R e c h t s k u n d e



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Die Lösung des skizzierten innertürkischen Unterschichtenproblems in der Türkei kann aber keine von der deutschen Gesellschaft zu lösende Aufgabe sein: Es ist keine Aufgabe von uns, durch die Aufnahme anatolischer Unterschichtangehöriger die Türkei von dem ihre Gesellschaft belastenden Problem zu entlasten! Wir müssen zwar denen gegenüber fair sein, die wir ins Land holten, als die deutsche Wirtschaft sie zu ihrem Aufbau gut gebrauchen konnte und ihnen Arbeit gab, die sie zu Hause nicht hatten finden können. Hierüber kann und darf es keinen Zweifel geben. Aber genau so wenig Zweifel kann es darüber geben, dass wir die Türkei schon von zu vielen ihrer »Unterschicht-Zeitbombem« befreit haben. Darum darf die Türkei kein Vollmitglied der EU werden, denn dann würde eine durch Kontingentierung nur unzureichend gebremste Wanderung insbesondere dieser unserer mitteleuropäischen Kultur so fernen Unterschichtangehörigen nach insbesondere Deutschland einsetzen. Die daraus entstehenden Probleme werden in dem Artikel der SZ vom 13.11.2004:
Organisierte Verweigerung

Viele Muslime lehnen Bemühungen um Integration ab – Gefahr einer islamischen Parallelgesellschaft.


Von Annette Ramelsberger

http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/908/42866/
verdeutlicht. Darin führt die Redakteurin u.a. aus:
Die Zeitschrift Milli Gazete der islamistischen 27.000 Mitgleider starken türkischen Massenorganisation Milli Görüs nahe pflegt ein dezidiertes Feindbild, wenn darin Artikel erscheinen, in denen es u.a. heißt: „Dutzende von perversen Institutionen, allen voran Juden- und Christenkomitees, lauern nur auf eine günstige Gelegenheit, um uns unsere Kinder abspenstig zu machen. Werfen wir unsere Kinder jenen verirrten Ungeheuern nicht zum Fraß vor!“

Die Muslime in Detuschland befinden sich demzufolge im Feindesland der Christen, vor dem ein Milli Görüs nahe stehender Imam seine Glaubensgenossen warnt: „Einige unserer Brüder erwarben Wohnungen, die von den Moscheen entfernt sind. Weil sie in weiter Entfernung zu den Moscheen wohnen, müssen ihre Töchter und Söhne muslimische Freunde und das muslimische Umfeld entbehren. Sie sind gezwungen, Freundschaften mit Personen einzugehen, die nicht zu ihrem Glauben passen. Deswegen mache ich darauf aufmerksam, dass Muslime in der Nähe von Moscheen leben sollten.“

Die Abschottung, die von Fundamentalisten immer wieder gefordert wird, wird langsam Realität: Lehrer und Sozialarbeiter registrierten, wie sich muslimische Familien immer mehr zurückziehen, was u.a. daran deutlich wird, dass türkische Mädchen immer seltener an Klassenfahrten teilnehmen dürften und Kinder immer dann krank würden, wenn Sexualkunde auf dem Lehrplan steht.

Das alles ist weit entfernt von einer Explosion der Gewalt, wie sie in den Niederlanden nach der Ermordung des Islamkritijers van Gogh stattgefunden hat, und auch weit entfernt von „bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse“ mit „Straßenschlachten“ in den Städten, wie sie der Islamforscher Bassam Tibi für Deutschland prophezeit hat.

Die deutsche Diplom-Pädagogin Alev Kubat-Celik beobachtet seit Jahren, wie junge Türken und Araber plötzlich von „den Deutschen“ reden, als sprächen sie von Gegnern. „Die ausländischen Familien schotten sich ab, wir bekommen keinen Zugang mehr.“ Schon Kleinkinder gingen jetzt in die Koranschulen und Grundschüler fasteten im Ramadan.

Weil Grundschulen in vielen Großstädten einen Ausländeranteil von 80, 90, manchmal 100 Prozent haben, wird Integration fast unmöglich. Integrationswillige türkische Mütter baten die Lehrerin, ihr Kind doch neben ein deutsches Kind zu setzen, damit es Deutsch lernt. Es war kein deutsches Kind mehr da.

Deswegen wird die Sprachfertigkeit immer geringer. Oft ist sie auch nicht mehr nötig: Türken, die in solchen „Kiezen“ leben, können in einer türkischen Bank das Geld abheben, im türkischen Markt einkaufen, ihr Brautkleid im türkischen Aussteuerladen aussuchen und das türkische Reisebüro nutzen.

An der durch den Hilfe-Ruf des gesamten Lehrerkollegiums bundesweit bekannt gewordenen Rütli-Hauptschule in Neukölln werden seit mehr als zehn Jahren keine Klassenfahrten mehr veranstaltet, weil die Eltern sich weigern, ihre Kinder mitzuschicken. Von der deutsch-türkischen Europaschule meldeten Dutzende islamische Eltern ihre Kinder ab, weil diese den Namen des berühmten, aber atheistischen türkischen Dichters Aziz Nessin erhalten hatte.

Die Redakteurin kommt aufgrund ihrer Beobachtugen zu dem Schluss, dass die Verweigerung konservativer türkischer kreise mittlerweile oft regelrecht organisiert wird. An Schulen kursieren vorgedruckte Entschuldigungszettel mit Hinweisen auf entsprechende Urteile, auf denen türkische Eltern nur noch den Namen ihres Kindes einsetzen müssen. Darin heißt es: „Wir bescheinigen hiermit, dass die Beteiligung an dem koedukativ veranstalteten Schwimmunterricht nach dem Islam unerlaubt ist. Die weiblichen Angehörigen des Islam dürfen sich ohne islamische Bekleidung auch untereinander nicht sehen lassen. Das deutsche Grundgesetz erkennt den Muslimen in Deutschland diesbezüglich den Genuss der vollen Religionsfreiheit an.“

Dieser „stille Kulturkampf“ ist bisher aber nicht auf den Straßen durchgängig sichtbar.


Weil wir schon zu viele Türken aus der türkischen Unterschicht mit ihren teilweise bis zu Ehrenmorden reichenden kruden Ehrvorstellungen in nicht integrierten und vielleicht gar nicht integrierbaren Parallelgesellschaften haben, ist auf jeden Fall jeder weitere Macho-Türke aus der türkischen Unterschicht ein Türke zuviel!
Man kann nicht nach Europa drängenden immigrationswilligen Türken, Kosovo-Albanern, arabischen Nord­afrikanern, … und anderen Menschen aus in zu großer kultureller Verschiedenheit zu einem bisher mehr oder minder nur gefühlten mitteleuropäischen Standard lebenden Gesellschaften ins Herz oder auch nur hinter ihre Stirn schauen. Man kann genau so wenig b­ei Immigra­tionswilligen einen »Wesenstest« auf an europäischen Maßstäben gemessene kulturelle Verträglichkeit einführen; ein Test, den man auch mit den deutschen Männern machen müsste, die ihre Frauen so prügeln, dass die sich mit ihren Kindern in Frauenhäuser retten müssen. Weil man solche Tests an auffällig gewordenen Ausländergruppen aber machen müsste - nicht weil man an Xenophobie leidet, sondern um aus (wie es der Strafjurist ausdrückt) generalpräventiven Gründen die unter diesen uns zu kulturfernen Menschen zu zahlreichen »irrenden Irren« mit ihrem unakzeptablen Wertesystem aus unserer Gesellschaft fernhalten zu können; gewalttätige Deutsche kann man ja leider nicht in die Türkei schicken, wo ein solches Verhalten bisher gesellschaftlich akzeptiert war -, bleibt nur eine (aus einem durch gesellschaftliche Erfahrung heraus erwachsenen »Fast-schon-Generalverdacht« heraus gespeiste) Abwehr von Menschen mit einer zu großen Kulturverschiedenheit gegenüber der in Mitteleuropa in zweitausend Jahren erarbeiteten kulturellen Tradition.

