R e c h t s k u n d e


Historisch-kulturelle und politische Argumente gegen eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU



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1.2.2.4 Historisch-kulturelle und politische Argumente gegen eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU


Selbst wenn es (nach meinem Dafürhalten) kein einziges historisches oder kulturelles Argument gibt, das die Zugehörigkeit der heutigen Türkei zu Europa zu stützen in der Lage wäre, so gibt es aber viele historisch-kultu­rel­le und weitere politische Argumente gegen eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU. Terroristische Islamisten u.a. der "Organisation islamische Bewegung" und der "Organisation islamische Rache" begingen in der Türkei 1990 über 10 Politmorde und gaben in Bekennerschreiben als Begründung an, "die Hinrichtung der Ungläubigen erfolgte wegen ihrer Meinung zur islamischen Bekleidung". Wegen einer solchen in Europäeraugen belanglosen Nichtigkeit wurde in der Türkei engagierten Menschen ihr Leben genommen, die in ihrem Land eine Demokratisierung der Lebensverhältnisse anstrebten, um durch die Umsetzung, neudeutsch: Implemantierung, »europäischer«, dem Land großenteils immer noch fremder demokratischer Strukturen in die alltäglich Lebenswirklichkeit die Lebensumstände in ihrem Land lebenswerter zu gestalten! Das Beängstigende daran sind nicht die wenigen Verbrecher aus ideologischer Verblendung, die gibt es überall, auch bei uns - erinnert sei an die RAF -, sondern dass eine beunruhigend hohe Anzahl konservativ-gläubiger Türken bis in die Regierung – siehe den ständigen Kampf konservativ-islamischer Minister, trotz Verfassungsverbots als politische Demonstration ihre Frauen mit Kopftüchern zu offiziellen Anlässen erscheinen zu lassen, was sich der Staatspräsident bisher jedes Mal ausdrücklich verbitten musste(!) und das Verhalten des türkischen Ministerpräsidenten, der seine Töchter durch das Sponsoring eines reichen Fundamentalisten in den USA studieren lässt, damit sie mit Kopftüchern in die Universität gehen können - dass also eine beunruhigend hohe Anzahl konservativ-gläubiger Türken bis in die Regierung dem fundamentalistischen Gedankengut sehr nahe steht und ihm auch anhängt, einem Gedankengut, das in seiner extrem intoleranten Ausprägung mit Bombenterror seine religiös-kulturellen Anschauungen für andere verbindlich machen will: Diese zahlreichen Glaubensfanatiker und ihre noch zahlreicheren geistigen Sympathisanten, die das nach Jahrhunderte langen Kämpfen inzwischen zur europäischen Identität gehörende Toleranzgebot völlig negieren, sollen wir mit einem Beitritt der Türkei in die EU sehenden Auges zwangsläufig mit aufnehmen?

Mich beunruhigen, wie gesagt, nicht die wenigen ihre Vorstellungen mit Bombenterror ausdrückenden Verbrecher, sondern der hohe Prozentsatz der deren Vorstellungen Nahestehenden, die solche Anschläge »mit klammheimlicher Freude« zur Kenntnis nehmen.

Mich beunruhigt, dass sie nicht das Tischtuch zwischen sich und den religiösen Ex­tremisten zerschneiden! Ein Schlaglicht auf die Denkkategorien der konservativen heimlichen Sympathisanten der Extremisten warf die Meldung vom 09.04.97, gerade nur sieben Jahre vor der Entscheidung der EU über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bezüglich einer Vollmitgliedschaft: Der türkische Ministerpräsident Erbakan, der geistige Ziehvater des gelernten Imam und jetzigen Ministerpräsidenten Erdogan, hatte in Ankara auf einer Feier beim Absingen der Nationalhymne die Frauenstimmen in einem Jugendchor verbieten und stattdessen eine Kassette mit reinen Männerstimmen abspielen lassen. Das ist Ausdruck der türkischen Identität in tonangebenden konservativen Kreisen. Zur europäischen Identität gehört aber die Gleichberechtigung von Frau und Mann! Die ist jedoch in der kulturellen Tradition der den Ton angebenden konservativen Kreise in der Türkei – und der rund 31.000 konservativen Türken in Deutschland nur allein rund um Milli Görüs mit ihrem Ziel der „Eroberung Europas durch den Islam“ und der Errichtung einer streng islamischen Gesellschaftsordnung mitten in Deutschland! – nicht existent. Erschütternd die 2004(!) von Amnesty International in ihrem Jahresbericht erfolgte Zusammenfassung über die familiären Umstände der Frauen in der Türkei:
Türkei: Gewalt gegen Frauen

Weit über ein Drittel aller türkischer Frauen wird Opfer familiärer Gewalt. Dies ist das Ergebnis eines neuen ai-Berichts, den amnesty international Anfang Juni in Istanbul vorstellte. Danach werden Frauen zwangsverheiratet, misshandelt, vergewaltigt und ermordet. Noch immer gilt Gewalt in der Familie als „Privatsache“. Es fehlt an angemessenen staatlichen Schutzmaßnahmen und Behörden gehen Anzeigen von Frauen nur ungenügend nach. Wenn es überhaupt zu einer Anklage kommt, werden die Täter häufig zu milden Strafen verurteilt. „Es ist ein Skandal, dass ein Vergewaltiger ohne Strafe davonkommt, wenn er sich bereit erklärt, sein Opfer zu heiraten. Die betroffene Frau dagegen wird doppelt bestraft, denn sie ist ihrem Peiniger im schlimmsten Fall lebenslang ausgeliefert“, erklärte Amke Dietert, Türkei-Expertin von ai.

(amnesty news Heft 2, Juni 2004)
"Es muss für jeden neuen Deutschen klar sein, dass bei uns das Gewaltmonopol des Staates gilt und nicht etwa das Gewaltmonopol des türkischen Mannes." Wer die Geschichte und die Werte Deutschlands nicht kenne und die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht akzeptiere, könne nicht Deutscher werden. (Stoiber in BILD im März 06)
Eine Türkin, die den Mut besessen hatte, im türkischen Fernsehen über die von ihr erlittene häusliche Gewalt nur zu berichten, ist daraufhin von ihrem Vater aus dem Deklassierungserlebnis heraus, das viele türkische Männer zur Gewalt bis hin zu „Ehrenmorden“ greifen lässt, erschossen worden:
Vater erschießt Tochter nach Fernsehauftritt

Türkei


Eine Türkin ist von ihrem Vater erschossen worden, weil sie in einer Fernsehsendung zum Thema Gewalt in der Familie von ihren eigenen Erfahrungen erzählt hatte. "Du hast uns blamiert", beschimpfte der Vater die 32jährige vor den tödlichen Schüssen, wie türkische Zeitungen am Freitag berichteten. Die zweifache Mutter aus der Kleinstadt Catalca bei Istanbul war in der Fernsehshow mit einer Perücke aufgetreten, um nicht erkannt zu werden. dpa

