R e c h t s k u n d e


Das geographische Kriterium



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1.1 Das geographische Kriterium

Um nun zum Kern der Dinge vorzudringen und die Eingangsfragestellung zu untersuchen, ob die Türkei zu »Europa« gehört, sollten wir uns zunächst dem geographischen Kriterium zuwenden, weil es am einfachsten zu beantworten scheint. Erst wenn hierauf keine zwingend eindeutige Antwort gefunden werden kann, muss zur Beantwortung der Frage einer eventuellen Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union eine Antwort auf die Frage nach der Identität Europas gesucht werden, um möglicherweise so ein hinreichend zulängliches Unterscheidungskriterium zur Beantwortung der Fragestellung Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ja oder nein zu erhalten.


Bei dem Lösungsversuch, über das geographische Kriterium eine europäische Identität zu bestimmen, könnte zunächst problematisiert sein, ob es auf dem Doppelkontinent »Eurasien« überhaupt zwei verschiedene Erdteile Europa und Asien gibt, oder ob das, was gemeinhin als „Europa“ bezeichnet wird, nicht eigentlich „West-Asien“ oder „Westasiatische Halbinsel“ genannt werden müsste. Ganz eindeutig: Es gibt im Bewusstsein der Menschen auf der ganzen Welt einen eigenen Kontinent „Europa“. So hat zum Beispiel das Olympische Komitee auf Vorschlag des Neubegründers der Olympischen Spiele Coubertin die Olympische Flagge mit fünf Ringen als Symbol für fünf Kontinente gestaltet: einer steht dabei für Europa, ein anderer für Asien.

Wenn es auf dem eurasischen Doppelkontinent zwei verschiedene Kontinente gibt, dann müssen sie durch eine irgendwo verlaufende Grenze getrennt sein. Gibt es diese Grenze? Wieder ganz eindeutige Antwort: großenteils ja. Sie wurde vor rund 300 Jahren von dem Geographen Philip Johan von Strahlenberg auf Grund von im Auftrag des Zaren vorgenommener Vermessungsarbeiten entlang der Wasserscheide des Uralgebirges, entlang des Uralflusses und durch die Manytschniederung festgelegt und 1730 von der russischen Krone anerkannt. Diese Grenze ist nicht nur unter Geographen unstreitig, sondern auch im Bewusstsein des größten Teiles der Staatenwelt.

Da es so ist, dass sowohl weltweit unter den Geographen wie auch im Bewusstsein der meisten Menschen auf der ganzen Welt unstrittig zwischen Europa einerseits und Asien andererseits geographisch unterschieden wird, schließt sich daran gleich die Frage an, wie der weitere Grenzverlauf zwischen beiden Kontinenten auf dem Doppelkontinent gesehen wird, gesehen werden kann oder gesehen werden muss. Die (deutschen) Geographen rechneten vor 40 Jahren in den von mir besuchten Geographievorlesungen Europa bis hin und entlang des Verlaufes der Wasserscheide des Uralgebirges und dann von dessen Südspitze in einer Linie hin zum Bosporus. Laut Brockhaus (Stichwort „Europa“) gelten als Grenze Europas zu Asien „... herkömmlich das Uralgebirge, der Uralfluss, Kaspisches Meer und die Manytschniederung im nördlichen Kaukasusvorland.“ Fortgesetzt werden muss diese Grenzziehung entlang der Wolga, durch das Asowsche und das Schwarze Meer zum Bosporus. Und nicht weiter östlich!

Mir ist nicht bekannt, dass der damalige geographische Konsens unter den Geographieprofessoren inzwischen aufgekündigt worden sei. Darum habe ich persönliche Schwierigkeiten, Länder wie (das christliche) Georgien, (das christliche) Armenien und Aserbaid­schan als »Europa« zugehörig anzusehen, auch wenn sie (aus mir unbekannten Gründen) im Europarat vertreten sind.

