Zur Sprachgeschichte des Mittelhochdeutschen Zur Periodisierung des mhd 2



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3.4. Besonderheiten der Satzfügung

Sparsamkeit des Ausdrucks - Ellipsen


Nichtbezeichnung syntaktischer Glieder, die auch hätten bezeichnet werden können:

1. Nichtbezeichnung eines Pronomens:

nu binden ûf die helme.

wistich nu, waz getaete, waz rates hie zuo haete.

darnach ist ein tîer heizit panthera.

2. Nichtbezeichnung eines Infinitivs:

lâz dir mîn laster leit.

done mohte der gast weder vür noch wider.

3. Nichtbezeichnung des Verbums finitum:

hie slac, dâ stich.

si tâtenz dâ, wizzet daz, sô nie drî ritter baz.

sam mir got, so mir got (helfe); sam mir mîn lîp ...

4. Konstruktionen mit wan, niuwan:

jô braeche ich rôsen wunder, wan der dorn.

5. Nichtbezeichnung eines nominalen Objekts:

Wenn der Begriff sich aus der Situation in einem bestimmten Milieu als selbstverständlich ergibt, v.a. im Bereich von Sondersprachen und der Sprache bestimmter sozialer Gruppen (z.B.: Turnierterminologie):



rüeren, trans. = „in Bewegung setzen, antreiben, berühren“

mit sporn si vaste ruorten, die die juncfrouwen fuorten

(„heftig trieben mit den Sporen [die Pferde] an diejenigen, die die Jungfrauen wegführten“

sus kam er her gerüeret („kam eilends herangeritten“), als den der tiuvel vüeret.

rennen, trans. = „laufen machen, jagen, treiben“

waz hilfet daz man traegen esel mit snellem marke rennet?

ohne Objekt: „reiten, eilen“



an der selben stunde kam Marke gerant ze dem gevelle („ritt daher, kam angesprengt“)

sprengen, trans. (daz ors) = „das Roß springen lassen, galoppieren“

Apokoinu


(< griech. apo koinou= „vom Gemeinsamen“)

Ein Satzglied ist zwei aneinanderstoßenden (fast immer) koordinierten Sätzen gemeinsam, und ist grammatisch-syntaktisch doppelt zu beziehen, sowohl auf den vorangehenden Satz wie auf den folgenden:



dô spranc von dem gesidele /her Hagene/ alsô sprach.

Gâwân an den zîten sach in der siule rîten / ein rîter und ein frouwen / moht er dâ beidiu schouwen.

Das Apokoinu kann im zweiten Satz einen anderen syntaktischen Wert haben als im ersten Satz, wenn die Form doppelte Auffassung gestattet (Kasusdivergenz):



heiz Hôranden bringen: dem ist wol erkant / alle site Hagenen (Subj./Akk.-Obj.) / hât er wol gesehen

Anakoluth


Satzfügungen, in denen eine begonnene Konstruktion nicht in der zu erwartenden Weise weitergeführt wird, sondern unvermerkt in eine andere Konstruktion übergeht. Es handelt sich um Konstruktionsmischungen, wie sie in der gesprochenen Sprache häufig begegnen; auch bewußt als stilist. Mittel gebraucht.

1. Ein durch einen Gliedsatz unterbrochener Hauptsatz wird anders fortgesetzt wird, als es die Konstruktion verlangt:



nû chundet uns daz buoch sus, daz der priester, der hêrre Eusêbius, di wîl er jungelinch was, / in den swarzen buochen er las.

2. Wechsel von indirekter zu direkter Rede, im selben Satz, innerhalb einer Satzperiode oder auch an sie anschließend (selten: Übergang von direkter Rede zu indirekter).