Wir haben in sozialdepressiven Biotopen gescheiterter Integrationsmodelle in insbesondere Berlin-Neukölln, wo ein Drittel der Bewohner Immigranten sind, die zu 35-40 % keine Arbeit haben, wo 25 % unter der EU-Armutsgrenze von weniger als 60 % des Mittelwertes des Einkommens leben und wo rund 70 % der Jugendlichen keinen Schulabschluss vorweisen können, Berlin-Kreuzberg, Hamburg-Will­helms­burg, München-Hasenbergl, Nürnberg-Gostenho­fen und in vielen Städten im Ruhrgebiet schon zu viele uns kulturferne kulturell bedingte Frauen-Quäler, eheliche Vergewaltiger und nicht mehr nur potentielle »Mörder aus verloren geglaubter Ehre« mitten unter uns! Die türkische Frauenrechtsorganisation Kamer24 publiziert (laut einem Bericht im DLF am 20.11.04) auf Grund ihrer Umfragen unter türkischen Frauen in der Türkei, dass über 50 % der Türkinnen wohl hauptsächlich im mehrheitlich von Kurden bewohnten SO der Türkei ständig(!) häuslicher Gewalt bis hin zu jahrelanger ständiger Ver­ge­waltigung - als angemaßtes Recht des Ehemannes auf die Einhaltung der ehelichen Pflichten der ihm zum großen Teil durch Zwangsheirat anvermählten Frauen - ausgesetzt sind!!! Darum haben diejenigen Recht, die Zwangsverheiratungen unter eine Verbre­chens­strafdrohung von einem Jahr bis zu fünf Jahren Haft gestellt wissen wollen, weil vielleicht so dem Elend vieler türkischer Mädchen und jungen Frauen ein wenig gesteuert werden kann.

Ausländer, die Frauen Gewalt antun, müssten sofort des Landes verwiesen werden können – damit die Staatsanwaltschaft nur noch die deutschen Männer zur Anklage zu bringen hat, die ebenfalls Frauen prügeln, aber nicht des Landes verwiesen werden können!


Man muss das so klar sagen können, ohne gleich als „Nationalist“ oder gar „Nationalsozialist“/“Nazi“ verdächtigt oder gar beschimpft zu werden. Ich leide nicht an einer Ausländer-Phobie: Mir käme nie(!) ein in meiner persönlichen Wertung so schwachsinniger Satz über die Lippen wie: „Ich bin stolz darauf, ein Deutscher (oder Europäer) zu sein!“, denn stolz zu sein vermag ich nur auf persönliche Leistung, nicht aber auf eine solche unverdiente Zufälligkeit wie mein Geburtsland. (Darüber darf man angesichts des vielen Elends anderswo aber sehr froh und sogar ausgesprochen dankbar sein und sich, um etwas zurück zu geben, für sein Land als Staatsbürger engagieren, denn ich lebe – vom Hamburger Schmuddelwetter und den düstergrauen Novembertagen abgesehen – sehr gerne hier!) Weil ich nicht an Ausländer-Phobie leide, bin ich ganz im Gegenteil der Ansicht, dass unsere westlichen Demokratien eine große Verpflichtung haben, insbesondere von gesellschaftlichen Gruppen, und sei es nur dem erweiterten Familienverband, oder Machos bedrohte Frauen in ihre sie möglichst schützenden Gesellschaften aufzunehmen und ihnen ein Dauerbleibe- oder Asylrecht zu gewähren!

Ich hoffe, des Nationalismus, Rassismus und möglichst aller anderen „–ismen“ unverdächtig zu sein. Trotzdem bin ich für eine Volksbefragung und möglichst auch -abstimmung darüber, ob die asiatische Türkei in die Europäische Union als gleichberechtigtes Vollmitglied aufgenommen werden solle – wobei ich mir des überwältigenden Ergebnisses sicher bin: die asiatischen Türken sollten nicht - entgegen aller bisher angewandter Unterscheidungskriterien zwischen Europa und Asien - zu Europäern gemacht werden!

Auch wenn uns eine solche Befragung in die Nähe der Rechtsradikalen, vielleicht sogar in ihre »geistigen Vorgärten« führt, so dürfte sie nicht aus Gründen des Nationalismusverdachts fallen gelassen werden, wie die CDU das anlässlich des Europawahlkampfes und im Oktober 2004 gemacht hat, weil Multikulti-Gutmenschen uns einreden wollen, sie wüssten besser, was uns fromme! Weil diese Frage zu wichtig ist, darf man sie nicht den Berufspolitikern überlassen!!! Es können doch nicht rund zwei Drittel bis drei Viertel der deutschen Bevölkerung unter den Verdacht rechtsextremistischer Gesinnung gestellt werden, wenn SPD und Grüne den Fehler von CDU-Politikern aus vorangegangenen Jahrzehnten, von Hallstein bis Kohl, perpetuieren wollen und wir Bürger in Europa uns als Souverän der Politiker dagegen wehren wollen!

Auf dem CSU-Parteitag wurde am 20.11.04 einstimmig(!) die Aufnahme der asiatischen Türkei in die Europäische Union abgelehnt.


Solche von unserer Kultur so stark abweichenden Einstellungen und Verhältnisse, die »Mörder aus verloren geglaubter Ehre« bis zu Ehrenmorden und zur Blutrache treiben, sind mir von in den USA lebenden Mexikanern aus den USA bisher nicht bekannt geworden. Und trotzdem liegt in den USA, die die Europäer seit Jahrzehnten zur Aufnahme der Türkei in die EU drängen, die Integration viel »kulturnäherer« Ausländer wie der Mexikaner auch dort sehr im Argen! Da können wir abschätzen, wie wenig Erfolg Integrationsversuchen gegenüber der unserer europäischen Kultur wesentlich »ferneren« türkischen Kultur und anderen uns fremden Kulturen vom Balkan, aus Arabien und wegen der geographischen Nähe aus Nordafrika im Großen und Ganzen beschieden sein wird! Bisher hat noch kein verantwortlicher Politiker die Integration der Türken selbst der dritten und vierten Generation in die deutsche Gesellschaft – von lobenswerten individuellen Ausnahmen abgesehen - für befriedigend gelöst, geschweige denn für erfolgreich erklärt! Alt-Bundes­kanz­ler Schmidt bezeichnete es Ende 2004 als politischen Fehler, "dass wir zu Beginn der sechziger Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten".


1.11 Sprengung der geistigen Wurzeln und der christlichen Tradition der EU durch eine Vollmitgliedschaft der Türkei als Befürchtung der Beitrittsgegner

Die offenen und verdeckten Gegner einer Mitgliedschaft der Türkei fürchten eine Sprengung der geistigen Wurzeln und der christlichen Tradition der EU, wenn das islamische Land, das dann nicht nur das größte, sondern bei dem Wachstum von rund 1 Mill. Einwohner pro Jahr in ca. 20 Jahren mit rund 87 Mill. prognostizierter Einwohner auch das bevölkerungsreichste Land der EU werden würde, in den Staatenbund aufgenommen werden sollte. Die EU hätte dann mehr Muslime in ihrer Bevölkerung als z.B. protestantische Christen. Da man mit rund 2,5-3 Mill. Migranten aus der Türkei nach Deutschland rechnet, würden dann ca. 5 Mill. Türken und türkischstämmige Menschen hier leben. Da die Geburtenhäufigkeit der Zuwanderer den in Deutschland üblichen Durchschnitt bei weitem übertrifft, wird ihr Anteil auch dann weiter wachsen, wenn der Strom der Einwanderungswilligen weiter abnehmen sollte. Die demographische Entwicklung bringt es mit sich, dass sie sich - nicht nur in Deutschland25 - vor allem in den großen Städten und dort wiederum in denjenigen Stadteilen bemerkbar machen werden, in denen sie schon jetzt stark vertreten sind, im Frankfurter Gallus-Viertel etwa, in den Berliner Bezirken Kreuzberg und Neukölln oder in Köln-Chorweiler. Dort und anderswo ist bei anhaltendem Wachstum - und dem spiegelbildlichen Schrumpfen der deutschen Bevölkerung - ein Zeitpunkt absehbar, in dem sie selbst unter den Bedingungen einer restriktiven Zuwanderungspolitik in einzelnen Gebieten die Mehrheit stellen. In der Altersgruppe der 20- bis 40jährigen wird sich nach Berechnungen des Bevölkerungswissenschaftlers Birg der Ausländeranteil etwa in Nordrhein-Westfalen zwischen 1992 und 2010 knapp verdreifachen. In Städten wie Duisburg, Remscheid, Düsseldorf oder Köln wird die 40-Prozent-Marke klar überschritten sein. (DIE WELT 02.12.04)

