erstellt werden sollten. Anhand dieser Gliederung möchte ich Ihnen nun, soweit das in der Kürze möglich ist, einen Überblick über unsere Arbeit geben, ohne dass ich der anschließenden Debatte vorgreifen möchte.

Strukturelle Rücksichtslosigkeit überwinden, Nachteilsausgleich und Gleichberechtigung für Familien gewährleisten: Die Kommission hat sich ausführlich mit dem Begriff der strukturellen Rücksichtslosigkeit beschäftigt, auch dies nicht unstrittig. Einigkeit herrschte jedoch darüber, dass Familien für ihre Mitglieder aus persönlicher, emotionaler Verbundenheit und eben um der nahestehenden Menschen willen Leistungen vielfältigster Art erbringen, diese aber der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Dafür erfahren Familien nicht die Anerkennung und Würdigung, die ihnen für diese Leistung zustände.

Die Kommission sieht sowohl rechtliche als auch finanzielle Rahmenbedingungen, die für Familien nicht angemessen, sondern oft nachteilig sind. Elternschaft und Familienleben sind zwar nicht mehr nur reine Privatsache – hier sind bereits Fortschritte erzielt worden –, wir benennen aber noch zahlreiche Sachverhalte, die Familienleben nachteilig beeinflussen.

Für einige Familienformen bedingt die mangelnde rechtliche Gleichstellung unmittelbar finanzielle Nachteile. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil unverheirateter Paare mit Kindern und die Zahl Alleinerziehender wächst – das sind überwiegend Frauen –, befasste sich die Kommission natürlich auch mit der Frage, welche Rolle die Ehe nach wie vor für die rechtliche und damit oft auch für die finanzielle Lage von Familien spielt. Es mag keine Überraschung sein, dass hier die Positionen innerhalb der Kommission unterschiedlich waren.

Meine Damen und Herren, finanzielle Herausforderungen bestehen für Familien ab der Familiengründung mit einem oder mehreren Kindern, dann mit beachtlichen Kosten für Betreuung und frühe Bildung, für den Schulalltag und die weitere Ausbildung, zudem für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im weitesten Sinne, also Mobilität, Freizeitgestaltung und anderes.

Zugleich erfahren Familien in der Zeit der höchsten Ausgaben eine Zeit lang oder sogar dauerhaft Einkommenseinbußen durch Reduzierung oder gar gänzlichen Verzicht auf Erwerbsarbeit zugunsten der Familienarbeit. Für 15 % der Paare mit Kindern unter 18 Jahren in NRW bedeutet diese Konstellation relative Einkommensarmut; bei Alleinerziehenden ist die Zahl deutlich höher.

Bei unterschiedlich hohen Familieneinkommen ist zudem der Anteil für die Bildungsausgaben höchst unterschiedlich. Einkommensschwächere Familien geben einen deutlich höheren Teil ihres zur Verfügung stehenden Geldes dafür aus als einkommensstärkere. In der Kommission sind dazu unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen worden, die beispielweise Gebühren für Bildung und die Kindergrundsicherung betreffen.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle greife ich in meiner Berichterstattung dem Schluss des Ihnen nun allen vorliegenden Berichtes vor.

Unterschiedliche Interpretationen über die Adressaten unseres Berichtes durchzogen die gesamte Arbeit. Sollte es nur an das Land gerichtete Empfehlungen oder auch solche an die Bundesebene geben? Bei der Erstellung der Handlungsempfehlungen war klar, dass manche Veränderungen nur durch bundesgesetzliches Handeln in Gang gesetzt werden können. Zu den dann erstellten Empfehlungen an die Bundesebene haben sich die CDU-Fraktion und der Sachverständige der FDP-Fraktion, Herr Prof. Bonin, einer Bewertung enthalten. Dies ist natürlich auch im Bericht so dokumentiert.