DIE WELT 12.11.05


Es war die dritte Frau, die nach einem Fernsehauftritt in dem türkischen Sender Star-TV von einem ihrer Angehörigen erschossen worden ist, weil sie über die erlebte häusliche Gewalt berichtet haben. Um nicht weiter in dem Tod von mutigen Frauen mitschuldig zu werden, hat der Sender nach dem dritten Mord die Sendung eingestellt; auch eine Lösung. Nun erleben die Frauen weiterhin die häusliche Gewalt, ohne dass sie sie publik machen können, um so vielleicht eine Änderung ihrer Lebensverhältnisse herbeiführen zu können.
Und diese Verhaltensweisen werden ja nicht abgelegt, wenn die türkischen Männer ihre Frauen aus entweder der Türkei holen oder sie sich hier in Deutschland im türkischen Milieu suchen:
Regierung legt Papier zur Integration von Moslems vor

von Martin Lutz

Berlin -  In Deutschland lebende türkische Migrantinnen sind oft schwerer häuslicher Gewalt ausgesetzt. Sie werden nicht nur häufiger geschlagen oder sexuell mißbraucht als deutsche Frauen, in der Regel sind die Verletzungen auch schlimmer. "Die Gewaltbelastung von Frauen in türkischen Familien ist deutlich höher als in deutschen Familien", sagte die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), der WELT. … Nach einer aktuellen Studie des Bundesfamilienministeriums … waren bezogen auf die erlebten Gewalthandlungen die Anteile der Betroffenen, die verprügelt, gewürgt, mit einer Waffe bedroht oder denen eine Ermordung angedroht wurde, bei den Türkinnen jeweils fast doppelt so hoch wie bei den von körperlicher Gewalt betroffenen Frauen der Hauptuntersuchung. Als besonders bedrückend werden Zwangsheiraten empfunden, … Etwa ein Viertel der Frauen, deren Partner durch die Verwandten ausgewählt wurde, waren vor der Eheschließung nicht nach ihrer Meinung zu dem zukünftigen Ehepartner gefragt worden. …“ (DIE WELT 24.11.04)

Ein so hoher Prozentsatz von Gewalt gegenüber Frauen lässt sich nicht mehr durch individuelles Fehlverhalten, das es in jedem Volk gibt - auch in Deutschland gibt es (zu wenige) Frauenhäuser zum Schutz von Frauen vor der Gewalt auch deutscher Männer -, erklärend beiseite schieben. Ein so hoher Prozentsatz von Gewalt gegen Frauen ist eine Frage der Umgehens(un)kultur, einer aus überzogenem Männlichkeitswahn geborenen Mentalität, die in der europäischen Kultur nicht mehr geduldet wird – auch wenn sie partiell geschieht. Aber sie wird unter Europäern wenigstens nicht mehrheitlich gebilligt, ist strafrechtlich sanktioniert und Frauen können strafrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen, was Türkinnen in der Lebenswirklichkeit weniger leicht möglich ist. Auch wenn es zu viele türkische Männer (noch) nicht wahrhaben wollen: Auch Frauen sind Menschen! Da liegt eine der zuvor schon wiederholt angesprochenen Kulturgrenzen, weswegen kein Land, in dem solche Verhaltensweisen sozial gebilligt werden, in die EU aufgenommen werden darf!

Am 16.11.04 trat in der Fernsehsendung PAROLI! Polittalk von NDR III die in Deutschland geborene und hier aufgewachsene Türkin Seraph Cileli auf. Sie berichtete aus der patriarchalischen Parallelgesellschaft hier in Deutschland: von ihrer Zwangsverlobung mit 12 Jahren, ihrer Zwangsverheiratung mit 15 Jahren in die Türkei, Schlägen durch den Ehemann und jahrelanger Vergewaltigung durch den ihr fremden Mann, von dem sie nichts anderes wollte, als von ihm wegzukommen, den typischen klischeehaft realen Fehlentwicklungen in der patriarchalischen, machohaften, Frauen herabwürdigenden bis Frauen verachtenden türkischen Parallelgesellschaft, für die das Tragen eines Kopftuchs zum Symbol geworden ist, wofür die Autorin und Stückeschreiberin Berg den Vergleich fand: "Das ist, als wärest du ein Schwarzer und du siehst deine Brüder in Ketten an dir vorbeigehen."; ein nicht auf alle Muslima zutreffender Vergleich, weil einige den Schleier aus (teilweise allerdings nur eingeredeter) Überzeugung tragen, um in ihrem sozialen Umfeld nicht verachtete zu werden.

Als sie es geschafft hatte, von ihrem Mann wegzukommen, wurde sie von ihrer Familie für tot erklärt und enterbt. Einer der vielen Artikel in seriösen Publikationsorganen mit bundesweiter Beachtung zu ihrem von ihr zum Aufrütteln der Deutschen offensiv in die Öffentlichkeit getragenen Schicksal:


„Getürktes Eheglück“ (DIE WELT 30. Juli 2005)

(http://www.welt.de/print-welt/article685917/Getuerktes_Eheglueck.html )7


Ihr Vater zwang sie zur Heirat in der Türkei, ihr Mann ließ sie und ihre beiden Kinder hungern. Erst als sie mit Selbstmord drohte, erlaubte ihre Familie die Trennung. Die Deutsch-Türkin Serap Cileli kehrte zurück nach Deutschland und erzählt ihre Geschichte.

Cileli wurde von ihrem Vater bedroht, in eine Ehe gezwungen und unter dem Konzept der Ehre entrechtet. Cileli sieht die Lage der in der Bundesrepublik lebenden Türkinnen sehr pessimistisch:

"’Die Mehrheit der Türken in Deutschland lebt bewußt traditionell und patriarchalisch geprägt.’ Geprägt werde diese Welt von nach Deutschland importierten Imamen, die ’in den Hinterhöfen andere Werte predigten als die westlichen’. Es sei eine Welt, die westliche Werte als bedrohlich ansehe und in der die Ehre des Mannes von der Reinheit und Keuschheit der Frau abhänge. ’Ein bloßer Verdacht, ein dummes Gerücht’ reiche schon aus, die Ehre des Mannes zu beschmutzen. ‚Deshalb verhüllen wir unsere Frauen auch.’"

"Jede Frau, die von zu Hause flüchtet, ist von einem Ehrenmord bedroht." 104 Fälle von Zwangsheirat, Unterdrückung im Namen der Ehre oder konkreter Ehrenmord-Gefahr bearbeitete die Organisation allein im Jahr 2004 bundesweit.

Cileli hilft heute auch im Auftrag von Terre des Femmes türkischen Frauen und Mädchen, betreibt Aufklärung in Brennpunktschulen oder liest aus ihrem Buch "Serap - Wir sind eure Töchter, nicht eure Ehre", das inzwischen bereits in dritter Auflage erschienen ist.