So ergibt sich als Antwort auf die Frage: „Gehört auf dem eurasischen Doppelkontinent die Türkei geographisch zu »Europa« oder zu »Asien«?“ unter geographischen Gesichtspunkten die ganz eindeutige Antwort: Die heutige Türkei gehört gerade mal mit einem Gebietszipfel von 3 % ihres Staatsgebietes als historisches Überbleibsel ihrer Eroberungszüge nach Europa zu dem Kontinent Europa, 97 % des türkischen Staatsgebietes liegen in Asien; und der Schwanz bellt nicht mit dem Hund!

Das sieht u.a. auch der französische Staatspräsident Sarkozy so, der während seines Wahlkampfes im Mai 2007 wiederholt die Meinung vertreten hatte, der Türkei stehe kein Platz in der EU zu, weil sie geografisch nicht in Europa liege. Sarkozy kündigte an, auf dem EU-Gipfel Ende Dezember 2007 eine Grundsatzdebatte über die Grenzen der EU – und damit auch über die Türkei-Frage – führen zu wollen.


Wenn dagegen die gesamte Türkei, die von einigen türkischen und nichttürkischen Beitrittsbefürwortern immer wieder vehement als »europäisches« Land ausgegeben wird, geographisch zu »Europa« gehörte, dann verliefe die Grenze »Europas« gegenüber Asien mitten durch Vorder- und Mittelasien, u.a. teilweise entlang der Staatsgrenzen des Irans und des Iraks: Ein von Portugals Westküste bis zu Irans Westgrenze reichendes »Europa« hat jedoch noch kein europäischer und wohl auch kaum ein außereuropäischer Geograph oder Politiker definiert – außer dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in einem SPIEGEL-Interview vom 04.10.04, wo er ganz unverfroren kundtat: „Zunächst lehrt uns schon die Geografie, dass die Türkei ein Teil des europäischen Kontinents ist. Die Türkei ist das letzte Tor Europas nach Asien und Asiens Tor zu Europa.“
Mit der letzteren Zuordnung der Türkei als „Asiens Tor zu Europa“ mag Erdogan durchaus Recht haben, nur nicht mit der ersten, sehr willkürlich vorgenommenen Zuordnung. Und wenn man das Sprachbild des türkischen Ministerpräsidenten genauer untersucht, dann kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis: Ein Tor, selbst wenn es nur eine Saloon-Schwingtür wie in einem Western wäre, ist immer an einem Gebäude befestigt, und dieses Gebäude, an dem die Türangeln befestigt sind, ist im Falle der Türkei Asien! Nicht aber Europa! Der als Beuterest aus früheren Eroberungen nach Europa hinein ragende Gebietszipfel macht aus der Türkei noch kein europäisches Land, wie es z.B. Ungarn ist; genau so wenig, wie Spanien durch seine afrikanischen Besitzungen Ceuta und Melilla zu einem afrikanischen Land geworden wäre, sondern ureuropäisch geblieben ist! Man darf vermuten: Selbst der auf diesem Gebiet dilettierende »Hobby-Polit-Geograph« Erdogan würde Spanien nicht als afrikanisches Land definieren! Mit welcher Berechtigung sollte im Gegensatz dazu bei annähernd analogen Gegebenheiten – die europäischen Besitzungen der Türkei sind in etwas zum gleichen Zeitpunkt und auf die gleiche Weise zur Türkei gekommen, wie die afrikanischen Besitzungen Ceuta und Melilla an Spanien - die Türkei als europäisches Land angesehen werden?

Die abstrusen Behauptungen von Politikern werden leider zu wenig hinterfragt. Andernfalls käme man unter Einsatz des logischen Verstandes – eine Gehirneigenschaft, die viele Politiker als Berufskrankheit leider verloren zu haben scheinen, wenn man ihr Gerede genauer überprüft – zu dem aufschlussreichen Ergebnis: Nach der verqueren politischen Gebrauchslogik des türkischen Ministerpräsidenten wären Ägypten und der Iran Teile des europäischen Kontinents gewesen, als der Makedonier Alexander der Große über diese Länder geherrscht hatte!