Kann/soll Europa sich – losgelöst von der bei verständiger Betrachtung unstrittigen Frage der Anerkennung seiner christlichen Wurzeln - in Anbetracht des religiösen Toleranzgebotes des modernen säkularen Staates bis hin zur gleichberechtigten staatlichen Teilhabe bekennender Atheisten aber heutigen Tages überhaupt noch als »Christenverein« religiös definieren? Wie wenigen Prozent der originär in Europa Lebenden bedeutet Religion noch so viel, dass sie ihr Leben bewusst religiös gestalten? Die Kirchen der großen christlichen Religionen sind - bis auf die Weihnachtsgottesdienste - brechend leer! Soll der Minderheit der bewussten Kirchgänger die Definitionsmacht für das, was »Europa« ausmacht, übertragen werden? Könnte Europa sich überhaupt noch religiös definieren? Katholisch? Seit der Abspaltung der orthodoxen Kirchen (1054 n.Chr.) von der sich weiterhin „allumfassend“ (= katholisch) nennenden und sogar noch 2002 ihren Alleinvertretungsanspruch gegenüber allen anderen Glaubensgemeinschaften auf der Welt laut postulierenden katholischen Kirche geht das nicht mehr. Sowohl katholisch als auch orthodox? Seit der Begründung des Hussitentums (1415 oder 1420), des lutherischen Protestantismus (1517) und der gleichzeitigen Gründung der Reformierten Kirchen durch Zwingli (1523) und Calvin (1536) geht auch das nicht mehr. Ganz allgemein christlich? Bei den vielen Gleichgültigen und Atheisten?

Aber selbst wenn Europa sich heutzutage nicht mehr religiös definieren kann, so fußt Europa doch auf dieser christlichen Tradition, aus der heraus sich die gemeinsamen Wertvorstellungen entwickelten!


1.12 Eine andere als die christliche Religion ist kein Ausschließungsgrund

Da der Ansatz, Europa abgesehen von seinen christlichen Wurzeln über »die christliche Religion« zu definieren, verschlossen ist, müssen wir vielleicht vom anderen Ende her fragen: Soll »falsche«, sprich islamische Religion ein Ausschlussgrund sein? Auch die so gestellte Frage kann nicht mehr bejaht werden, nachdem in Europa große Gruppen von Muslimen leben: In Frankreich (5 Mill.), in der BRD (3 Mill.), in Großbritannien aus dem Commonwealth und dazu die Muslime in Bosnien, um nur die größten Gruppen zu nennen. Darum wurde mit den Kopenhagener Kriterien indirekt festgelegt, dass andere als christliche Religionszugehörigkeit einer Bevölkerungsmehrheit kein Ausschlussgrund sein solle




1.13 Konstitutives Selbstverständnis Europas und Kopenhagener Kriterien



Welches konstitutive Selbstverständnis hat Europa dann von sich? Das einer durch die geographischen Grenzen Europas umschlossenen, auf den
Kopenhagener Kriterien

  1. Stabilität der Demokratie und ihrer Institutionen bezüglich unverzichtbarer Werte in dem Beitrittsland,

  2. funktionierende und konkurrenzfähige Marktwirtschaft,

  3. die Fähigkeit zur Übernahme der gesamten Rechte und Pflichten der EU und

  4. viertens die Aufnahmefähigkeit der EU, eventuell erst nach einer Reform der EU vor der Aufnahme neuer Mitglieder, durch die die EU in die Lage versetzt werden soll, auch in einem erweiterten staatlichen Verbund politisch handlungsfähig zu bleiben


fußenden Wertegemeinschaft? Wer soll nach diesem Selbstverständnis beitreten dürfen? Artikel 49 des EU-Vertrages regelt, dass jeder europäische Staat einen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU stellen könne. Wegen dieser fehlenden Europa-Eigenschaft war der Mitgliedsantrag Marokkos abgelehnt worden.

Es ist immer ärgerlich, wenn solche klaren Bestimmungen nicht eingehalten, wenn sie umgangen werden: So ist der Zweite Weltkrieg entstanden, indem eine klare juristische Regelung nicht angewandt worden war: Das in der Weimarer Republik geltende Republikschutzgesetz ordnete zwingend an, dass jeder wegen Hochverrates verurteilte Nichtdeutsche auszuweisen sei. Der Österreicher Adolf Hitler, im Ersten Weltkrieg Kriegsfreiwilliger in der Bayerischen Armee, hätte als Ausländer nicht im Deutschen Reich Reichskanzler werden können - und das österreichische Heer wäre zu klein gewesen, um damit die ganze Welt in Brand zu stecken. Nur weil trickreiche deutsche Juristen dafür gesorgt hatten, dass Hitler trotz von ihm vorgenommener verbotener rechtsradikaler und sogar hochverräterischer Bestrebungen entgegen der zwingenden(!) Gesetzeslage nicht ausgewiesen, sondern am 26.02.32 auf Veranlassung des nationalsozialistischen Landesinnenministers von Braunschweig durch die Ernennung zum Regierungsrat an der braunschweigischen Gesandtschaft in Berlin deutscher Staatsbürger geworden war - nachdem die braunschweigische Regierung mit ihrem ersten Umgehungsversuch gescheitert war und seine Ernennung zum Professor für Volkserziehung an der TH Braunschweig (mit der bezweckten Folge der dadurch möglichen Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft) auf den Protest des Lehrkörpers hin hatte zurückziehen müssen -, hatte Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, so am 30.01.1933 zum Reichskanzler Deutschlands ernannt werden und dann durch den Zweiten Weltkrieg die ganze Welt in Brand stecken können!

Kleine Ursache, große Wirkung.

So wird es auch sein, wenn die Bestimmung des Artikels 49 nicht eingehalten werden sollte und die asiatische Türkei entgegen dem unzweideutigen Wortlaut in den Verbund aufgenommen werden sollte, der ausschließlich europäischen Staaten vorbehalten sein soll!


Neben den Kopenhagener Kriterien wurde in dem EU-Vertrag von Amsterdam 1997 u.a. auch festgelegt: „Der Beitritt wird stattfinden, sobald ein assoziiertes Land in der Lage ist, die Verpflichtungen der Mitgliedschaft zu erfüllen, indem es die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen erfüllt.“ Allerdings resultiere aus der Erfüllung der Kriterien kein Rechtsanspruch auf Mitgliedschaft. Die Beitrittsentscheidung liegt im Ermessen der EU. Es ist und bleibt eine politische Entscheidung, welcher europäische Staat beitreten soll.