Cileli gibt den Deutschen eine gewisse Mitschuld an den Verhältnissen, in denen Türkinnen in der Bundesrepublik leben müssen, weil die aus „Multikulti-Toleranz“ heraus dem Treiben "einfach nur zugeschaut" hätten.


Andere junge Frauen berichteten – mit graduellen Abstufungen - Ähnliches. Drei deutsch-türkische Autorinnen, die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ates8 (”Große Reise ins Feuer”), Necla Kelek (”Die fremde Braut”) und Serap Cileli (”Wir sind eure Kinder, nicht eure Ehre”), beschreiben in ihren Büchern das Gefangensein türkischer Mädchen im engen Ehrenkodex ihrer Familien, die Unterdrückung türkischer Frauen durch ihre Männer und die ihren Recherchen nach auch unter Türken in Deutschland weit verbreiteten „arrangierten Ehen” und Zwangsheiraten - und wurden darum seit Ende Februar 05 von dem auflagenstärksten konservativ-nationalistischen türkischen Boulevardblatt in Deutschland, „Hürriyet”, verunglimpft. Die Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes” spricht gar von einer „Gefährdung dieser Frauen” durch die Artikel. Einen lesenswerten Bericht dazu brachte die FAZ vom 19.04.05 unter dem Titel:
Türkische Medien in Deutschland

Unfaire Berichterstattung

Von Uta Rasche

http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E7B10E04D87F245DDB320EDA403122D74~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Darin heißt es u.a.:

„Die Zeitung warf ihr sinngemäß vor, türkische Frauen zu beleidigen, die türkische Gemeinschaft schlechtzumachen und durch Verallgemeinerungen Vorurteile der Deutschen gegenüber Türken zu erhärten. Insbesondere Ates' Aussage in einem Gespräch mit der „Tageszeitung”, daß zwangsverheiratete Frauen „Sklavinnen auf dem muslimischen Ehemarkt” seien, erregte den Widerspruch von „Hürriyet”. Als sie überdies sagte, viele türkische Mädchen müßten sich „auf Analverkehr mit Jungs einlassen”, weil dies die Jungfräulichkeit schütze und als beste Verhütungsmethode gelte9, war die Empörung perfekt.“

Die Hamburger Soziologin Necla Kelek erklärt sich die Reaktion der Zeitung so: „Türken dürfen nichts Schlechtes über Türken sagen und schon gar nicht gegenüber Deutschen.” Immer schwinge der Gedanke der muslimischen „Umma” mit: „Wir Muslime sind gut, ihr Ungläubigen seid schlecht.”
Die bis 2001 andauernde grundsätzlich unfaire Berichterstattung durch „Hürriyet“ musste auch der türkischstämmige frühere Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir (Grüne) erdulden, als er gleiche Rechte für die alevitische Religionsgemeinschaft forderte und die Türkei für ihren Umgang mit dem Völkermord an den Armeniern kritisierte.

Längst nicht allen hier aufwachsenden türkischen Mädchen oder den hier lebenden türkischen oder türkischstämmigen Frauen wird das angetan, aber zu vielen; die in der Fernsehsendung berichteten Schicksale sind beileibe keine Einzelfälle! Fachleute schätzen die Anzahl der Zwangsheiraten im islamischen Milieu Deutschlands mit entsetzlichen menschlichen Tragödien auf ungefähr 30.000 (DIE WELT 11.11.04). Viele türkische Mädchen würden, wenn sie in die Pubertät kommen, zur (Um-)Er­ziehung zu Verwandten in die Türkei gebracht, um sie für türkische Macho-Männer gebrauchsfähig zu erziehen, da sich vor allem junge Türken an der oft von körperlicher Gewalt geprägten Machokultur als Leitbild orientieren. Das muss eine von unseren Vorstellungen tangierte, möglicherweise von Gleichberechtigung in der Partnerbeziehung träumende junge Frau erst einmal aushalten lernen! Gegen die Anpassungsschwierigkeiten an türkische Standards hilft dann das familiäre (Um-)Erzie­hungs­programm in einer türkischen Familie in der Türkei. Das vertreibt mögliche Flausen aus dem Kopf. Zwangsheiraten werden zwar von den Familien als ein Akt vorbeugender Schadensbegrenzung zum Schutze der in der bis zur Hochzeit zu bewahrenden Jungfräulichkeit der Töchter kulminierenden Familienehre angesehen, sind für die zwangsweise verheirateten jungen Frauen aber eine legalisierte Form der Vergewaltigung. Nach einer Zwangsheirat kann die Ehre der Eltern nicht mehr durch noch so harmloses, aber von der Primärgruppe als unzüchtig verurteiltes Herumscharwänzeln verletzt werden, da nach der Gruppennorm ab dem Zeitpunkt der Heirat der Ehemann für das Verhalten seiner Frau in der Öffentlichkeit als verantwortlich angesehen wird. Durch Zwangsheiraten – eine reine Familienangelegenheit ohne persönliche Entscheidungsmöglichkeit: jede vierte Türkin in Berlin hat ihren Mann vorher nicht gekannt, für jeden zweiten heiratenden Türken hat seine Familie die zukünftige Schwiegertochter ausgesucht – entlasten sich die Eltern gegenüber den Mitgliedern ihrer Bezugsgruppe auf Kosten ihrer Kinder.

Gegen das soviel Leid verursachende Übel der Zwangsehen erwägt die Bundesregierung seit April 2006 rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Zwangsverheiratung durch das Eingehen von Zwangsehen solle nicht mehr als besondere kulturelle Ausprägung angesehen, sondern als ein besonders schwerer Fall der Nötigung mit Verbrechenscharakter gewertet werden, für den über den Nötigungsparagraphen hinaus möglicherweise ein eigener Strafrechtsparagraph mit einer Strafdrohung von einem bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geschaffen werden soll. Aber wenn eine junge Frau so unter der keine eigene Entscheidung zulassenden Gewalt letztlich ihres Vaters steht, dass sie eine Zwangsehe eingeht, weil sie keinen Ausweg aus dieser auf sie zukommenden Tragödie der übergroßen Drangsalierung sieht - eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums kam zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der türkischen Frauen in der Bundesrepublik ihren ihr von den Eltern ausgesuchten Ehemann erst am Tag der Hochzeit kennenlernt -, dann kann kaum davon ausgegangen werden, dass eine solche Frau ihren Vater, der sie in ihre Zwangsehe gezwungen hat, anzeigen wird. Die Strafdrohung des angedachten Paragraphen wird mehr oder minder leer laufen: Es ist etwas anderes, aus einer Zwangsehe auszubrechen, wegzulaufen und sich in Frauenhäusern oder in einer anderen Stadt zu verstecken, als seinen Vater anzuzeigen und zu wissen, dass man ihn damit bis zu fünf Jahre ins Gefängnis bringen könnte! Und wer sind mögliche Mittäter? Der Ehemann, die Familienmitglieder der Familie des Ehemannes, die über den Abschluss der Zwangsehe von der Seite des zukünftigen Ehemannes her zu bestimmen haben? Trotzdem ist die Einführung eines solchen Paragraphen richtig: erstens schafft und schärft Strafrecht Bewusstsein, und zweitens gibt ein solcher Schutz durch das Strafrecht jungen Frauen, die zwangsverheiratet werden sollen, ein Druckmittel in die Hand, um sich gegen diese verbrecherische Zumutung besser wehren zu können.
Eine der in der Sendung „’Hasret’ heißt Sehnsucht“ (ZDF 16.11.04) zu Wort gekommenen Türkinnen berichtete das türkische Sprichwort: „Frauen sind Dreck an Männerhänden!“ - und so wurde diese Frau von ihrem Ehe­mann und dessen Eltern hier in Deutschland behandelt. Auch unter Deutschen gibt es recht vereinzelt solche Fälle, unter Türken aber gehäuft, weil es Ausfluss der Erziehung zum türkischen Macho ist. In Arte vom 08.02.05 wurde ein türkischer Junge gezeigt, der in seiner ihm anerzogenen Machohaftigkeit von sich gab: „Ich bestimme, wen meine Schwester heiratet!“