Und das behauptet nicht einmal Erdogan.
Daraus ergibt sich die Anschlussfrage: Soll die Türkei als Staat wegen ihres nur dreiprozentigen Gebietsanteils am zunächst einmal rein geographisch definierten »Europa« in der Gesamtheit ihrer Landnasse diesem so definierten »Europa« zugerechnet werden? Eindeutig nein! Wenn ein Baum mit einigen Ästen in den Nachbargarten reicht, so gehört er doch zu dem Grundstück, aus dem heraus sich sein Stamm erhebt und wo möglicherweise der größte Teil seiner Wurzeln verläuft – selbst wenn von den Ästen Früchte auf das Nachbargrundstück fallen. Die Landmasse der Türkei ist geographisch Asien zuzurechnen: Das Gebiet der Türkei bildet den westlichsten Teil Asiens, der von den (europäischen) Geographen als Vorderasien bezeichnet wird. Wie Spanien trotz seiner afrikanischen Besitzungen ein rein europäisches Land ist, so ist die Türkei trotz ihres nach Europa hineinragenden Gebietszipfels ein rein asiatisches Land!

Das war jedenfalls so lange unstreitig, wie es keine Beitrittsdebatte hinsichtlich einer (un-)möglichen Zugehörigkeit der Türkei zur EU gab, und ist es geographisch auch weiterhin im Fachwissen der Geographen und im Bewusstsein der Weltbevölkerung. Und ein asiatisches Land kann und sollte nicht zu der Europäischen Union gehören! Die Türkei ist trotz ihres dreiprozentigen nach Europa hineinreichenden Gebietszipfels genau so ein asiatischer Staat, wie andererseits Spanien trotz seiner zwei in Nordafrika liegenden Gebietszipfel Ceuta und Melilla unbezweifelbar ein europäischer und kein afrikanischer Staat ist; bei den angesprochenen, jeweils in den benachbarten Kontinent ragenden Gebietszipfeln beider Staaten handelt es sich um Restbesitzungen lange zurückliegender ehemaliger Eroberungen, die weder die grundsätzliche geographische Zuordnung des jeweiligen Landes definieren, noch seine grundlegende »geistige« Ausrichtung bestimmen. Die geistige Ausrichtung Europas und sein Geschichtsbewusstsein hat nie(!) die Türkei mit umfasst, wie andersherum Europa nie(!) zur geistigen Ausrichtung der Türkei und seinem Geschichtsbewusstsein gehört hat! Wieso will die Türkei jetzt auf einmal zu einem Europa gehören, das nach meinen Vorstellungen mehr sein soll als eine reine Wirtschaftsunion?

Und es ärgert mich die politische Ignoranz, mit der der Europäische Fußballverband 2005 überlegte, die nächste Europameisterschaft an die asiatische Türkei zu vergeben: die Herren haben in ihrer Zeit als aktive Fußballer vermutlich zu viele hart getretene gegnerische Torschüsse mit dem Kopf abgewehrt und davon eine »weiche Birne« erlitten!


Und wie ist es, wenn man das auf eine von Fachleuten verabredete Definition zurückführbare (und deswegen mit vielleicht einem einsichtigen Grund möglicherweise auch anders definierbare) verobjektivierte geographische Argument einen Augenblick beiseite lässt und nach dem rein subjektiven »geographischen Selbstverständnis« der Angehörigen der betroffenen Völker fragt? Was ergibt sich dann?

Wenn wir nur die West-Ost-Ausdehnung zu Grunde legen, so wird jeder Portugiese, Spanier, Franzose, Deutsche, Pole, Balte, Ungar, Bulgare, Rumäne und wohl auch Russe auf die Frage, auf welchem Kontinent er lebt, nur eine Antwort geben: Europa. Jeder, dessen Land seit Jahrhunderten zu Europa gehört, begreift sich als Europäer. Keine Europäer wird von sich aus sagen, weil er auf dem eurasischen Doppelkontinent lebt, sei er halb Europäer, halb Asiat. Irgendwo und irgendwie, je nachdem welches Kriterium im subjektiven Empfinden in den Vordergrund gerückt wird, um sich als Europäer oder Asiat zu empfinden, verläuft dann die ganz subjektiv empfundene Trennlinie zwischen Europäern und Asiaten, die für die Türkei nicht aufgehoben ist!