Zum ersten Kapitel möchte ich noch zwei Punkte unserer Arbeit herausgreifen:

Die Kommission stellt fest, dass unterschiedliche Familienformen steuer-, sozial- und zivilrechtlich unterschiedlich behandelt werden, obwohl ihre Angehörigen als Familie leben und füreinander ebenso Verantwortung, Fürsorge und vieles mehr erbringen. Hier kann durch rechtliche Änderungen mehr Gleichstellung und damit ein Nachteilsausgleich erreicht werden. Beispielsweise entscheidet immer noch der Familienstand der Erwachsenen, die gemeinsam für Kinder Verantwortung übernehmen, darüber, ob sie dadurch steuerliche Entlastung erfahren, und nicht die Tatsache, dass sie sich um Kinder kümmern.

Ich möchte ein weiteres Beispiel anführen: Nur leibliche erwerbstätige Eltern können die sogenannten Kinderkrankentage in Anspruch nehmen. Nicht verheiratete Patchwork-Mütter oder -Väter – dieser Begriff hat sich aus unserer Sicht gegenüber dem Begriff der Stiefeltern inzwischen durchgesetzt – kümmern sich ebenso um das erkrankte Kind, haben aber nicht die Möglichkeit der Arbeitsfreistellung.

Die Kommission ist darüber einig, dass es neben den Einflussfaktoren „soziale Lage der Familie“ und „Familienform“ ein weiteres Element geben kann, das die Familiensituation maßgeblich beeinflusst: erhöhter Sorgebedarf. Er besteht beispielsweise bei Alleinerziehenden, Mehrkindfamilien und Familien mit behinderten Familienmitgliedern. Er äußert sich vielfältig sowohl in größeren finanziellen Anforderungen als auch in größerem organisatorischem und zeitlichem Aufwand, der für einen gelingenden Familienalltag erbracht werden muss. Die Kommission hat dazu eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, ganz überwiegend einhellig.

Ein weiterer Abschnitt lautet: Milieu- und sozialraumspezifische Vor- und Nachteile ausgleichen. Hier befassten wir uns mit dem direkten Lebensumfeld von Familien, dem Sozialraum und den in Nordrhein-Westfalen ganz unterschiedlichen Kommunen – unterschiedlich, was Größe, Ressourcen, Umgang mit demografischen Veränderungen, Segregationserscheinungen und anderes angeht. Dies betrifft nicht nur die Unterschiede zwischen Stadt und ländlichen Kommunen. Die Kommission vergab dazu einen Gutachtenauftrag an das Institut Arbeit und Qualifikation.

Wir konnten feststellen, dass sich die genannten Unterschiede natürlich auf die Möglichkeiten der Kommunen auswirken, Familiengerechtigkeit als Anspruch oder sogar Leitlinie für kommunales Handeln zu betrachten und demzufolge mehr oder weniger familiengerecht zu agieren. Unter Familiengerechtigkeit auf kommunaler Ebene verstehen wir die Schaffung von – jeweils in für Familien passender Quantität und Qualität – Wohnraum, Betreuungs-, Bildungs- und Beratungsangeboten, Freizeit- und Mobilitätsmöglichkeiten, Quartiers- und Nachbarschaftsstärkung sowie das Ausschöpfen der auf kommunaler und sozialräumlicher Ebene vorhandenen Möglichkeiten, Familien- und Erwerbsarbeit in Einklang zu bringen.

Die Untersuchungen der Kommission bestätigten einmal mehr, dass es für lokale Familienpolitik überhaupt keinen Sinn macht, sich am aus welchen Werten auch immer errechneten kommunalen Durchschnitt zu orientieren. Handlungsleitend – auch darin ist sich die Kommission einig – müssen die Ergebnisse kleinräumiger Betrachtungen sein.

Wir richten hier eine Reihe von Empfehlungen an die Kommunen, nicht ohne auch die Möglichkeiten zu benennen – und ihre Umsetzung zu empfehlen –, die das Land beispielsweise bei der Wohnraumförderung, der Quartiersentwicklung, der Weiterentwicklung von Partizipationsmodellen und anderen quartiersstärkenden Maßnahmen hat.

Keine Einigkeit herrschte hingegen bei der Empfehlung, mit der Umsetzung familienunterstützender Infrastrukturmaßnahmen jeweils dort zu beginnen, wo die soziale Situation am schlechtesten ist.