Der türkische Erziehungsminister çelik wird im STERN vom 06.04.06 mit der schonungslosen Analyse zitiert: Wenn bei uns ein Kind zu laufen anfängt, bekommt es Schläge von den Eltern. Dann geht es in die Schule, und bekommt vom Lehrer eine gelangt, auch wenn das nur noch selten vorkommt. Wenn junge Leute auf der Straße protestieren, werden sie von der Polizei verprügelt. Wir müssen endlich ein Land werden, in dem endlich keine Prügel eingesteckt oder ausgeteilt wird.“ Eine schonungslose Analyse der Ursachen der gewaltlegitimierenden Männlichkeitsform, die insbesondere durch den Perspektivmangel bei sozialer Benachteiligung verstärkt wird. Die türkische Kultur der »Ehre« und der »vergeltenden Gewalt« hat in einer Gesellschaft, in der wenig staatliche Hilfe zu erwarten ist und man sich zur Vermeidung der Gefährdung der eigenen Existenz und des Ansehens in der eigenen Primärgruppe selbst helfen muss, ein kulturgefordertes Sozialverhalten hervorgebracht, dass geprägt ist durch ein gewaltlegitimierendes Männlichkeitsverhalten. Die Abwesenheit und die Nichtverfügbarkeit von staatlichem Schutz entscheiden über die Demonstration von männlicher Stärke als Form der Selbstwerterhaltung in der Gruppe und erzeugen dadurch wie in einem Regelkreis rückwirkend eine gewaltgeprägte Gruppenerwartung. Das scheint insbesondere für die von türkischen Kurden bewohnten Gebiete Ost-Anatoliens zu gelten, woher die meisten türkischen Armutsimmigranten stammen. Gewalt wird als Mittel der (Zurück-)Gewinnung von sozialer Anerkennung gesehen, ist zumindest latent verbreitet vorhanden und wird von türkischen Kurden und anderen Türken wegen derer vielfältig erfahrener Anerkennungsdefizite und Ausschlusserlebnisse in unserer Gesellschaft leichter eingesetzt als von Deutschen. Hinzu kommt für Türken: Je niedriger das Bildungsniveau, desto mehr gelten »Ehre« und Religiosität.

Die selbst erfahrene gewaltgeprägte türkische Erziehungstradition wird von den hier lebenden Eltern aus meist der türkischen Unterschicht bei der Erziehung ihrer Kinder beibehalten. Als türkische Jugendliche aus Hauptschulen im Zuge der 2006 ausgebrochenen Gewaltdiskussion nach ihrer Einstellung zur Gewalt gefragt wurden, sagten sie: "’Unsere Väter haben uns eingeflößt, wie man sich als echter Mann behaupten muß, in unserer Kultur ist das so.’ Gewalt sei ein Mittel zum Zweck, sagen die drei, ’und wer uns schief kommt, wer uns nicht genügend Respekt erweist, der bekommt die Quittung’" (DIE WELT 01.04.06).

Die türkischstämmige Soziologin Necla Kelec wird über die türkischen und türkischstämmigen jugendlichen Möchtegern-Machos in unserem Land, die mit übertriebenem Imponiergehabe ihre u.a. durch mangelhafte Sprachkenntnisse verursachte Verliererrolle verdecken wollen, in demselben STERN-Artikel vom 06.04.06 mit der schonungslos analysierenden Worten zitiert: „ Sie sind nichts als die Wächter der Ehre ihrer weiblichen Verwandten. Dafür verlangen sie Essen, Trinken, Bedienung, Respekt, nein, Unterwürfigkeit. Dann kommen sie in die Schule, und dort verlangt man von ihnen - den jungen Herren – dass sie nur sprechen und aufstehen, wenn sie aufgefordert werden, dass sie andere Menschen achten, Hauaufgaben machen und ihren Verstand gebrauchen.“ Kein Wunder, dass sie in der Schule scheitern, kommentiert der STERN diese von unserer Kultur so verschiedenen Verhaltensweisen.



Die sich in vielen Facetten spiegelnde Kulturferne »der Türken«, die von Beitrittsbefürwortern bewusst wahrheitswidrig geleugnet wird, ist neben den anderen grundsätzlichen Gegenargumenten gegen einen Beitritt aus z.B. Geographie und Geschichte, die nicht unbedingt ein gemeinsames Zusammenleben aktuell belasten müssen – dafür sind insbesondere historische Argumente selbst vielen Deutschen nicht gedanklich präsent –, das Hindernis, das zu den kaum zu lösenden Schwierigkeiten im gemeinsamen Zusammenleben führt, so dass bei uns unkontrollierbare Nebenwelten mit all ihren negativen Auswirkungen entstanden sind und sich verstärkt bilden würden, wenn die Türkei vollberechtigtes EU-Mitglied werden dürfte.
Dabei gestehe ich gerne zu, dass eine ganze Anzahl von Frauen in der Türkei mit das freiheitlichste Leben führen, das in einem islamischen Land Asiens geführt werden kann. In Afghanistan z.B. ist es wesentlich schlimmer, wie ai in seinem um Spenden bittenden Anschreiben „Kinderrechte – ein unerfüllbares Versprechen?“ am Beispiel eines afghanischen Mädchens deutlich gemacht hat, das im Alter von neun Jahren von ihren Eltern gegen ihren Willen an einen über 80-jährigen Mann verheiratet worden war und, als sie die gewalttätige Atmosphäre in ihrem neuen Zuhause nicht mehr aushielt, weglief, woraufhin Eltern und Ehemann Anzeige erstatteten, das Mädchen verhaften ließen und das Mädchen zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, weil in Afghanistan „Weglaufen von zu Hause“ ein Verbrechenstatbestand erfüllt! Trotzdem, obwohl in der Türkei freiere Zustände herrschen, weil der Staat häuslicher Gewalt entfliehende Mädchen und Frauen nicht kriminalisiert, besteht in den zahlenmäßig starken und politisch einflussreichen konservativen Kreisen ein islamisches Frauenbild, das keine Gleichberechtigung »der Frauen« gegenüber »den Männern« zulässt: Der Islam lehrt, dass Allah Mann und Frau mit einer je eigenen Natur (fitra) geschaffen habe und dass nur der Islam dem Menschen eine Ordnung anbiete, in der er in Einklang mit seiner jeweiligen Fitra leben könne. Ein Ver­stoß gegen die Fitra bedeutet eine Versündi­gung gegen Gott. Weiter ist der islamischen Orthodoxie zufolge die Frau emotional, willen­los und leicht beeinflussbar - obwohl das von der Frau des Propheten und auch von seiner Tochter Fatima nicht gesagt werden kann! Eine seelisch gesunde Frau verlange nach ei­nem Mann, dem sie gehorchen kann und muss.