3. Wechsel der Konstruktion bei gleichwertigen Satzgliedern („syntaktische Dissimilation“): z.B. Wechsel einer konjunktionslosen Form eines abhängigen Satzes mit einer solchen mit Konjunktion:

dô sagete man ir umben grâl, daz ûf erde niht so rîches was, unt des pflaege ein künec hiez Anfortas

Dazu gehören auch Fälle, in denen und daz / oder daz an die Stelle einer anderen Konjunktion tritt, die zu wiederholen gewesen wäre; es nimmt damit die einleitende Konjunktion des voraufgehenden Satzes auf und ist wie jene zu übersetzen:



dô gote wart gedienet unt daz man dâ gesanc, mit ungefüegem leide vil des volkes ranc („Als die Totenmesse gehalten war und man den Gesang beendet hatte ...“)

Wenn einem Relativsatz ein zweiter syntaktisch gleichwertiger durch und angeschlossener folgt, wird nicht das Relativpronomen wiederholt, sondern das Personalpronomen der 3. Person gesetzt:



die haiden die dô dâ wâren unt si diu grôzen wunder vernâmen

3.5. Zum Aufbau komplexer Sätze


Verbindung eines übergeordneten Satzes mit einem untergeordneten Satz

Einschaltung von Gliedsätzen

a) Einschaltung eines abhängigen Satzes (= Konditionalsatz oder konjunktionslos) in den übergeordneten Satz:



nu gich, wellestu genesen, sicherheit.

und ouch diu erbe mîn, erwirbest duz mit sterke, diu sulen dir undertaenec sîn.

b) Einschaltung eines Relativsatzes vor das Satzglied, das er ergänzt:



des dînen guoten willen gibe ich dir ze lône, die ich tragen solte, mîner muoter Gêrlinde krône.

c) Relativsatz wird dem übergeordneten vorangestellt:



dar nâch ie ranc mîn herze, wie wol ich daz verendet hân.

d) Einschaltung des übergeordneten Satzes in den abhängigen Satz:



ist iemen baz enpfangen, daz ist mir unbekant, dan die helede maere in Sigemundes lant.

Verbindung eines übergeordneten Satzes mit mehr als einem untergeordneten Satz

a) Untergeordnete Sätze folgen nach dem Grad ihrer Abhängigkeit:



nu helfe dir des hant, dem aller kumber ist bekant, ob dir sô wol gelinge, daz dich ein slâ dar bringe, aldâ du Munsalvaesche sihst, dâ du mir dîner freuden gihst.

b) Untergeordneter Satz niedereren Grades steht vor dem untergeordneten Satz höheren Grades, der Hauptsatz folgt den beiden untergeordneten oder geht beiden voran (Betonung):



wa man in verhouwen solde, do er daz an mir ervant, wie moht ich des getrouwen daz er im trüege haz?

c) Vorangestellter Relativsatz als Subjekt eines folgenden Satzes (wird in diesem durch Personalpronomen wiederaufgenommen):



mîn gedinge ist, der ich bin holt mit rehten triuwen, dazs ouch mir daz selbe sî.



QUELLEN

Bauer / Haage 1986 Bauer, G./B. D. Haage: Einführung in die diachrone Sprachwissenschaft. Göppingen 1986 (= GAG 459). (Übungsprogramme)

Helm / Ebbinghaus 1980 Helm, K./E. A. Ebbinghaus, Abriß der mittelhochdeutschen Grammatik. 5.Aufl. Tübingen 1980.

Mettke 1989 Mettke, Heinz: Mittelhochdeutsche Grammatik. Leipzig / Tübingen 1989.

Paul / Wiehl / Grosse 1989 Paul, H./ Wiehl / Grosse, S.: Mittelhochdeutsche Grammatik. Tübingen 1989.

Schmidt 1980 Schmidt, W. (Hg.): Geschichte der deutschen Sprache. Berlin 1980.

Singer 1996 Singer, J.: Grundzüge einer rezeptiven Grammatik des Mittelhochdeutschen. Paderborn / München / Wien / Zürich 1996

Weddige 1996 Weddige, Hilkert: Mittelhochdeutsch. Eine Einführung. München 1996.