Fragt man hingegen Türken, ob sie zu dem Kontinent Asien oder Europa gehören und sich deswegen als Asiaten oder Europäer empfinden, so erhält man unterschiedliche Antworten:


  1. Die, die neu hierher gekommen sind, empfinden sich genau so Asien zugehörig, wie Deutsche, die frisch nach Südamerika, Asien oder Afrika ausgewandert sind, sich weiterhin als Deutsche und Europäer empfinden. Schwieriger wird es, wenn eine Auswandererfamilie in der x-ten Generation in dem neuen Land lebt: irgendwann empfinden die Nachkommen sich mehr dem für sie lebensbestimmenden Neuen zugehörig als den Wurzeln der Familie. Zur Veranschaulichung sei auf die Deutschstämmigen in Namibia verwiesen.

  2. Diejenigen türkischstämmigen Inhaber eines deutschen Passes oder vielleicht sogar die »Pass-Türken«, die sich als Nachkommen der als ehemalige „Gastarbeiter“ nach Europa gekommenen Türken hier aufhalten, aber – der türkischen Tradition folgend – sich über ihre Familie eine Frau aus konservativer türkischer Familie »besorgt« haben oder sich in dritter oder vierter Generation hier befinden und hier durch unseren europäischen Lebensstil (teilweise nur sehr unvollkommen) europäisch sozialisiert wurden – als Lehrer und Strafrechtler weiß ich, wovon ich rede(!) -, geben sich - mit türkischem oder deutschem Pass oder dem eines anderen EU-Landes, angemaßt oder nicht – oft als Europäer aus, auch wenn diese Jugendlichen auf ihren MP3-Playern großenteils oder überwiegend türkische Musik gespeichert haben. Ein deutscher und damit fraglos europäischer Jugendlicher hat auf seinem MP3-Player (so gut wie) keine vorderasiatische Musik abgespeichert!

Das die hier lebenden und aufgewachsenen (»nur noch«) türkischstämmigen oder (weiterhin) türkischen »kulturellen Zwitterwesen« sich uns Europäer gegenüber als »Europäer« ausgeben – bei Besuchen in der Türkei mag ihre Definition von sich dort lebenden Türken gegenüber anders ausfallen -, ist aus dem subjektivem Empfinden heraus verständlich, denn man will dort, wo man lebt, fraglos ungefährdet dazugehören und als Mitglied der Gemeinschaft seiner üblichen Lebensumwelt respektiert werden und nicht einen psychologisch unsicheren, mehr oder weniger nur geduldeten Status innehaben. Fast jeder Mensch strebt nach einer gewissen Lebenssicherheit. Daher auch die in den deutschen Medien kolportierte unangemessen heftige Reaktion des Vorsitzenden des Vereins der Türken in Deutschland, Keskin: „Frechheit“ zu dem von der CDU-Vorsitzenden Merkel mit dankenswertem politischen Mut, den die meisten männlichen Kollegen nicht aufbrachten, von »Mann« zu Mann auch direkt in der Türkei unterbreiteten Angebot einer privilegierten Partnerschaft für die Türkei zur EU statt einer Vollmitgliedschaft in der EU.

  1. Doch auf die Meinung der hier lebenden »kulturellen Zwitterwesen«, die sich teilweise zwischen der europäischen und der türkisch-islamischen Kultur hin und her gerissen fühlen und dann an dieser sich für sie daraus ergebenden Spannung leiden, kommt es bei der Bestimmung, ob die in der Türkei lebenden und durch ihre Politiker in die EU drängenden Türken sich als Asiaten oder Europäer empfinden, nicht an. Erhellend für die unter uns lebenden und um die Anerkennung ihres persönlichen Status’ als »Europäer(?)« kämpfenden Türken müsste es sein, als was sich die aus wirtschaftlichen und politischen Gründen in die EU drängenden aber (noch) in der Türkei lebenden Türken subjektiv empfinden: Als Asiaten oder Europäer?