Nach traditionell männlich-islamischer Über­zeugung müssen die Frauen mit einem Gen der Unterwerfung geboren sein. Da die "Frauen die Fangschlingen des Teufels sind" (Y. Anwar), ist der Umgang zwischen den Ge­schlechtern außerhalb der Familie zum Wohle von Mann und Frau nicht erlaubt. Der ange­messene Lebens­bereich der Frau sei das Haus, ihre Erfüllung finde sie in Ehe und Mut­terschaft. Aufgrund seiner überlege­nen Fitra soll nun der Mann seine Frau ver­ständnisvoll ertragen und ihre Eigenheiten mit Nachsicht hinnehmen. Dahinter steht ganz nackt das männ­liche Dominanzstreben. Das ist das Bild, das islamisch-konservative Männer von den Frauen ihrer Gesellschaft haben. Der Prozentsatz islamisch-konservativer Kreise lässt sich im Fall der Türkei u.a. an der Zustimmung zu dezidiert islamistischen oder, wenn die verboten sind, zu dezidiert islamischen Parteien ablesen. Aus u.a. dieser traditionell männlich-islamischen Über­zeugung heraus wird ein Drittel der türkischen Frauen in der von Amnesty International angeprangerten Form behandelt. Das ist der heute auch in der zweiten oder dritten Generation bestehende Hintergrund, der vor Jahrzehnten zu dem von einem Türken gedrehten anklagenden Film geführt hatte: „40 m2 Deutschland“.

Was in der Türkei der Staat nicht mehr »leistet«, um Frauen in die Gewalt der Männer zurück zu zwingen, da dort das Weglaufen nicht (mehr) als Vergehen oder gar Verbrechen kriminalisiert ist, dass leisten insbesondere in den der kurdischen Tradition verhafteten ostanatolischen Familienverbänden die sozialen Sanktionen durch Familienmitglieder bis hin zu „Ehrenmorden“!


So lange politischer Islam bis rauf zu Regierungsmitgliedern mit dem Kopftuch seiner Frauen um Machtpositionen im Staate kämpft – und wie in Frankreich dem Staat wegen des Verbotes des Tragens auffälliger religiöser Symbole (sowohl des christlichen Kreuzes wie auch der Kopftücher der strenggläubig auftretenden islamischen Frauen) in Schulen mit Bombenterror droht und ihn zu einer den Islamisten genehmeren Gesetzesänderung zu nötigen versucht, was auch uns in der Bundesrepublik noch bevorstehen kann, wenn Kopftuchverbote für öffentlich Bedienstete durch Ländergesetze beschlossen worden sind -, so lange Glaubenstoleranz in der Türkei nicht allgemein akzeptierte, selbstverständliche Geisteshaltung ist und im Extremfall menschenmordende Wertvorstellungen aus religiösen Gründen dort recht weit verbreitet virulent oder in größeren gesellschaftlichen Schichten gelitten sind, ist die Türkei nicht reif für Europa, so man überhaupt der - hier abgelehnten - Meinung ist, die Türkei gehöre zu Europa wie der Schwanz zum Hund (denn zum Herzen kann eine uns so fremde Kultur nie werden, auch wenn die Türkei durch einen bei den gegenwärtigen politischen Strömungen möglicherweise nicht mehr zu verhindernden Beitritt in einigen Jahrzehnten das volkreichste Land der EU werden und dann einen dieser Zahl »angemessenen« dominanten Einfluss fordern würde; wie fordernd türkische Politiker – und führende Türkenvertreter in der Bundesrepublik, wie ihr Verbandsoberster Keskin, tun es ihnen gleich und sprechen von „Frechheit“, wenn ihrer Forderung nach Vollmitgliedschaft in der EU in der gegenwärtigen Diskussion auch nur ansatzweise widersprochen wird – wie fordernd türkische Politiker jetzt schon auftreten, ohne dass die Türkei bereits Mitglied der EU ist, erleben wir in ihrem Auftreten in der aktuellen Debatte um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, und dieser unangenehme Vorgeschmack lässt für den Fall einer Vollmitgliedschaft Schlimmes befürchten).

Ungeachtet der seit der Schlacht von Kerbela 636 n.Chr. zwischen Arabern und den damals unterlegenen (und deswegen als kulturelle Auswirkung des Schlachtausganges islamisierten, gleichwohl aber - so wurde in einschlägigen Berichten über das Verhältnis des Irans zu Khomeinis Zeiten zu z.B. Saudi-Arabien immer wieder kolportiert - seitdem miteinander verfeindeten und dadurch in gegenseitigem, seit diesem Ereignis das kollektive kulturelle Bewusstsein ihrer Völker seit 1.300 Jahren prägenden abgrundtiefen, dort eine Kulturgrenze bildenden Hass wie zwei ermattete Ringer aneinander festhängenden) Iranern bestehenden sonstigen Konkurrenz streben die Staaten Iran und Saudi-Arabien beide eine weitere Vertiefung des islamischen Charakters der Türkei an und stärken ihre dortigen fundamentalistischen Anhänger. Die machen mit Anschlägen von sich reden, wie u.a. der "Islamische Heilige Krieg", der z.B. vor einigen Jahren mit Attentaten gegen die Nahost-Konferenz in Madrid protestierte. Zuletzt mussten die Türken 2003 den Anschlag der "Front der Vorkämpfer für einen Großen Islamischen Osten" (IBAD-C) erleiden. Über den Kreis der Verbrecher aus überspannten religiösen Motiven hinaus gibt es viele radikale türkische Fundamentalisten, die zwar die Wahl der Mittel nicht (unbedingt) billigen, aber die gleiche Stoßrichtung zu den gleichen Zielen eingeschlagen haben, eine islamisierte(re) Türkei und die Einführung der Scharia in der Türkei fordern!