Weinhold / Ehrismann / Moser 1986 Weinhold K./Ehrismann, G./Moser, H.: Kleine mittelhochdeutsche Grammatik. Wien 1986.


1 nach Weddige 1996, S. 7

2 Weddige 1996, S. 19

3 aus Bauer / Haage 1986, S. 133ff

4 F. Maurer (Hg.): Der altdeutsche Physiologus, Tübingen 1967 (ATB 67), S. 91f.

5 ibid., S. 7

6 Matthäus Friedrich, Wider den Saufteufel. In: Frühnhd. Lesebuch S. 93f

7 „athematische Bildungsweise“: die Flexionsendung schließt (ohne Thema- oder Bindevokal) unmittelbar an die Wurzel an; z.B.: bind-e–t = Wurzel+Thema+Endung ↔ tuo–t Wurzel+Endung.

8 z.B.: alsô tuon ich iu morgen; dar nâch sô sihe ich schiere den stein unde den brunnen.

9 Passivbildungen Perf., Plusquamperf. bin/was - worden sind mhd. nur vereinzelt belegt.

10 und nicht wie der Name naheliegt „ein rückgängig gemachter Umlaut“.

11 vgl. got. waljan - ahd. welen, wellen; got wandjan - ahd. wenten, wenden

12 = sog. vorahd. Synkope

13 Langsilbige jan-Verben mit nicht umlautfähigem Wurzelvokal bilden alle Formen ohne Vokalwechsel, da Umlaut hier nicht eintreten konnte: z.B. kêren - kêrte - gekêrt, spitzen - spitzte, blicken - blicte, îlen - îlte, teilen - teilte, zieren - zierte, leiten - leit(t)e, neigen - neicte, gelouben – geloupte.

↔Kurzsilbige jan-Verben zeigen durchgehend in allen Formen Umlaut: z.B. got. nasjan - nasido > ahd. nerien – nerita.

14 s. auch o.: got. nasjan - nasido > ahd. neriennerita.

15 da im Vorahd. germ. ai vor r, w und germ. h zu ê wurde.

16 da frühahd. germ. au vor Dentalen und vor germ. h zu ô wurde

17 Md. steht 1.P.Sg.Präs.Ind. e statt i: ich helfe.

18 Es heißt binden helfen, und gebunden geholfen weil die Verbindung Nasal+Konsonant den a-Umlaut i>e, u>o verhinderte

19 Doppelkonsonanz wird im Auslaut vereinfacht, deshalb Sg. Prät. bram, entran etc

20 Dehnstufe statt der Schwundstufe

21 < germ. h

22 die durch die 2. Lautverschiebung entstanden sind.

23 Folgen der westgerm. Konsonantendehung: Präsens urspr. mit ja-Thema gebildet, deshalb sind Gemination und Umlaut wirksam geworden.

24 Die Bildung der Präteritalformen erfolgte hier ursprünglich durch einfache Reduplikation (Rückdopplung) des wurzelanlautenden Konsonanten (z.B. got. haítan - Prät. haíhaít [héhait]) oder durch Reduplikation und Ablaut (z.B. got. lêtan - Prät. lailôt [lélôt]). In beiden Fällen erfolgte im As. und im Ahd. Kontraktion in den Präteritalformen; Ergebnis ist im Mhd. ie in allen Formen des Präteritums. Der Schwund der Reduplikationssilbe ergibt neue Wurzelvokale für das Präteritum, die sich von den Wurzelvokalen des Präsens unterscheiden; daher: im Ahd./Mhd. bilden diese Verben ihr Präteritum wie die ablautenden (Part. Prät. ebenfalls auf -en).

25 diese Verben werden nhd. vielfach schwach flektiert.

26 aus Bauer / Haage 1986, S. 134ff


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