1.14 Die Türkei als unangemessen auftretender Verhandlungspartner der EU am Beispiel der Zypern-Frage

Über die Kopenhagener Kriterien und die im EU-Vertrag von Amsterdam festgelegten Bedingungen hinaus müsste eine andere Sache so klar sein, dass sie im Militär-Jargong als »sozusagen arschklar« bezeichnet werden würde: Jeder Mitgliedsstaat der EU muss von einem Beitrittskandidaten als Staat und Mitglied der EU respektiert werden! Das ist eine solche selbstverständliche Voraussetzung, dass niemand auf die Idee kam, diese Voraussetzung explizit als ein Mitgliedschaftskriterium extra zu erwähnen. Das ist eine selbstverständliche Systemvoraussetzung – sollte man meinen; nicht aber für die Türkei: Die Türkei lehnt die Anerkennung des EU-(Neu-)Mitgliedes Zypern ab. Sie beruft sich dümmlicherweise sehr dreist darauf, dass eine Anerkennung der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU kein Kopenhagener Kriterium sei.

Um Ihnen das Problem juristisch untermauert klar zu machen, wähle ich ein Beispiel aus dem Grundgesetz: In Art. 4 GG wird die Religionsfreiheit im Gegensatz zu den meisten anderen Grundrechten ohne eine Ermächtigung für einen gesetzlichen Eingriff des Staates gewährt. Gleichwohl gilt sie nicht schrankenlos: Rituelle Witwenverbrennungen würden unsere Verfassungsrichter nicht akzeptieren. Nach der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Verfassungsauslegung begrenzen die unserer freiheitlich-demo­kra­ti­schen Grundordnung systemimmanenten Schranken, das Gesamtgefüge unserer Wertordnung, auch die Grundrechte, für die kein Gesetzesvorbehalt formuliert wurde, die nach erstem Anschein oder der Meinung eines unbefangenen Lesers des Verfassungstextes – sprich: eines Nichtjuristen - ohne jede Einschränkung gewährt zu sein scheinen. Selbst das in unserer Verfassung als eines der wenigen Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt gewährte Recht der freien Bekenntnis-/Religionsfreiheit wird also nur vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährt. (Ohne jegliche Einschränkung wird nur das Grundrecht auf Menschenwürde gesehen!) Wie es also in unserer Verfassung nicht extra genannte systemimmanente Schranken gibt, so gibt es auch für Mitglieder und erst recht für Petenten um Aufnahme in die EU eine unausgesprochene Schranke: Die Anerkennung jedes Mitgliedes der EU als Staat! Das ist eine völkerrechtliche Selbstverständlichkeit!

Die Ablehnung der Anerkennung der Republik Zypern müsste ein Grund für die sofortige Stornierung der Beitrittsbemühungen sein! In der Woche vor dem 17.12.04, dem Tag, an dem der verhängnisvolle Beschluss der Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer gefasst wurde, hatte der türkische Außenminister Gül die Forderung der EU strikt abgelehnt, einen Schritt zur Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern zu tun. Die entsprechende dpa-Meldung lautete:


MAW6973 4 plx 109 APD9580 ;GE;x;O;00000280;

DEU/Türkei/EU/CSU

dsa brn dsr

CSU-Politiker Friedrich sieht Umdenken in Türkei-Politik =

München (AP) Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und CSU-Abgeordnete Ingo Friedrich sieht «gute Chancen» für eine Kurskorrektur in der Türkeipolitik. Der «emotionale Ausbruch» des türkischen Außenministers Abdullah Gül habe dazu beigetragen, sagte Friedrich am Montag in München. Gül hatte die Forderung der EU strikt abgelehnt, einen Schritt zur Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern zu tun. Friedrich sagte, nach Auffassung mehrerer Regierungschefs sollte die EU mit der Türkei nicht nur über die Vollmitgliedschaft verhandeln. Jetzt gehe es darum, «den Geleitzug so gesichtswahrend wie möglich» umzulenken.

Ende##


AP/ro/kn/
131304 dez 04
Diese Meldung führt uns dankenswerterweise schon jetzt vor Augen, was für ein Mitglied sich die Beitrittsbefürworter in die EU holen wollen. Aber das Menetekel wird nicht als solches wahrgenommen, obwohl die rote Schrift unübersehbar an der Wand steht! „Gewogen und für zu leicht befunden!“ Ein Land mit einer solchen Regierung, die nach Gutdünken die Existenz eines EU-Mitgliedslandes negiert, darf nicht Mitglied in der EU werden! Das hätte dem türkischen Belsazar von der EU-Kommission sofort deutlich gemacht werden müssen!
Zu dem Zypern-Problem als weitere Information der leider aus dem Internet-Archiv genommene Hintergrund-Artikel „HINTERGRUND - Hunderte Klagen“ aus der FR vom 26.04.05, aus dem, weil nicht mehr hochladbar, auszugsweise zitiert wird:
Die Türkei zögert, die bereits 1996 mit der damaligen EU geschlossene Zollunion auf die zehn neuen EU-Mitglieder auszudehnen, weil damit die Anerkennung der (griechischen) Republik Zypern und ihres Alleinvertretungsanspruchs für die geteilte Insel verbunden wäre.

Ankara drohen aufgrund dieser Haltung durch die grundbesitzenden der etwa 180.000 aus dem Norden der Insel vertriebenen griechischen Zyprer Entschädigungsforderungen in Höhe von rund 15 Mrd. €. Fast 500 Klagen griechisch-zyprischer Vertriebener sind inzwischen diesbezüglich anhängig, „Im April entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), die Klage einer griechischen Zypriotin zuzulassen, die 1974 vertrieben wurde. Bereits 1998 hatte der EGMR die Türkei in einem ähnlich gelagerten Fall verurteilt: einer Zyperngriechin wurden umgerechnet 85 0000 Euro zugesprochen, weil sie ihren Besitz seit 1974 nicht nutzen kann. Jahrelang ignorierte die Regierung das rechtskräftige Verdikt aus Furcht vor weiteren Klagen. Erst 2004 zahlte sie, um einem drohenden Ausschluss des Landes aus dem Europarat zu entgehen. Das Urteil ist aber immer noch nicht voll umgesetzt: der Auflage des Gerichts, der Besitzerin die Nutzung ihres Anwesens zu ermöglichen, ist die Türkei bisher nicht nachgekommen.“

Um weitere Ansprüche abzuwehren, richteten die Behörden inzwischen eine "Entschädigungskommission" ein, bei der ihre Forderungen anmelden sollen. Die Türkei argumentierte gegenüber dem EGMR, seit der Öffnung der Grenze 2003 hätten die griechischen Zyprer freien Zugang zu ihrem Besitz im Inselnorden. Die Straßburger Richter bestätigten dennoch die Zulassung der Klage. Die Kommission hält das Gericht nicht für eine "effektive und adäquate" Institution, um über die Ansprüche der Kläger zu entscheiden.

Zurück zur grundsätzlichen Frage: Wer soll beitreten - und wer nicht? Soll die asiatische Türkei in die Europäische(!) Union mit aufgenommen werden, weil gerade noch 3 % ihres Staatsgebietes als Brückenkopf zu einem rein geographisch definierten Europa gehören? Der vorstehend zitierte Passus, bezüglich der Europa-Eigenschaft müsste hinsichtlich der Türkei (politisch) interpretiert werden. Oder soll der geographische Faktor nachrangig nach dem der gemeinsam vertretenen Werte sein? Müsste dann nicht eines Tages die EU nach einem theoretisch möglichen Beitritt Russlands vielleicht bis an die Grenze Chinas ausgeweitet werden? Könnte die EU dann mehr sein als eine bloße, sich über fast zwei Kontinente erstreckende geopolitische Stabilitätsgemeinschaft und Freihandelszone, wie es die Kanada, die USA und Mexiko umfassende Freihandelszone auf dem amerikanischen Doppelkontinent ist?




1.15 Überholte Debatte um Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU?



Die Befürworter einer Vollmitgliedschaft der Türkei zur EU werfen den als konservativ angesehenen Gegnern eines Türkei-Beitritts vor, eine hilflose und längst überholte Debatte zu führen: Die islamische Türkei, so heiße es in hauptsächlich konservativen Kreisen, passe nicht ins christliche Europa und gehöre geographisch gar zu Asien. Diese Argumente geißeln sie.