Diese radikalen türkischen Fundamentalisten wollen den durch Atatürks laizistische Reformen des türkischen Staatswesens von ihnen so empfundenen Verrat an der Religion des Propheten  rückgängig machen und die ihnen zu verwestlichte Türkei für den "wahren Islam“ - iranischer oder saudischer Prägung(?) - zurückgewinnen. Seit 1980 ist eine vom Militär zunächst geför­derte Islamisierung im Sinne der sunnitischen Orthodoxie zu beobachten gewesen. Inzwischen gilt die türkische Polizei laut Warnung des ehemaligen türkischen Geheim­dienstchefs Koman als fundamentalistisch zersetzt, denn die meisten Bewerber für die Polizeischulen kommen von islamistischen Imam-Hatip-Schulen. Bei dieser Infiltration des Sicherheitsbe­reiches durch religiöse Fanatiker verwundert es nicht, dass die vier Morde 1990 an promi­nenten Gegnern islamistischer Strömungen und engagierten Verfechtern des von Atatürk ge­prägten Laizismus von der Polizei nicht einmal ansatzweise aufgeklärt worden sind. Die als eines der vier Opfer ermordete Theologiepro­fessorin Ücok hatte in einem für die oppositio­nelle „Sozialdemokratische Volkspartei (die dem Fundamentalismus wehren und die laizi­stische Verfassung der Türkei bewahren will und deren Abgeordnete dafür teilweise mit anonymen Morddrohungen überzogen wurden) verfass­­ten Bericht geschrieben: "Der Fundamentalismus gedeiht unter den schützenden Flügeln der Regierung, ja die Regierung ist dessen trei­bende Kraft." Das kostete sie ihr Leben.

Auch die höhere türkische Administration wird in zunehmendem Maße durch aus Imam-Ha­tip-Schulen hervorgegangene strenggläubige Islamisten unterwandert. 

Fundamentalistische Pressionen sind wohl auch als Hintergrund für die Meldung zu vermuten, dass 1991 der schei­dende Präsident des Bundesverwaltungsge­richtes in Berlin ohne Darlegung näherer Um­stände in einem Jahresüberblick laut einer nicht weiter herausgestellten Meldung eher beiläufig mitteilte, sein Gericht sei in jenem Jahr u.a. mit dem Fall von Zwangs(!)be­schnei­dungen christli­cher(!) Wehrpflichtiger in der Türkei befasst gewesen. Es wirft ein grelles Licht auf die politische Situa­tion eines Landes und ist demaskierend für den in offiziellen Reden sicher erhobenen To­leranzanspruch der oberflächlichen türkischen »Formal-Demokratie«, wenn ein vom eigenen Selbstverständnis her laizistischer Staat (höchstwahrscheinlich aus religiösen Gründen) religiös motivierte Zwangsbeschneidungen an den Mitgliedern einer religiösen Minderheit seines Landes vor­nehmen lässt, wenn sie zum Militär eingezogen werden! 

An solchen Beispielen wird wieder schlaglichtartig die Kulturgrenze zwischen Europäern und Türken deutlich. Und diese Auseinandersetzungen mit türkischen Fanatikern selbst in staatlichen Machtpositionen soll sich Europa durch ein Ignorieren der bestehenden Kulturgrenze aufhalsen? Gott bewahre!!!
Der vorstehend nachgezeichnete Prozess einer schon über ein Vierteljahrhundert andauernden verdeckten und schleichenden Islamisierung der Türkei scheint sich – trotz gegenteiliger, vermutlich gewollt einschläfernder Bekundungen des Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seiner offizieller Bemühungen um mehr EU-Kompatibilität der Türkei 2004 verstärkt fortzusetzen. DIE WELT schrieb zwei Monate vor der Wahl zum Europäischen Parlament am 14.05.2004 in dem Artikel:
„Erdogan fördert schleichende Islamisierung (Evangelos Antonaros )

http://www.welt.de/print-welt/article313600/Erdogan_foerdert_schleichende_Islamisierung.html
In der Türkei stehe wieder einmal eine Machtprobe zwischen dem weiterhin mächtigen Militär und der demokratisch gewählten Regierung bevor, weil die religiös angehauchte Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) sich über den verbissenen Widerstand der Armeespitze und des säkularen Establishments hinweggesetzt und vom Parlament eine Bildungsreform mit politischem Zündstoff hat verabschieden lassen, dass künftig auch Absolventen der so genannten Imam-Hatip-Schulen, die Prediger für den Staatsdienst ausbilden und wo auch der Premier Erdogan seine Ausbildung erhalten hat, den Zugang zu den staatlichen Universitäten erhalten sollen - und zwar zu allen Fakultäten.

Ende der neunziger Jahre hatten die Generäle nach dem von ihnen erzwungenen Rücktritt des islamistischen Premiers Erbakan den Absolventen von Koranschulen das Hochschulstudium - mit Ausnahme der Theologie - verboten, da aufgefallen war, dass immer mehr Hochschulabsolventen mit islamistischen Tendenzen zu Beamten wurden. Mit diesem Verbot sollte die Unterwanderung des Staatsdienstes durch eingefleischte Islamisten gestoppt werden.

Erbakans damaliger Mitstreiter Erdogan wollte den religiösen Schulen dieses Recht nun wieder einräumen.

An den Predigerschulen hatten zeitweise Hunderttausende von Jungs und Mädchen studiert - was äußerst paradox war. Denn einerseits gab es erheblich mehr Schüler an den Imam-Hatip-Schulen, als jemals in der Türkei als Prediger gebraucht würden. Andererseits studierten dort auch Mädchen, obwohl Frauen als Imame nicht zugelassen sind.