Ein weiteres Kapitel heißt „Zeit für Familie: Herausforderung moderner Familienpolitik“. Die Kommission vergab zu dieser Fragestellung einen Gutachtenauftrag an Herrn Prof. Dr. Mückenberger zu „Familialer Zeitpolitik“. Wir befassten uns auch hier mit dem viel zitierten Spagat – so nenne ich es einmal –, den erwerbstätige Mütter und Väter täglich vollziehen müssen.

In dieser Frage besteht die größte Differenz zwischen den Wünschen von Müttern und Vätern und der gelebten Realität. Zeit für Familie, für gelingenden Familienalltag bedeutet gemeinsame Zeit für Rituale, für Unterstützungsleistungen, für das schlichte Erleben familiärer Beziehungen. Sie bedeutet aber auch Zeit für einen großen Teil der Leistungen, die ich eingangs erwähnte, von denen die gesamte Gesellschaft profitiert: Betreuungs- und Bildungsleistungen in der Familie, Pflegeleistungen, Erziehungs- und Sozialisationsarbeit.

Zugleich aber erleben Väter und Mütter in der Regel, dass sie in ihrer Erwerbsarbeit nur als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrachtet werden, ohne Rücksicht auf ihre familiären Rollen, Zusammenhänge und Verpflichtungen. „In der Regel“ heißt, dass es inzwischen durchaus eine Reihe von familienbewussten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gibt, sie aber bei Weitem nicht die Mehrheit stellen. Eine der vier öffentlichen Anhörungen, die die Kommission durchführte, diente der Untersuchung dieser Frage. Die Kommission ist sich darüber einig, dass die Arbeitswelt familiengerechter werden muss und nicht die Familie arbeitsweltgerechter.

(Beifall von allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, wir befassten uns mit der Ausgestaltung haushaltsnaher Dienstleistungen, mit den Anforderungen an Mobilität von Müttern, Vätern, Kindern und Jugendlichen – diese unterscheidet sich nämlich sehr stark – sowie mit den Möglichkeiten, vor allem auf kommunaler Ebene zeitpolitisches Handeln für Familien umzusetzen.

Die Handlungsempfehlungen für diesen Themenkomplex an die Kommunen betreffen zum Beispiel, möchte man meinen, recht einfach umzusetzende Veränderungen von Öffnungszeiten familienrelevanter Einrichtungen. Es gibt aber auch Empfehlungen an das Land, zum Beispiel den flächendeckenden Ausbau von haushaltsnahen Dienstleistungen zu prüfen. Das geht bis hin zu einer Reihe von an die Tarifpartner, öffentlichen und privaten Arbeitgeber gerichteten Empfehlungen zur stärkeren Berücksichtigung familiärer Belange der Beschäftigten. Ich möchte betonen: Das Land als Arbeitgeber bedenken wir bei diesen Empfehlungen auch ganz ausdrücklich.

Ein weiteres Kapitel lautet „Teilhabechancen und Handlungsoptionen von Vätern und Müttern erweitern, Fürsorge- und Erwerbsarbeit gleichberechtigt balancieren, um Wahlfreiheit zu realisieren“. Wir untersuchten in diesem Abschnitt die bereits hinlänglich bekannten Schwierigkeiten von Müttern und Vätern, ihre Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen zu sichern, dies in partnerschaftlicher Aufteilung und nach möglichst freier Entscheidung zu vollziehen.

Die Kommission sieht die Politik in der Pflicht, die Wahlmöglichkeiten für Familien zu erweitern und ihnen dadurch mehr Entscheidungsfreiheit zu geben. Wir untersuchten mehrere Arbeitszeitmodelle, die geeignet sind, die gewünschte Balance zu verbessern, und befassten uns mit verschiedensten Einrichtungen der familienunterstützenden und beratenden Systeme, die zum Beispiel für eine Stärkung elterlicher Kompetenz und damit auch für ein Mehr an Teilhabe sorgen. Entsprechend beziehen sich die Handlungsempfehlungen auch auf diese Bereiche.