Beide Argumente zielen nach Meinung der Befürworter ins Leere: Nicht einmal der EU-Konvent habe es für angebracht gehalten, einen Bezug zum Christentum im Entwurf der EU-Verfassung festzuschreiben. Und mit dem Assoziierungsvertrag von 1963 und der - auf massiven Druck der USA hin entstandenen - Verleihung des Status eines Beitrittskandidaten 1999 habe die EU die Türkei als europäisches Land (angeblich und irreversibel) akzeptiert. Die politischen Fakten würden jetzt in absehbarer Zeit den rechtlich abgesicherten Status einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU erzwingen – weil man damals aus politischer Feigheit die erforderliche Diskussion um die andere ausschließende Identität Europas nicht hatte führen wollen und sich darauf verlassen hatte, dass sich der Folterstaat Türkei nicht demokratisch wandeln werde und somit unter Hinweis auf die politischen und gesellschaftlichen Defizite ein Beitritt jederzeit abgelehnt werden könnte.

Nun wandelt sich die Türkei rapide, und das unter einer konservativen, dezidiert islamischen Führung; und mit dem als Kampfmittel eingesetzten Kopftuch seiner Frauen!
Jetzt bleibt nur die Hoffnung, dass die Türkei - entgegen dem Schuldanerkenntnis des politischen Übervaters Kemal Atatürk
„Warum tut sich die moderne Türkei so schwer mit diesem Teil ihrer Vergangenheit? Die Verbrechen des Jahres 1915 sind von der damaligen Regierung des Osmanischen Reiches begangen worden - einer Regierung, von deren führenden Mitgliedern sich Mustafa Kemal, der Gründer und Säulenheilige der türkischen Republik, deutlich distanziert hat. … Atatürk selbst hat sich zu diesen Verbrechen in einer Offenheit geäußert, die ihn in der heutigen Türkei womöglich hinter Gitter brächte. 1920 verurteilte er vor dem Parlament den Völkermord an den Armeniern als "eine Schandtat der Vergangenheit"; in einem Gespräch mit einem amerikanischen Diplomaten nannte er die Zahl von 800.000 ermordeten Armeniern und sprach sich für eine harte Bestrafung der Täter aus.“

SPIEGEL ONLINE 23.04.05


aus ehrpusseligem Nationalstolz heraus weiterhin den Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg leugnet – um nicht das Andenken an die Väter und Großväter zu verunglimpfen -, seine Erwähnung weiterhin mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht und so eine vom Europaparlament mehrfach aufgestellte, aber im Oktober 2001 auf türkischen Druck hin wieder gestrichene, postulierte Grundvoraussetzung für einen Beitritt nicht erfüllt; aber vielleicht wird sich auch das ändern und die Türkei steht irgend wann einmal zu dem von ihr verübten Völkermord.

Nach einem Interview des SPD-MdB Markus Meckel am 04.10.04 im DLF stehen bisher immer noch in der Türkei Personen vor Gericht, die auf diesen Völkermord hinweisen! Und erörtert werden durfte dieses Problem – mit Ausnahme der Armenienkonferenz – bisher auch nicht:



1.16 Türkei-Armenien-Frage in der Wahrnehmung der türkischen Mehrheit

"Nie hatte ein Volk reinere Hände als das türkische"



http://www.nadir.org/nadir/initiativ/kurdi-almani-kassel/aktuell/2005/mai2005/armenienkonferenz.htm
Als in Istanbul von den drei angesehenen staatlichen Universitäten Bogazici, Bilgi und Sabanci eine Historiker-Konferenz zur armenischen Tragödie in der Türkei 1915-16 stattfinden sollte, wurde sie nach einer "schrecklichen Rede" von Justizminister Cicek wieder abgesagt, der u.a. geäußert hatte, die Teilnehmer seien allesamt armenisch gesinnt und würden "der Türkei das Messer in den Rücken stoßen" und er hatte hinzugefügt: „Nie hat ein Volk reinere Hände und ein reineres Gewissen gehabt als das türkische.“

Die Konferenz mit dem Thema "wissenschaftliche Verantwortung und Demokratie" versuchte eine Gratwanderung zwischen den beiden extremen Positionen der türkischen Regierung und der armenischen Diaspora, um irgendwo in der Mitte der Wahrheit näherzukommen. „Die türkische Position lautet, 300 000 Armenier kamen bei einer Verkettung unglücklicher Umstände ums Leben, beabsichtigt war das nicht, und Behauptungen eines Genozids sind verantwortungslose Attacken gegen den türkischen Staat. Die Armenier behaupten, 1,5 Millionen ihrer Landsleute wurden absichtlich massakriert, um das armenische Volk in der Türkei auszulöschen.“

Die Organisatoren der geplanten Konferenz sahen sich einer solchen Welle einschüchternder Deklarationen ausgesetzt, dass das Rektorat der Universität Bogazici folgende Erklärung veröffentlichte: "Wir sind besorgt darüber, daß die pauschalen Urteile über eine Konferenz, die noch nicht stattgefunden hat, der wissenschaftlichen Freiheit einer staatlichen Universität schaden werden."

(Zusammenfassung aus DIE WELT 26.05.05)


Die Vorgeschichte der Konferenz zur Armenierfrage: Einer der zur Zeit bedeutendsten Schriftsteller der Türkei, der nachmalige Literatur-Nobelpreisträger des Jahres 2006 Pamuk, hatte in der Frage der Massaker an den Armeniern öffentlich Stellung gegen eine weitere Verdrängung des Themas in der Türkei und für eine Diskussion der Fakten bezogen, sich deswegen eine Anklage eingehandelt und dafür 2005 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten, wo er in seinem Festvortrag am 23.10.05 ganz unverschleiert und unverblümt die Aufnahme der Türkei in die EU forderte (u.a. EU-Nachrichten 38/05): “Wenn Europa aber vom Geist der Aufklärung, der Gleichheit und der Demokratie beseelt ist, dann muss die Türkei in diesem friedliebenden Europa ihren Platz haben. Genau wie ein Europa, das sich nur auf das Christentum stützte, wäre eine Türkei, die ihre Kraft nur aus der Religion bezöge, eine die Realitäten verkennende, nicht der Zukunft, sondern der Vergangenheit zugewandte Festung“.

[Wieso „muss“ die Türkei laut Pamuk, der für sich beansprucht, ein Mittler der türkischen und der europäischen Kultur zu sein, „dann“ in Europa Platz haben? Die behauptete Zwangsläufigkeit erschließt sich mir trotz heftigen Nachdenkens wirklich nicht! Pamuks Argumentation ist ein ob seiner Perfidität ärgerlich machendes Scheinargument, mit der den Europäern von den unzulässig eine Begünstigung erstrebenden asiatischen Türken die Rolle des rückwärts gewandten Buhmanns zugewiesen wird, wenn die Europäer den völlig überzogenen und durch kein geografisches, noch historisches oder kulturelles Argument zu rechtfertigenden Wünschen der asiatischen Türken nicht zu Willen seien: Es ist unbezweifelbar, dass Europa seit der Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution (unter Außerachtlassung der »dunklen« Teile seiner Geschichte wie insbesondere Imperialismus, Kolonialismus, übersteigertem Nationalismus und Rassenhass an dieser Stelle) in seinen besten Bestrebungen „vom Geist der Aufklärung, der Gleichheit und der Demokratie beseelt ist“, diese Werte in die Welt getragen hat und sich nicht „nur auf das Christentum stützt“, aber daraus folgt nicht die von Orhan Pamuk behauptete Zwangsläufigkeit für die Aufnahme der asiatischen Türkei oder anderer nicht zu »Europa« gehörender Länder in die Europäische Union! Würden die Europäer unter Hinweis auf den von ihnen nach Amerika getragenen „Geist der Aufklärung, der Gleichheit und der Demokratie“ von den USA, die ohne dieses Gedankengut gar nicht das geworden wären, was sie heutzutage – manchmal: leider! - sind, den Zusammenschluss der Mitgliedsländer der EU mit den Staaten der USA fordern, würde das jeder aberwitzig finden! Wieso gilt das dann zumindest nicht bei unseren Politikern – von den in die EU strebenden Türken ganz zu schweigen -, wenn die asiatische, in ihrer Identität von einem völlig anderen Gedankengut geprägte Türkei ihre Aufnahme in die Europäische Union fordert, ohne dass die Türkei an der identitätsstiftenden Herausbildung dieser nun von Pamuk für seine Landsleute in Anspruch genommenen Werte, zu denen sich die Türkei wie andere Staaten der Welt sehr gerne bekennen darf, je auch nur einen klitzekleinen Anteil gehabt hätte? Bei diesen grundsätzlichen Überlegungen ist noch gar nicht berücksichtigt, wie die Europäer, sollten sie den auf ein abschüssiges Gleis gesetzten Zug der Erweiterung der EU über Europas Grenzen hinaus nicht aufhalten können, voraussichtlich dann 80 Mill. Türken ganz praktisch integrieren sollten, wenn, wie die im Oktober und November 2005 in Frankreich brennenden Gebäude und Autos in den Vorstädten bewiesen, Frankreich bisher nicht in der Lage war, 5 Mill. seiner afrikanischstämmigen islamischen aber gleichwohl französischen Bevölkerung zu integrieren.]