Dieses antisäkularistisch orientierte, auf eine religiöse Ausrichtung ihres Staates abzielende, latent demokratiefeindliche islamistische Potenzial würde sich die EU durch einen Beitritt der Türkei aufhalsen! Um dieser absehbaren, sich schon über ein Vierteljahrhundert abzeichnenden Entwicklung gegenzusteuern, plädieren die Zauberlehrlinge der Befürworter eines Beitritts der Türkei ja gerade für die Beitrittsoption, kennen aber den Zauberspruch nicht, mit dem die Gefahr einer Überschwemmung der EU mit demokratiefeindlichem Gedankengut wieder rückgängig gemacht werden könnte: „Ach! Nun wird mir immer bänger! / Welche Miene! Welche Blicke! / O du Ausgeburt der Hölle! / Soll das ganze Haus ersaufen? / ... Helft mir, ach ihr hohen Mächte! / ... Welch entsetzliches Gewässer! / ... Herr, die Not ist groß! / Die ich rief, die Geister, / werd ich nun nicht los!“, heißt es bei Goethe.
Die türkische Gesellschaft muss für sich selbst entscheiden, ob sie aus eigenem Demokratiebedürfnis und demokratischem Antrieb heraus mindestens so säkularisiert bleiben will, wie Kemal Atatürk ihr vor rund achtzig Jahren per Ordre de Mufti den Weg gewiesen hat, oder ob sie ins religiöse Lager ihrer Geschichte zurückdriften will, wie es starke innertürkische Kräfte immer noch oder schon wieder für erstrebenswert halten. Dabei ist die Wahl für die Türken schwer, denn die nach Aussage und Wertung ihres Parteivorsitzenden Erdogan analog der stark katholisch orientierten CSU in Bayern bislang nur als dezidiert islamisch10 aber nicht fundamentalistisch ausgegebene Regierungspartei AKP ist mit ihren Reformgesetzen, deren Durchsetzung vor dem Regierungsantritt von Ministerpräsident Erdogan niemand für möglich gehalten hatte, das Beste, was der Türkei in ihrer momentanen Situation passieren konnte, weil unter den bisherigen Regierungen - von Einzelfeldern abgesehen - der notwendige Reformprozess der Türkei kaum ernsthaft in Angriff genommen worden ist!
Es ist aber nicht die Aufgabe der in einer Jahrhunderte dauernden, teilweise schmerzhaften Entwicklung säkularisierten europäischen Staaten, diesen Prozess jetzt in der asiatischen Türkei als ein innereuropäisches Problem in Angriff zu nehmen! Der Blick auf das undemokratische Regime in Weißrussland lehrt: Mehr als unterstützende begleitende Partnerschaft bei der Demokratisierung eines Landes durch die in dem jeweiligen Land in der Verantwortung stehenden Politiker kann und sollte die EU sich nicht aufbürden. Genauso wenig, wie sie den innerweißrussischen Reformprozess lösen kann, genauso wenig kann sie den innertürkischen lösen! Innerstaatlich woran auch immer gemessen »gerechte«(?) gesellschaftliche Verhältnisse herzustellen, ist die ureigenste Aufgabe der Elite jeder Gesellschaft, eine Aufgabe, die diese Gesellschaft selber lösen muss, wenn die Gesellschaft nicht erstarren soll und dann durch eventuell sogar eine Revolution radikal umgestaltet wird, wie es sehr blutig durch die Französische Revolution und völlig unblutig durch die Ostdeutsche Revolution geschehen war. Wenn die Unterstützung von Demokratisierungsbestrebungen innerhalb einer Gesellschaft als Aufgabe der EU mit Beitrittsgarantie für den jeweils zu unterstützenden Staat definiert würde, dann müssten wir die Grenzen der EU sofort über den Iran hinaus bis in fast alle Staaten Asiens und über den Irak und Ägypten hinaus bis in fast alle Staaten Schwarzafrikas ausdehnen! Eine „Stabilisierung der Region“ als weiteres oft gebrauchtes Argument für einen Beitritt gilt für fast alle Staaten Asiens und Afrikas. Versucht wird sie im Rahmen des „Barcelona-Prozesses“ mit Mittelmeeranrainern in der europäisch-mediterranen Zusammenarbeit einer umfassenden Partnerschaft zwischen der EU und den südlichen und östlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers, mit Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, dem Libanon, Marokko, der Palästinensischen Autonomiebehörde, Syrien, der Türkei und Tunesien geschlossen: Libyen genießt seit 1999 Beobachterstatus im Barcelona-Prozess. Da gehört eine Zusammenarbeit mit der Türkei hin, nicht aber in die Schublade „Mitgliedschaft“!
Die Demokratisierung ihrer Gesellschaft müssen - wie es die Europäer in ihren jeweiligen innerstaatlichen Gesellschaften auch selber tun mussten - die Türken in ihrem ureigensten Interesse selber leisten, wenn der Reformprozess gesellschaftlich verankert sein soll. Diese notwendige Zurückhaltung von außen und allein die innerstaatliche Bewältigung eines anstehenden gesellschaftlichen Reformprozesses ist die einzig angemessene Haltung.

Das müssen die US-Amerikaner sehr schmerzhaft im Irak lernen, die mit dem naiven Sendungsbewusstsein angetreten waren, von den Irakern in tiefer Dankbarkeit als Befreier bejubelt zu werden, wenn sie das verbrecherische Regime Saddam Husseins beseitigt haben und die Iraker (teilweise mittels Folter!) Demokratie und Rechtsstaat lehren, so dass eine neue irakische Gesellschaftsordnung nach us-amerikanischen Vorstellungen wie ein Leuchtturm in die autoritär organisierten arabischen Staaten strahle und durch diese Leuchtkraft alle anderen arabischen Staaten nach der neuen Dominotheorie der US-Amerikaner in Demokratien westlichen Zuschnitts verwandle. Nach diesen naiven us-amerikanischen Vorstellungen solle die (islamische) Türkei als Leuchtturm der Demokratie in die (islamischen) arabischen Länder strahlen.


Das zeigt die Geschichtslosigkeit im us-amerikanischen Denken: Nach dem 400 Jahre langen Vegetieren der Araber unter der osmanischen Knute herrscht zwischen Türken und Arabern ein annähernd gleich feindliches Verhältnis wie zwischen Iranern und Arabern - oder wie zwischen Einbrecher und Dobermann! Nie werden Araber die sie Jahrhunderte lang unterjocht habende Türkei als Vorbild ansehen! Und deren Mitgliedschaft in der NATO und (leider irgendwie präjudizierend) ebenfalls im Europarat hatte bisher auch keine Strahlkraft entwickelt.

Was von dem angeblichen »Vorbild-Argument« zu halten ist, hätte die us-amerikanische und die deutsche Regierung im Internet sehr schnell widerlegt bekommen können: mit ein paar Klicken zu und in Wikipedia hätten sie finden können:


Das Argument, ein Beitritt der Türkei wäre Vorbild für andere "islamische" Staaten (http://www.oic-oci.org/) und ein Zeichen der Kooperationsbereitschaft des Westens mit diesen, ist nicht schlüssig, da die Türkei nach Eigendefiniton ein laizistischer Staat ist und zudem in der arabisch-islamischen Welt aus historischen (osmanischer Imperialismus), ethnischen (hier Türken dort Araber) und religiösen Gründen (Türken werden wegen ihrer relativen Liberalität oft nicht als "echte Muslime" bzw. Sunniten angesehen, und auch mit den Shiiten verbindet sie nichts) isoliert ist.

Oft wird auch das Argument vorgebracht, man würde die Türkei seit 40 Jahren hinhalten. Tatsache ist jedoch, dass es die EU als politische Europäische Union noch gar nicht solange gibt und man bis 1999 immer wieder das Ansuchen der Türkei auf Mitgliedschaft zuerst der EG später der EU zurückgewiesen hat. Zudem hat die türkische Regierung selbst 1997 die Gespräche über eine Mitgliedschaft abgebrochen.

Wikipedia

Es gibt viele demokratiefeindliche Staaten in Asien: Die können doch nicht alle zur Domestizierung ihres antidemokratischen Potenzials in die EU aufgenommen werden!