Um das Ergebnis ganz vorsichtig anzudeuten und mich nicht mit den Befürwortern der skurrilen, ja geradezu abwegigen entgegengesetzten Auffassung, „die Türkei begreife sich als europäisches Land“, um nur gemutmaßte und nicht durch eine detaillierte, das ganze Staatsgebiet der Türkei umfassende Umfrage abgeklärte Prozentzahlen streiten zu müssen: Ich wage zu bezweifeln, dass sich jeder in der Türkei lebende Türke so selbstverständlich als Europäer begreift, wie jeder Skandinavier, Brite, Deutsche, Italiener oder Grieche - um dieses Mal eine exemplarische Aufzählung in grober Nord-Süd-Richtung zu wählen - es mit Recht tun darf und auch tut.

Bei einer Befragung der in ihrem Land lebenden Türken werden sich die meisten, dessen bin ich mir nach nur wenigen Urlauben in der Türkei sicher, als durch Atatürk dem Westen angenäherte, Asien zugehörige Türken verstehen, da die Türkei auf dem asiatischen Kontinent liegt und weil das im 13. Jahrhundert - als es schon so etwas wie »Europa« gab - aus der Mongolei gekommene, schließlich bis an das Mittelmeer gelangte Turkvolk der Osmanen, welches das griechisch-orthodox geprägte Byzantinische Reich und seine staatstragende christliche Kultur nach 1.000 Jahren seines Bestehens vernichtete, sich an dessen Stelle setzte und den unterworfenen Byzantinern letztlich die islamische Kultur überstülpte, noch viele kulturelle und sprachliche Verbindungen zu den Turkvölkern aus dem Ursprungsgebiet der Mongolei oder auf den Zwischenrastplätzen seiner Völkerwanderung aus seinem ursprünglichen Herkunftsbereich hat.

Gegen die dümmliche zweckgerichtete Behauptung türkischer Politiker, die Türkei gehöre zu Europa, sei ein Teil Europas, spricht – neben vielen anderen ausschließenden Gründen - schon allein die Tatsache, dass die türkische Sprache nicht zu einer der europäischen Sprachfamilien gehört, sondern ganz eindeutig zu der Sprachfamilie der asiatischen Turkvölker.

Zu z.B. den Turkvölkern der GUS-Staaten zählen mehr als 50 Millionen Bewohner Aserbaidschans, Turkmenistans, Usbekistans, Kirgisiens und Kasachstans. Die Türken haben ein (von den US-Amerikanern zur Zurückdämmung des iranischen Einflusses in den GUS-Staaten der ehemaligen Sowjetunion bezahltes) Fernsehprogramm in zum Teil vereinfachtem Türkisch eingerichtet, das bei allen Turkvölkern der GUS-Staaten verstanden wird und mit dem die mehr als 50 Millionen Bewohner Aserbaidschans, Turkmenistans, Usbekistans, Kirgisiens und Kasachstans erreicht und beeinflusst werden.

Die Türken werden von den führenden Politikern aus den Einzelstaaten der Turkvölker in den islamischen GUS-Nach­folgestaaten als Vorbild umschmeichelt: "Auf der türkischen Straße " wolle man marschieren, hat der frühere usbekische Kommunistenführer und jetzige Präsident von Usbekistan, Islam Karimow, versprochen; die Türkei sei "das einzige Vorbild", schwärmte der Präsident von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew; sie gleiche dem "Morgenstern, der uns den Weg zeigt", liebedienerte der (2005 von seinem Volk verjagte und von dem Oppositionspolitiker Bakijew ersetzte) vormalige Präsident von Kirgisien, Askar Akajew. Darum sah der damalige türkische Staatspräsident Turgut Özal das "Jahrhundert der Türken" heraufziehen; und das sah er nicht in Europa! Entsprechend waren seine Reden und Gesten dem Westen gegenüber!!!