Im Sommer 2005 hatten nach dem öffentlichen Eintreten Pamuks für die Erörterung der Armenierfrage türkische Hochschulen die Bewältigung der nicht nur historisch zu sehenden Problematik in Angriff genommen. In einer Historikerkonferenz sollte der Umgang der Türkei mit ihrer damaligen armenischen Minderheit erörtert werden. Auf Grund anfänglich erheblichen Drucks von untergeordneter türkischer Regierungsseite – u.a. Verweigerung der Bereitstellung von Räumlichkeiten -, haben die beteiligten Hochschulen dann zunächst von der Durchführung des Projektes Abstand genommen. Die Unterdrückung der Rede- und Wissenschaftsfreiheit hatte daraufhin einen sehr scharfen Protest der EU ausgelöst. Auf Grund dieses Protestes war die Konferenz für Ende September erneut anberaumt worden. Doch eine Gruppe konservativer Juristen war vor Gericht gegangen, um die Konferenz verbieten zu lassen. So war es ihnen gelungen, die Konferenz für zunächst 30 Tage aufzuhalten. Der Premier- und der Außenminister haben sich dann jedoch angesichts der unmissverständlich klaren Haltung der EU für das Abhalten der Konferenz ausgesprochen und die Organisatoren fanden einen anderen geeigneten Ort, um sie stattfinden zu lassen. Dies war das erste Mal, dass man in der Türkei so offen und kritisch zur von Pamuk in die öffentliche Diskussion getragenen Armenierfrage Stellung nehmen konnte.

„Im Verständnis der türkisch- muslimischen Gesellschaft liegt hier eine der verletzlichsten Tabuzonen. Es reicht, wenn Pamuk über die osmanische Vergangenheit, das Leid der Armenier und Kurden in einem Interview spricht, um wegen „Herabwürdigung des Türkentums“ vor Gericht zu kommen. Für die Freiheit der Ideen und Gedankenäußerung einzutreten, ist unter diesen Umständen immer noch ein hohes persönliches Risiko. Ob der Nobelpreis an den in seiner Heimat umstrittenen Autor, wie erwartet wird, den Dialog der Kulturen anstößt, darf bezweifelt werden.

Die Nationalisten am Bosporus sehen sich bestätigt in dem Vorurteil, der Westen versuche alle seine Möglichkeiten einzusetzen, der Türkei die Seele der - bei ihrem Kampf um die Aufnahme in die EU europäisch gesehenen oder zumindest so ausgegebenen - Tradition zu nehmen. Das ist die Erfahrung, die man nach der Auszeichnung Pamuks mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2005 machen konnte. Es liegt eine gewisse Tragik in der Nobelpreisvergabe, wenn Pamuk auch um Verständnis für das Gefühl der Erniedrigung wirbt, das sich bei der übermächtigen Wertepräsenz des Westens einstellt.“ (Kommentar im Nordkurier vom 13.10.06).

Und der SPIEGEL stellte in der Türkei folgende Reaktionen auf die Verleihung des Literatur-Nobel­­preises an Pamuk fest:

"Armenischer Schatten über dem Nobelpreis" titelt die Online-Ausgabe des Massenblattes Hürriyet, und wird damit zum Sprachrohr für Millionen von Türken. Ihr vernichtendes Urteil: Pamuk ist im Weltmaßstab nur ein durchschnittlicher Romancier. Ohne seine politischen Aussagen zum "Völkermord an den Armeniern" hätte er den höchsten Preis in der Literaturwelt nicht bekommen.

Von dem einfachen Mann auf der Straße bis hin zu den namhaften Autoren und Literaturkritikern des Landes sind sich fast alle einig: Pamuk wurde vor allem wegen seines politischen Standpunktes und seiner strafrechtliche Verfolgung in der Türkei geehrt.



Das Land spaltet sich in zwei Lager, die quantitativ nicht miteinander zu vergleichen sind - auf der einen Seite diejenigen, die sich "trotz alledem" sehr freuen, nicht zuletzt deshalb, weil sie dem Autor auch politisch nahe stehen. Und auf der anderen Seite Millionen von Türken, die sich gerade durch Pamuks Kommentare ungerechterweise als "Tätervolk" abgestempelt sehen. Für sie ist Pamuk ein Opportunist, der seine Karriere sorgfältig geplant und nun mit dem Nobelpreis gekrönt hat - und dabei über die "Leichen seiner Landsleute" ging.

Kritiker wie Cezmi Ersöz fragten: "Muss man unbedingt ein ganzes Volk niedermachen, um den Nobelpreis zu bekommen?" Damit meint er nicht die Armenier, sondern die Türken von heute, die von Pamuk erniedrigt werden. Eine Korrelation zwischen der Völkermorddebatte und dem Nobelpreis sieht auch Ahmet Tan. Der linke Abgeordnete und Publizist ist der Ansicht, dass man sich in der Türkei über diesen hohen Preis "niemals aus dem ganzen Herzen freuen kann".



Dass auch Eriwan die Verleihung des Nobelpreises an Pamuk lobt, macht in den Augen der Türken die Armenier zu den Zeugen der Anklage, und bestätigt Pamuk als eifrigen Nestbeschmutzer.

Der Nobelpreisträger, der in Zukunft mehr in den USA leben will, hat wahrlich keinen guten Draht mehr zu seinem eigenen Land“, konstatiert der SPIEGEL abschließend.

(SPIEGEL ONLINE 13.10.06)



Aber ehe die Türkei Mitglied der EU wird, müsste z.B. Israel Mitglied in diesem Staatenbund werden! Israel? Sicher: Wenn zur Ermöglichung der Aufnahme der Türkei geographische Argumente in den Hintergrund gerückt oder außer Acht gelassen werden und von den Türken - für sich zu Unrecht bemühte weil nicht vorhandene - insbesondere historisch-kulturelle Argumente bei der dann auch juristisch zu fixierenden Bestimmung dessen, was Europa ausmacht, ausmachen soll, zählen sollen, dann hätte die einzige Demokratie des Vorderen Orients (im israelischen Kernland, nicht jedoch in den besetzten palästinensischen Gebieten, wo nackte israelische Militärdiktatur von einfachen Schikanen bis hin zum Zuschütten lebender Palästinenser mit Planierraupen herrscht!) auf Grund ihrer Staatsform und angesichts der Tatsache, dass der Staat Israel von europäischen Juden - mit ihren Wurzeln auch in der europäischen Geistesgeschichte und ihrer Jahrhunderte langen Teilhabe an der Herausbildung des »europäischen Geistes« - erträumt, gegründet und entscheidend geprägt worden ist, dann hätte Israel am ehesten von allen weiteren in die Diskussion gebrachten Bewerbern ein Anrecht auf eine Mitgliedschaft in einer EU der Wertegemeinschaft!