Wir Europäer sollten asiatische Demokratieprobleme partnerschaftlich unterstützend zu lösen helfen, weil wir jedem Menschen auf der Welt gönnen, in einer Demokratie westlichen Zuschnitts leben zu dürfen. Wenn uns ein asiatisches Land besonders nahe steht, wie es auf Grund der vielfältigen Verbindungen zur Türkei der Fall ist, dann können wir es auch gerne privilegiert partnerschaftlich unterstützen, aber auf keinen Fall innereuropäisch! Damit übernehmen wir uns, denn wir würden uns wie der Goethesche Zauberlehrling verhalten, der eine momentan zwar kurzfristige, letztlich aber kurzsichtige Lösung ohne Blick auf die Spätfolgen seines Tuns anstrebte.


Das Fehlen historisch-kultureller Argumente für eine mir unmöglich erscheinende kulturelle Zugehörigkeit der Türkei zur EU, einer fehlenden Zusammengehörigkeit durch kulturelle Gemeinsamkeit, kann auch nicht dadurch geheilt werden, dass dort möglicherweise irgendwann einmal die Menschenrechte bis in die abgelegenste Polizeiwache Geltung erlangt haben könnten und die Gerichte sie beherzigen werden: Dass die Europäer durch die vor Wien geschlagenen Türken als Beute deren Kaffee kennen gelernt haben und sich daraus die Wiener Kaffeehauskultur entwickelt hat, reicht jedenfalls nicht als tragfähiges Argument einer gemeinsamen kulturellen Basis. Zählte das als Argument, müsste auch China zu Europa gehören, denn Europäer tragen – wie ich u.a. aus meinem eigenen Kleiderschrank weiß - wenigstens ab und zu auch mal Seidenhemden und/oder Seidenschlipse und Europäerinnen – wie ich aus eigener Augenscheinseinnahme erinnere - Seidenblusen und/oder -höschen.

Und bloß freundschaftliche diplomatische Beziehungen begründen auch nicht eine kulturelle Zugehörigkeit eines außereuropäischen Landes zu Europa; solche Beziehungen haben wir schließlich auch zu Australien und Ozeanien.

Wenn alle außereuropäischen Randstaaten - und als einen solchen außereuropäischen Staat muss man die Türkei trotz oder wegen ihres rechnerisch unbedeutenden dreiprozentigen europäischen Gebietszipfels schon allein aus geographischen, mehr noch aber aus kulturhistorischen und kulturellen Gründen ansehen - in die EU aufgenommen werden sollten: wo verliefe da die Grenze Europas? Am Nordrand der Sahara, da auch schon Marokko in die EU drängte (aber mit der - auch für die Türkei - zutreffenden geographischen Begründung abgelehnt wurde, Marokko sei „kein europäisches Land“)? An der Grenze zum Irak und zum Iran? Warum gerade dort, wenn wir das Argument der Beitrittsbefürworter einen Schritt weiterdenken und der Iran auch in die EU drängen sollte? Der Iran hat mit der Bildung der europäischen Identität genau so viel zu tun, wie die Türkei: nämlich rein gar nichts! Wie der Iran nicht zu Europa gehört, so gehört auch die Türkei nicht dazu!

Was sollte über das negierte geographische Unterscheidungskriterium hinaus das einigende historisch-kulturelle Band einer solchen wie ein kaputtes Kniegelenk überdehnten Europäischen Union sein? Das ergäbe eine sehr hinkende Gemeinschaft! Und ein anderes einigendes Band hätte eine solchermaßen politisch überdehnte Union nicht, wenn man von dem nach dem Zweiten Weltkrieg im Europa außerhalb des kommunistischen Machtbereiches selbstverständlich gewordenen Leben in einer demokratisch organisierten Gesellschaft einmal absieht. Eine demokratisch verfasste Staatsstruktur ist sehr viel wert, besonders für ihre Bürger, kann aber als alleinige Basis einer solchen politischen Supernova nicht ausreichend, denn dann müssten wir ja schon längst Bürger aller demokratisch verfassten »Vereinigten Staaten von Amerika, Australien und Europa«, einer »Union aller demokratischer Staaten der Welt« sein, soweit Länder auf diesen Kontinenten demokratisch verfasst sind und die Kopenhagener Kriterien erfüllen. Worin läge dann Europas kulturelle Identität, seine Seele? Und was hätte die Türkei damit zu tun?

Wenn außereuropäische Staaten in die Europäische Union aufgenommen würden, was wäre an diesem politischen Gebilde dann allen dazugehörenden Staaten gemeinsam »europäisch«? So schmerzlich es für die nach Europa drängenden Türken auch sein mag: Ein außereuropäisches Land kann wegen der fehlenden Zugehörigkeit zu Europa höchstens ein irgendwie der EU assoziiertes, ihr meinetwegen in privilegierter Partnerschaft verbundenes Land, nicht aber ein Vollmitglied irgendeiner oder der schon existierenden (rein) Europäischen Union sein! Eine politisch reformierte und nicht nur in ihrem Verfassungsanspruch, sondern auch in ihrer Verfassungswirklichkeit irgendwann vielleicht einmal demokratische Türkei - was sie jetzt beileide noch nicht ist und was mangels des zur Verfügung stehenden Platzes nur mit dem später noch angeführten Zitat aus dem Beitrag von Rumpf und Steinbach „Das politische System der Türkei“ nachgewiesen sein soll – könnte maximal zu einer (vielleicht irgendwann einmal erst noch zu bildenden) »Union aller demokratischer Staaten der Welt« gehören, wenn es die je geben sollte. Sie könnte aber mangels »Europa-Eigenschaft« nicht Mitglied einer europäischen Union welcher genauen politisch-rechtlichen Ausgestaltung im Einzelnen auch immer sein. Und weil das ausweislich solcher Kommentare wie des keskinschen „Frechheit“ zu Frau Merkels 2004 in Ankara vorgebrachtem Angebot einer »privilegierten Partnerschaft« der Türkei zur EU an Stelle der von den Türken schon jetzt mit unangenehm berührender Anmaßung beanspruchten politischen Vollmitgliedschaft in der EU wegen der schon angesprochenen vermuteten politischen Amnesie nicht gleich in jedes von einer europäischen Vision für die Türkei vernagelte türkische Hirn reinzugehen scheint, sei es noch einmal anhand eines kleinen Gedichts von Wilhelm Busch erklärt: „Wenn einer, der mit Mühe kaum gekrochen ist auf einen Baum, nun meint, dass er ein Vogel wär’, so irrt sich der“. Wie in der zu dem Gedicht gehörenden Illus­tration aus einem auf einen Baum gekletterten und dort von oben abspringenden Frosch nie ein Vogel werden kann, so kann aus einem asiatischen Volk nie ein europäisches werden, das darum schon der Definition nach begrifflich nicht zu einer europäischen Union gehören kann, denn sonst ist die ursprünglich (rein) europäische Union nach ihrer außereuropäischen Überdehnung keine (rein) europäische mehr!



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