"Im Galopp kommend aus dem fernen Asien / streckt es sich ins Mittelmeer wie der Kopf / einer Stute! /Das ist unser Land." (Nazim Hikmet, Der Aufruf)

In der renommiertesten deutschsprachigen weltgeschichtlichen Darstellungsreihe, der von Golo Mann, Alfred Heuß und August Nitschke herausgegebenen „Propyläen Weltgeschichte - Eine Univer­salgeschichte“ schreibt als renommiertester Islamwissenschaftler der Edinburgher „Professor of Arabic and Islamic Studies“ W. Mont­gomery Watt 1965 in „Summa Historica - Die Grundzüge der welthistorischen Epochen“ in seinem das Verständnis von Zeit und Geschichte, von Religion, Recht und Gesellschaft am Beispiel des »Islam« zusammenfassenden Beitrag (Bd. 11, „Summa Historica“, Kapitel Islam, S. 265):


„Der Dichter Firdausi (gestorben um 1020) sammelte [nach der im Laufe des 7. Jahrhunderts vorgenommenen Islamisierung des zuvor halb zarathustrischen und halb christlichen Persien durch die militärisch erfolgreichen Araber; der Verf.] in seinem »Buch der Könige« (Schah-Nama) Erzählungen der verschiedenen Regionen Persiens und half damit, das Bewußtsein von einer gemeinsamen Kultur, ja fast von einer persischen Nation wiederzubeleben. Doch all dies vollzog sich in dem vom Islam gesetzten Rahmen. Ein persischer Staat, der zum islamischen Staatensystem in einem Gegensatz gestanden hätte, wäre undenkbar gewesen. Firdausi weckte wieder den Glauben an die alte Sendung des Iran, gegen »Turan« zu kämpfen, Kultur und Zivilisation gegen das Barbarentum der asiatischen Steppen – und dessen Inbegriff, die »Türken« - zu verteidigen, das sie zu verschlingen drohte.“
Das Argument des Verteidigens der neu angenommenen islamischen Kultur durch die Iraner gegen die »Türken« legt die nicht ausgeführte Vermutung nahe, dass die den Iran damals bedrohenden Turkstämme möglicherweise zu diesem fraglichen Zeitpunkt noch gar nicht islamisiert gewesen waren. Aber wie dem damals auch gewesen sein mag: unstreitig ist, dass die aus »Turan« stammenden Turkvölker asiatische Reiternomaden aus der Mongolei gewesen waren; und keine »europäischen« Stämme! Da müsste es die intellektuelle Redlichkeit verbieten, von »den Türken« als einem Europa zugehörigen Volk oder der Türkei als einem europäischen Land zu reden!

Für dieses Selbstverständnis »der (in der asiatischen Türkei ansässigen) Türken« als asiatisches Volk spricht vielleicht auch die schon abwertende Bezeichnung, mit der die aus Deutschland in ihr Ursprungs- oder gar Heimatland fahrenden Türken von ihren (dort!) daheim gebliebenen Landsleuten als „Deutschler“ bezeichnet werden.
Damit ich hinsichtlich der subjektiven Selbsteinstufung »der Türken« als (teilweise behauptete) Europäer oder (tatsächliche) Asiaten nicht nur auf mein Bauchgefühl angewiesen war, startete ich per persönlichem Interview eine Umfrage unter den vielen »Kopftuch-Schülerinnen« meiner Berufsschule: Wenn sie meine Frage nach in der Türkei lebender Verwandtschaft bejaht hatten, fragte ich sie, wie diese sich weiterhin in der Türkei lebenden Verwandten ihrer Meinung nach empfinden: als Europäer oder als Asiaten? Nicht ein einziges Mal wurde mir geantwortet: als Europäer. Wenn ich die Entscheidungssituation auf die Wahl der Zugehörigkeit ausschließlich auf die Alternative Europäer oder Asiaten zuspitzte, wurde mir ausschließlich geantwortet: als Asiaten!!!
Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt geographisch kein Europa bis zum Iran; weder objektiv, noch subjektiv! Auch dann nicht, wenn in Europa lebende Türken - mit kaum erkennbarem schlechten Gewissen und (teilweise unangemessen) viel Verve (noch einmal sei an das keskinsche „Frechheit“ erinnert) – diese intellektuelle Unredlichkeit begehen und das so behaupten und die politische Führungsschicht der Türkei es aus durchsichtigen, insbesondere wirtschaftlichen und dann auch aus politischen Gründen so einfordert.