Und die Aufnahme dieses von vielen dorthin zwangsweise emigrierten Europäern (zumindest mit-)geprägten, gleichwohl vorderasiatischen Landes propagiert ja (bisher) auch kein ernst zu nehmender EU-Politiker und kaum einer der Bürger Europas!!! (Wobei ich selbstverständlich weiß, dass genau dieses mindestens im vorderasiatischen Raum schon ernsthaft angedacht wurde, um so durch seine Internationalisierung eventuell eine vage Chance auf die Entschärfung des Palästina-Konfliktes zu erhalten und die Israelis vor dem Hass islamistischer Glaubens­überzeugungstäter wie des als Nachfolger Chatamis gewählten neuen ultrakonservativen Staatspräsidenten des Irans, Ahmadi-Nedschad/Ahmadinedschad, der Israel auf der Landkarte ausradieren lassen will, schützen zu helfen.) Wenn trotz der europäischen Prägung des Landes bislang niemand ernsthaft die Aufnahme des vorderasiatischen Staates Israel in die EU vertritt und fordert, warum sollte dann der nicht europäisch geprägte vorderasiatische Staat Türkei in die EU aufgenommen werden??? Das konnte bislang keiner der Befürworter des EU-Beitritts der Türkei hinreichend schlüssig so darlegen, dass nicht andere Staaten aus denselben Gründen für sich einen Anspruch auf ebenfalls den Beitritt zur EU fordern könnten: Ein Beitritt der Türkei würde die Demokratisierung des Landes befördern? Das könnten andere asiatische und afrikanische Länder ebenfalls für sich ins Feld führen. Welches aber ist - wenn man auf die geographischen, historischen und kulturgeschichtlichen Argument glaubt verzichten zu können, um die Aufnahme der asiatischen Türkei in die europäische Kultur- und Wertegemeinschaft überhaupt denkbar zu machen – welches ist dann das durchschlagende Argument, dass für eine Aufnahme ausschließlich der Türkei in die EU sprechen sollte und darum gleichzeitig andere ebenfalls in die EU drängende nichteuropäische Staaten ohne Bezug zur europäischen Kultur- und Wertegemeinschaft auszuschließen geeignet ist, damit die Europäische Union noch die durch Jahrhunderte mit viel Wachstumsschmerzen gewachsene, aber sich gleichwohl als europäisch verstehende Union bleibt?
Da das Christentum das Ideenfundament Europas ist, wäre es trotz der Kirchenferne des weit überwiegenden Teiles der Bevölkerung Europas nicht unangebracht, wenn man – nicht nur dem Wunsch des Vatikans folgend - diese gemeinsame Wurzel in der ansonsten säkularen Verfassung Europas in deren Präambel durch eine angemessen moderate Formulierung zum Ausdruck brächte. Damit vergäbe man sich nichts, denn so sind ja die historischen Fakten. Warum schamhaft verschweigen? Trotzdem wird dieser historische Bezug auf die jüdisch-christlichen Wurzeln des mehrtausendjährigen europäischen Geisteslebens wegen des Drucks vieler EU-Politiker im Europäischen Parlament und einiger Länderchefs wegen der streng laizistischen Ausrichtung ihres Staates (Frankreich!) und wohl auch mit Blick auf den starken Bevölkerungsanteil ihrer Muslime unterbleiben. Das spricht aber nicht gegen die Richtigkeit der identitätsbildenden christlichen Wurzel Europas und den anschließenden Kampf um die Befreiung des europäischen Geistes aus den Fesseln der Religion; beides Kriterien, an denen die Türkei keinen eine mit Europa gemeinsame geistige Identität stiftenden Anteil hatte!
Die Frage eines möglichen oder unmöglich erscheinenden Beitritts der Türkei müsste die kommenden Wahlkämpfe beherrschen: Wenn jetzt nicht darüber debattiert wird, wann dann? Wie sollten die Bürger, wenn ihnen das Mittel der Volksabstimmung zu dieser Frage nicht zugestanden wird, anders ihre Meinung unüberhörbar kundtun?
Weil u.a. der Außenminister der BRD seine »grünen« Parteigenossen via Telekonferenz aus Neapel auf ihrem Parteitag Ende 2003 aufforderte, sich „nicht feige wegzuducken und die Aufnahme der Türkei in die EU offensiv zu vertreten“, der Bundeskanzler das mit seinem Türkeibesuch tat und der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages, der CDU-Abgeordnete Rühe, 2004 die gleiche Ansicht vertrat, ist die Frage der Aufnahme der Türkei in die EU für mich das wahlentscheidende Kriterium:

Ich werde einer Partei, die die von mir aus den vorstehend dargelegten Gründen abgelehnte Mitgliedschaft der Türkei in der EU herbeiführen will, bei den anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament meine Stimme verweigern, da ich die Option auf ein politisch vereintes »Europa« unter allen Umständen weiterhin gewahrt wissen möchte. In einem mit der Türkei als Vollmitglied überdehnten politischen Gebilde »Europa« scheint mir dieses Ziel wegen der Kulturgrenze zwischen der Türkei und dem, was gemeinhin unter »Europa« verstanden wird, nicht mehr erreichbar zu sein!
„Ich stehe hier, ich kann nicht anders!“


2 Entscheidung der EU-Regierungschefs zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen gegen den Mehrheitswillen der EU-Bevölkerung


Die den Bürgern Europas zugemutete Entscheidung ihrer Regierungschefs für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in die EU erging laut Umfragen und dpa-Meldung vom 14.12.04 gegen den Mehrheitswillen. dpa 0137 130917 Dez 04 meldete drei Tage vor dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel, bei dem über den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entschieden wurde, dass die Mehrheit der Franzosen und Deutschen nach einer Umfrage des Pariser IFOP-Meinungsforschungsinstituts gegen einen EU-Beitritt der Türkei sei: 67 Prozent der befragten Franzosen und 55 Prozent der Deutschen lehnten in der Umfrage im Auftrag der Pariser Zeitung «Le Figaro» eine Mitgliedschaft der Türkei ab. Der Befragung lag eine Erhebung unter 4813 Europäern aus insgesamt fünf EU-Ländern zugrunde. Danach sahen Italiener und Briten einen Beitritt durchaus positiver: 49 Prozent der befragten Italiener sowie 41 Prozent der Briten (bei 30 Prozent Ablehnung) sprachen sich dafür aus. Nach dem Bericht des «Figaro» waren nur die Spanier mehrheitlich für den Beitritt, und das mit klaren 65 Prozent. Alles in allem zeigte die Umfrage, dass die Meinung der Bevölkerung eine diametral entgegengesetzte Position zu der der führenden Politiker in Europa hatte, die mit einer überwältigenden Mehrheit Beitrittsgespräche befürworteten.


Doch auch in der EU-Kommission mehrten sich dann die kritischen Stimmen gegenüber einem Beitritt der Türkei. Der niederländische Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein warnte in einer Rede vor den dramatischen Folgen, die ein EU-Beitritt der Türkei heraufbeschwören würde: "Die USA bleiben die einzige Supermacht, China wird ein ökonomischer Riese, und Europa wird islamischer", sagte der Kommissar. "Wer die Türkei hereinlässt, der wird auch die Ukraine und Weißrussland akzeptieren müssen". [Na und? Wenn sie demokratisiert sind, wie es die Ukraine inzwischen durch ihre orangene Revolution geschafft hat?!] Denn diese Länder, so Bolkestein, "sind europäischer als die Türkei". Bolkestein, der im Falle des EU-Beitritts der Türkei von einer „Implosion“ der EU spricht, war nicht der einzige Türkei-Skeptiker in der Kommission, auch der österreichische EU-Agrarkommissar Franz Fischler, die spanische Verkehrskommissarin Loyola de Palacio und drei weitere ihrer Kollegen befürchteten eine allzu positive Beurteilung der Türkei durch die Kommission im Oktober (DIE WELT 09.09.04).