Wurde damit die Perspektive von Müttern und Vätern in Familien eingenommen, so befassten wir uns im nächsten Kapitel mit den Entwicklungschancen und Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Wir betrachteten sie in ihren Familien, aber auch in ihrem von zahlreichen Faktoren geprägten Lebensumfeld. Die Kommission thematisierte den unmittelbaren Zusammenhang der materiellen, gesundheitlichen, emotionalen, kulturellen und anderen Ressourcen von Familien mit dem gelingenden Aufwachsen von Kindern und war darüber einig, dass die Lage im Sozialraum, in dem Kinder aufwachsen, von zentraler Bedeutung für das Gelingen oder Erschweren dieses Prozesses ist.

Familie trägt nicht allein die Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder. Dies ist ebenso öffentliche Verantwortung. Und sie darf nicht erst dann wahrgenommen werden, wenn sich Probleme manifestieren, sondern sollte – so ist auch die Auffassung der Kommission – präventiv auf- und ausgebaut werden.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, während der Arbeit unserer Kommission kam die erste Phase des Projekts der Landesregierung „Kein Kind zurücklassen!“ zum Abschluss. Wir informierten uns natürlich über die aktuellen Erkenntnisse durch Vorträge und anderes in unseren Sitzungen, ebenso war der aktuelle Familienbericht NRW Gegenstand unserer Beratungen, und aus beiden Dokumentationen sind Erkenntnisse in unseren Bericht eingegangen.

Der letzte Abschnitt unseres Berichts widmet sich ausführlich der Frage der Wirksamkeit von Familienförderung und der dafür erforderlichen Datenlage, der erforderlichen Zusammenarbeit unterschiedlichster Akteure, der erforderlichen Festlegung familienpolitischer Ziele und der Überprüfung ihrer Erreichung. Daraus folgt eine Reihe von Handlungsempfehlungen zum Beispiel zur Verbesserung sowohl der Datenerhebung als auch der kommunalen Praxis familienfreundlichen Handelns.

Meine Hoffnung ist – und ich denke, da spreche ich für die gesamte Kommission –, dass unser Bericht Impulse setzt nicht nur für Diskussionen, sondern auch für Entscheidungen, und zwar hier im Landtag, aber auch in den Kommunen und in den Köpfen und hoffentlich auch Herzen mancher, die Verantwortung für gelingendes Familienleben tragen und mithelfen können, Familien wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss, meinen Dank an alle zu richten, die in den vergangenen zwei Jahren diese zeitaufwendige Arbeit mitgestaltet und auf vielfältige Art unterstützt haben. Ich nenne die Abgeordneten aller Fraktionen, darunter die stellvertretende Vorsitzende Frau Dr. Bunse, die Obleute Wolfgang Jörg, Walter Kern, Jutta Velte, Ralph Bombis und Dr. Björn Kerbein sowie Daniel Düngel. Mein Dank gilt den Sachverständigen Herrn Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier, Herrn Dr. Stefan Nacke, Frau Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Herrn Prof. Dr. Holger Bonin und Herrn Prof. Dr. Holger Ziegler, von denen ich heute einige auf der Zuschauertribüne begrüßen darf. – Herzlichen Dank. Schön, dass Sie hier sein können.

(Beifall von allen Fraktionen)

Ohne den großen Einsatz der Referentinnen und Referenten aller Fraktionen, denen ich ganz herzlich danken möchte, wäre unser Bericht ebenso wenig gelungen wie ohne die wertvolle und zuverlässige Arbeit des Kommissionssekretariates, auf das besonders ich mich zwei Jahre lang stützen durfte. Ich danke ausdrücklich Frau Kobsch und Herrn Symalla, Herrn Dr. Hartmann, Herrn Dr. Sandhaus und allen weiteren zuständigen Mitarbeitenden der Landtagsverwaltung ganz persönlich und herzlich. – Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. Auch ich möchte mich bei Ihnen als Vorsitzende dieser wichtigen Enquetekommission für Ihre Arbeit in den vergangenen Jahren bedanken. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)



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