Was soll man von einem Politiker halten, der sich nicht entblödet, sich die Realität entgegen den Erkenntnissen der Wissenschaft und wider besseres Wissen so zurechtzulügen? Geographisch war die Türkei nie ein Teil Europas! Das Osmanische Reich hatte »nur« große Teile südosteuropäischen Gebietes erobert und einige Jahrhunderte besetzt gehalten, worunter Europa – wie man an den Auseinandersetzungen u.a. im Kosovo sieht - heute immer noch leidet! Und kulturell gehörte ostwärts der Dardanellen in Asien ausschließlich das vom griechischen Geist mitgeprägte und mitgeschaffene Ostrom zu Europa, war Ostrom 1.000 Jahre lang ein Teil der europäischen Kultur, nie aber die nach der Niederwerfung des 1.000-jährigen Oströmischen Reiches sich auf dessen Gebiet niedergelassen habende osmanische Türkei, die im scharfen Gegensatz dazu stand und sich »nur« dessen Siedlungsgebiet durch Eroberung angeeignet hatte.

Ein Blick auf Russland könnte bei ruhiger Betrachtung den türkischen Zorn möglicherweise etwas mildern: Russland westlich des Urals ist nicht nur geographisch, sondern auch kulturell ein Teil Europas. Große russische Literatur und Kunst ist große europäische Kunst, die – um nur eine kleine Auswahl zu nennen - u.a. von den Literaten Puschkin, Gogol, Turgenjew, Tschechow, Tolstoi, Dostojewski, Gorki, Scholochow, Solschenizyn und Pasternak, neben den Kosakenchören und den gregorianischen Gesängen von den Musikern Rubinstein, Tschaikowski, Rimski-Korsakow, Strawinsky, Prokofieff, Rachmaninow und Schostakowitsch und den Malern Kandinsky und Chagall repräsentiert wird. Und trotz dieser unbezweifelbaren Teilhabe an der europäischen Kultur und des bedeutendsten Gebietsanteils in der Größe von 25 % des riesigen Landes in Europa wird Russland wohl nie Teil der Europäischen Union werden, weil sonst die Grenzen einer solchen Europäischen Union bis an das Westufer des Pazifiks und damit die Ostgrenze Asiens reichen würden. Und da will die Türkei mit dem für die Kultur und die Identität des Landes relativ unbedeutenden Europa zugehörigen Gebietsanteil von 3 % als europäisches Land gelten? Das darf nicht wahr sein! Ist es aber – und zeigt, was an unangemessener Selbsteinschätzung und sich daraus ableitendem Anspruchsdenken auf uns zukommen wird, sollte die asiatische Türkei Vollmitglied der Europäischen Union werden.

Weil das geographische Argument die mit aller Macht und teilweise beleidigtem Stolz in die EU drängenden Türken nicht mehr verstandesmäßig erreicht und die mit einem EU-Beitritt verbundenen wirtschaftlichen Hoffnungen und Erwartungen im politischen Bewusstsein führender türkischer Politiker und vieler in Europa lebender Türken hinsichtlich des vorstehend abgehandelten geographischen Kriteriums eine Amnesie bewirkten, muss nach weiteren Kriterien geschaut werden, wobei fraglich bleibt, ob durch weitere Argumente die jedenfalls aus zunächst rein wirtschaftlichen und möglicherweise auch politischen Gründen gewollte Amnesie aufgelöst werden könnte.





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