Fischler warnte einen Tag später vor einem „fundamentalistischen Rückfall“ des Landes: "Es bestehen Zweifel an den demokratischen Grundsätzen der Türkei", u.a. (oder vorgeschoben) deswegen, weil die von der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) Erdogans getragene islamische Regierung der Türkei angekündigt hatte, im Zuge einer Strafrechtsreform mit u.a. der Abschaffung der Strafmaßprivilegierung für aus der Tradition herrührende Straftaten wie insbesondere Ehrenmorde an Töchtern, die sich nicht nach den Vorstellungen der männlichen Familienmitglieder zu richten bereit sind - vormalige Begründung für die Privilegierung: das unzüchtige Verhalten der Frauen habe die Tötung provoziert -, auf Druck ihres rechten Flügels die von 1926-1996 gegolten habende Strafbarkeit des Ehebruchs, der „sexuellen Untreue“, wieder einzuführen: bis zu drei (SPIEGEL 14.09.04)/zwei (DLF 14.09.04) Jahre oder ein Jahr (taz und DLF 17.09.04, SPIEGEL 27.09.04) Gefängnis für einen nachgewiesenen Seitensprung!

Der in AKP-Parteikreisen angesehene Religionsgelehrte Karaman ging sogar noch weiter und forderte, den Geschlechtsverkehr von Unverheirateten unter Strafe zu stellen (SPIEGEL 13.09.04).
Die Abschaffung der Strafmaßprivilegierung für aus der Tradition herrührende Straftaten wie insbesondere Ehrenmorde an Töchtern, die sich nicht nach den Vorstellungen der männlichen Familienmitglieder zu richten bereit sind, ist das Eine; vielleicht ist sie in ihren Auswirkungen aber nur eine »Schaufensterveranstaltung«. Das Andere, Entscheidendere, ist die sich daraus entwickelnde Realität:

Nachdem sich 2006 insgesamt 36 junge Frauen in dem 40.000 Einwohner zählenden Städtchen Batman in der Türkei, der Hochburg der islamistischen Hisbollah (einer kurdisch-türkischen Terrororganisation, die in einem unabhängigen Kurdistan einen Gottesstaat errichten will), umgebracht hatten, war die UNO-Sonderermittlerin zum Thema Gewalt gegen Frauen, Yakin Ertürk, der rätselhaften Selbstmordwelle im kurdischen Südosten der Türkei nachgegangen. Es bestand die Vermutung, dass es sich dabei möglicherweise um Ehrenmorde handelte. „Es sei möglich, so erklärte jetzt Ertürk auf einer Pressekonferenz in der Stadt Urfa, dass die erschreckende Zahl von Selbstmorden unter jungen Frauen das Ergebnis einer Gesetzesänderung ist. Im April vergangenen Jahres wurde bei der Reform des türkischen Strafgesetzbuches das Strafmaß für sogenannte Ehrenmorde erheblich angehoben. Damit sollte ein größerer Schutz von Frauen gewährleistet werden. Das paradoxe Ergebnis der Strafrechtsnovellierung könne sein, so Ertürk, dass Ehrenmorde nun als Selbstmorde getarnt würden, damit die Familie strafrechtlich nicht belangt werden kann.“ (Jürgen Gottschlich: „TÜRKEI - Ehrenmorde als Selbstmorde getarnt“ SPIEGEL ONLINE 06.06.06) Bereits drei Jahre zuvor, so der Bericht, hatte der Psychiatrieprofessor der nahe gelegenen Dicle-Universität, Aytekin Sir, in einer Studie hundert Selbstmorde junger Frauen in Batman untersucht. Das Fazit seiner Untersuchung war bereits damals: Bei den meisten Fällen handelte es sich eher um verdeckten Mord als Selbstmord. Die Mädchen wurden von ihren Familien so terrorisiert, dass sie sich letztlich selbst umbrachten. Die Untersuchung von Professor Sir zusammen mit immer lauter gewordenen Protesten von Frauenselbsthilfegruppen, insbesondere von Kamer, der größten Selbsthilfegruppe in Diyarbakir, führten damals in der Türkei zu einer intensiven Debatte über Ehrenmorde. Diese Debatte hatte letztlich zur Verschärfung der Strafen für diese Verbrechen geführt. Eine Untersuchungskommission des Parlaments legte Ergebnisse eigener Untersuchungen vor. Nach Ermittlungen der Parlamentskommission wurden innerhalb der letzten fünf Jahre 1091 Fälle versuchter oder vollendeter Ehrenmorde als extremster Ausdruck männliche Dominanz über Frauen registriert. Die Abgeordnete der oppositionellen sozialdemokratischen CHP, Gaye Erbatur, stellvertretende Vorsitzende der Kommission, sagte bei der Vorstellung des Untersuchungsberichts: "Wir waren geschockt über das Ausmaß an Gewalt, das manche Frauen in unserem Land erdulden müssen." Unter dem Vorwand, die Ehre der Familie zu schützen, würden Frauen eingesperrt, geschlagen, in extremen Fällen ihre Nase oder Ohren abgeschnitten oder sie würden zum Selbstmord gedrängt.

Die UNO-Sonderermittlerin Ertürk besuchte anschließend gemeinsam mit Vertretern des türkischen Parlamentsausschusses zur Untersuchung von Ehrenmorden Berlin, um dort ähnlichen Morden im Milieu türkisch-kurdischer Migrantenfamilien nachzugehen. Während einer Pressekonferenz sagte sie, man solle sich davor hüten, Ehrenmorde als religiöses Phänomen zu bezeichnen. Die Ursachen lägen vielmehr in patriarchalischen Strukturen und der weltweiten Ungleichbehandlung der Geschlechter (Jürgen Gottschlich: „TÜRKEI - Ehrenmorde als Selbstmorde getarnt“ SPIEGEL ONLINE 06.06.06).

Damit habe ich in diesem ersten Teil der vorgelegten Arbeit meine nach bestem Wissen und Gewissen gewonnene eigene Position in dieser für die Zukunft Europas bedeutenden politischen Sachfrage umfassend dargelegt.

Um aber auch Ihnen, meinen sich um eine eigene argumentative Position mühenden Lesern, zu ermöglichen, sich mit den Argumenten der Beitrittsbefürworter und deren Gegnern auseinandersetzen zu können, um so teilweise Hintergründe kennenzulernen, so selber zumindest zu einem fundierten eigenen Urteil zu gelangen und sich eventuell sogar an der politischen Ausein­andersetzung aktiv beteiligen zu können, will ich Ihnen die jeweils wichtigsten vorgebrachten Argumente für jede Position zur Kenntnis bringen. Das geht aus urheberrechtlichen Gründen leider nicht immer in ganzer Länge »im Original«. Die Positionen werden dann referiert. Wichtige Passagen werden im Original mitgeteilt, damit ich mich nicht dem Vorwurf der manipulativen Wiedergabe ausgesetzt sehe.

Zu den Beiträgen der Beitrittsgegner kann und werde ich mir meist jeden weiteren Kommentar ersparen: er ergibt sich ja aus meiner vorstehend dargelegten Position. Da bedarf es keines bestätigenden Schulterklopfens.

Die Beiträge der Beitrittsbefürworter werde ich nach meinen eigenen individuellen Schwerpunktsetzungen kommentierend gewichten, um so die von mir gesehenen Schwachstellen in dem Beitrag des jeweils zitierten Beitrittbefürworters ausdrücklich herauszuarbeiten.



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